In aller Öffentlichkeit In aller Öffentlichkeit: Bei Aldi-Nord läuft es nicht mehr rund

Es ist ein Machtkampf, der an TV-Serien wie Dallas und Denver Clan erinnert. Beim Discounter Aldi-Nord sind sich die beiden Familienzweige spinnefeind. Sie bekämpfen sich vor Gericht und nun auch mit Interviews in aller Öffentlichkeit. Es geht vordergründig um Bescheidenheit versus ausschweifenden Lebensstil. Wir erläutern, dass dahinter die Auseinandersetzung um die Zukunft des Teilkonzerns steht.
Wer regiert bei Aldi?
Schon die Gründer des Discounters, Karl und Theo Albrecht, trauten sich nicht so recht über den Weg. Deshalb teilten sie schon in den 1960er Jahren ihren Konzern in Aldi-Süd und Aldi-Nord. Die Grenze verläuft mitten durch Deutschland. Beide Teilkonzerne sind nur lose miteinander verbunden. Bei Aldi-Nord haben die Erben von Theo Albrecht - er starb 2010 - und seine Witwe Cilly das Sagen. Es geht um ein Vermögen von geschätzt mindestens 14 Milliarden Euro.
Wie ist die Macht verteilt?
Theo Albrecht hat drei Familienstiftungen eingerichtet, nach Markus, Lukas und Jakobus benannt. In den Stiftungen liegen die Anteile von Aldi-Nord nebst diverser Töchter im Ausland. Von den Stiftungen bekommt der Familienclan sein Geld zum Leben, und von ihnen kommt das Kapital für Investitionen. Markus-Stiftung mit 61-Prozent der Anteile und Cilly an der Spitze hat die größte Macht. Je 19,5 Prozent liegen bei der Jakobus- und der Lukasstiftung. Letzterer steht Theo junior vor. An der Spitze der Jakobus-Stiftung stand bis zu seinem plötzlichen Tod 2012 Berthold Albrecht, Theos jüngerer Bruder. Seither wird um die Macht dort gestritten – auch vor Gericht.
Warum ist der Streit um eine Stiftung so wesentlich?
Bei allen wichtigen Entscheidungen für Aldi-Nord gilt das Konsensprinzip, die Vorstände aller drei Stiftungen müssen zustimmen. Berthold hatte für die Jakobus-Stiftung noch kurz vor seinem Tod eine Satzungsänderung erwirkt. Es sollten nicht wie bisher nur Familienmitglieder, sondern auch ein Anwalt zum Vorstand gehören. Dabei handelte es sich um Emil Huber, ein Vertrauter von Theo junior und Cilly. Bertholds Witwe Babette und ihre fünf Kinder zogen dagegen vor Gericht, weil sie befürchteten, durch die neue Konstruktion entmachtet zu werden. Sie waren erfolgreich, konnten einen Formfehler nachweisen.
Wie hat Theo Albrecht reagiert?
Es läuft ein Berufungsverfahren. Die Jakobus-Stiftung, an deren Spitze zwei Töchter Babettes stehen, ist zumindest teilweise gelähmt. „Mein Bruder würde sich im Grabe umdrehen, wenn er wüsste, was hier abläuft“, sagte Theo Albrecht jetzt dem Handelsblatt. Er warnt: Wenn die alte Satzung wieder gelte, könnten die Kinder von Berthold „das Unternehmen am Nasenring durch die Manege führen; sie hätten damit ein unbegrenztes Erpressungspotenzial“- wegen des Konsensprinzips. Theo wirft Babette und ihren Kindern einen ausschweifenden Lebensstil vor. Um diesen zu finanzieren, sollen sie übermäßig viel Geld aus der Stiftung gezogen haben. Das alles sei eine Belastung für das Unternehmen.
Wie reagiert die Gegenseite?
Die Vorwürfe werden vehement zurückgewiesen. Die Ausschüttungen stünden in einem angemessenen Verhältnis zum Vermögen, erklärten Babettes Anwälte schon vor einigen Tagen. Auch Insider weisen darauf hin, dass bislang zumindest nichts nach außen gedrungen sei, was als geschäftsschädigend bezeichnet werden kann.
Gibt es andere Erklärungsmuster?
Theo junior verweist im Handelsblatt-Interview darauf, dass dringend Geld für die Renovierung der Filialen in Frankreich und Dänemark gebraucht werde. Hier könnte der eigentliche Streitpunkt liegen. Nämlich ein Generationenkonflikt um die künftige Strategie von Aldi-Nord. Die alte Garde um Theo gegen die Töchter von Babette.
Was kann der Konflikt für die Zukunft von Aldi-Nord bedeuten?
Aldi-Nord hängt noch stärker als Aldi-Süd am althergebrachten Discounter-Prinzip, das sich auf Konservendosen und Grundnahrungsmittel konzentriert. Doch dieses Geschäftsmodell kommt zunehmend in Bedrängnis. Rewe-Chef Alain Caparros hat es auf den Punkt gebracht und prognostiziert, dass es in fünf Jahren keine reinen Discounter mehr gibt. Supermärkte von Rewe oder Edeka bieten Billigsortimente, aber gleichzeitig auch Feinkost unter einem Dach. Darauf muss Aldi reagieren. Der größte Umbau in der Geschichte des Unternehmens steht an. Branchenkenner vermuten, dass Theo dennoch an Bewährtem weitgehend festhalten will, dass die junge Generation hingegen eine progressivere Richtung einschlagen will. Für Caparros jedenfalls ist der Supermarkt der Zukunft eine Art Erlebnisort mit gastronomischem Angebot.