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"Im nu original" Getreidekaffee aus der DDR "Im nu original" Getreidekaffee aus der DDR: Aus der Not zum beliebten Muckefuck

Von Hanne Walter 16.08.2020, 10:00
Aus Gerste, Roggen und Gerstenmalz bestand der in der DDR bekannte Getreidekaffee „im nu“, den es als „im nu original“ weiter gibt.
Aus Gerste, Roggen und Gerstenmalz bestand der in der DDR bekannte Getreidekaffee „im nu“, den es als „im nu original“ weiter gibt. Imago/Stock&People

Halle (Saale) - Egal ob Muckefuck, Gersten- oder Malzkaffee genannt: Kaffee-Ersatz musste vor allem in schlechten Zeiten über den Mangel weit gereister Bohnen hinweghelfen. Doch trotz des gegenwärtig riesigen Angebots von Bohnenkaffee sind auch die Surrogate weiterhin gefragt. Schließlich sind sie bekömmlich, nach wie vor preiswert, von großer Geschmacksvielfalt und häufig regional.

Malzkaffee wurde einst aus der Not geboren und diente armen Leuten als Kaffeeersatz, weil sie sich die „gute Bohne“ nicht leisten konnten. Neben der Armut machten auch weite Lieferwege und hohe Zollabgaben den Kaffee unerschwinglich.

„im nu original" hat die Wende überlebt

Zwar sanken die Preise mit den Jahrzehnten, doch Getränke aus Getreide oder anderen Rohstoffen wurden weiterhin veredelt und verfeinert, bis sie als „im nu“ an ostdeutschen und als „Caro“ an westdeutschen Frühstückstischen und Kaffeetafeln eingeschenkt wurden, während die Schweizer das Gerstenmalzgetränk „Ovomaltine“ bevorzugten.

Als „im nu original“ hat das ostdeutsche Instant-Pulver die Wende überlebt und besteht nach wie vor aus Gerste, Roggen und Gerstenmalz. Der 1954 in Deutschland eingeführte Caro-Kaffee, der auch als Landkaffee vermarktet wird, enthält Gerste, Gerstenmalz, Zichorie und Roggen.

Jahrhundertealte Tradition: Pflanzen als Kaffee-Ersatz

Derzeit kommen immer neue Kaffee-Alternativen auf den Markt, als Mischungen oder sortenrein. Sie setzen eine jahrhundertealte Tradition fort, denn schon in einem Text aus dem Jahr 1705 wurden Pflanzen als Kaffee-Ersatz beschrieben: „Einige pflegen fast ein gleiches Pulver von allerley Erbsen/Bohnen/Roggen/Weitzen zu präparieren/welches von vielen getrunken wird:

Allein dieses ist bei weitem nicht so schmackhafftig/und nahrsam als das Pulver/so von den gebranten Coffé-Bohnen gemacht wird/ ob gleich jenes nicht eben ungesund/und zu verachten ist.“ Als Muckefuck kann man alle bezeichnen, denn das ist eine Verballhornung des französischen Mocca faux, also falscher Mokka.

Gersten- und Roggenkaffee

Gerste wurde stets am häufigsten zu Kaffee-Ersatz verarbeitet. Aufzeichnungen zu Beginn des 18. Jahrhunderts behaupten sogar, dass vielen der Getreidekaffee besser als der aus Bohnen schmeckte und bekömmlicher war. Auf jeden Fall war er günstig anzubauen, da die Kulturpflanze überall gedieh. Die Körner wurden in speziellen Kaffeebratpfannen bei ständigem Rühren auf dem Herd oder im Backofen geröstet, ehe sie in Kaffeemühlen gemahlen wurde.

Schon Pfarrer Kneipp warb 1889 in seinem Gesundheits-Ratgeber „So sollt ihr leben“ dafür, statt Bohnenkaffee Malzkaffee zu trinken. Dennoch war der im selben Jahr auf den Markt gebrachte „Pfarrer Kneipps Gesundheitskaffee“ nicht ganz so konsequent, denn er war eine Mischung aus Bohnen- und Malzkaffee. Malzkaffee - der bekannteste ist wohl der „Kathreiner“ - enthält wenig Gerb- und Bitterstoffe und schmeckt deshalb milde und leicht süßlich.

Roggenkaffee: Strenge Note auch nach dem Mälzen

Jede Getreideart eignet sich zum Mälzen. Die Körner werden in Wasser eingeweicht, bis sie keimen. Ihre Stärke verwandelt sich dabei zu Malzzucker und Eiweiß. Anschließend werden sie getrocknet und geröstet.

Dabei karamellisiert der Malzzucker und es entsteht das typische Aroma. Der Roggenkaffee pur schmeckt bitter und sehr kräftig. Selbst nach dem Mälzen behält er als Malzkaffee seine strenge Note. Deshalb spielt er fast immer nur eine begleitende Rolle in Ersatz-Mischungen wie „im nu“.

Zichorienkaffee

Die Zichorie, eine der ältesten Pflanzenarten der Welt, zu deren Kulturformen Chicorée und Radicchio gehören, ist auch als Gemeine Wegwarte bekannt. Die erste deutsche Zichorienkaffee-Fabrik entstand um 1760.

Knapp 100 Jahre später waren es schon an die 3.500, denn mit Beginn des 19. Jahrhunderts avancierte der Zichorienkaffee neben dem Gerstenkaffe zu den beliebtesten Getränken Europas, da sein Geschmack dem des Bohnenkaffees sehr ähnelt. Einer der berühmtesten war der „Franck-Kaffee“, unverkennbar durch die Kaffeemühle auf der Verpackung. Ausgangsstoffe sind die Wurzeln der Zichorie mit der Stärkeverbindung Inulin, die beim Rösten in Zucker umgewandelt werden.

Lupinenkaffee

Deutschland ist das größte Lupinen-Anbauland der Europäischen Union, und so liefert die heimische Lupine einen besonders umweltfreundlichen Kaffee-Ersatz. Der Geschmack erinnert leicht an Bohnenkaffee. Wohl deshalb bezeichneten die Tiroler früher Lupinen auch als Bauernkaffee. Das Bergdörfchen Altrei in Südtirol wurde mit einer besonderen Spezialität bekannt, dem „Altreier Kaffee“ aus der einheimischen Behaarten Lupine.

Mit dieser blaublühenden Bohnenfrucht konnten sich im 18. Jahrhundert selbst die Ärmsten etwas dazuverdienen. Der „Altreier Kaffee“ war eine Mischung mit Gerste, Weizen oder Feigen. Die Südtiroler linderten damit auch so manche gesundheitlichen Anfechtungen ihres Viehs. Seit 2010 wird die lokale Spezialität unter dem Namen „Voltruier“ Kaffee verkauft.

Feigenkaffee

Genießer verfeinern mit Vorliebe ihren Bohnenkaffee mit Feigenkaffee, sorgt doch die geröstete Feige für eine satte, dunkle Farbe und einen süßen Geschmack. Zudem ist sie sehr bekömmlich und gesund, denn sie enthält viele Ballaststoffe. Dafür werden getrocknete Feigen geröstet und gemahlen.

Dinkelkaffee

Dinkelkaffee hat einen rauchigen und hölzernen Duft und schmeckt herb. Er gilt als verdauungsfördernd, denn er enthält viel hochwertiges Eiweiß, komplexe Kohlenhydrate und zahlreiche Spurenelemente, Mineralien und Vitalstoffe.

Die Universalgelehrte und Äbtissin Hildegard von Bingen fand ihn vor allem geeignet für ein „aufgelockertes Gemüt und die Gabe des Frohsinns“. Den Reinen Hildegard-Kaffee aus 100 Prozent gerösteten Dinkelkörnern gibt es noch immer, und zwar von der Firma Sonnentor.

Sojakaffee

Aus Sojabohnen lässt sich nicht nur Milch gewinnen, sondern auch ein Kaffee, der so ähnlich schmeckt wie Malzkaffee, nur etwas nussiger. (mz)