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Streit um Zahlungspflicht IHK Hamburg: Rebellen rütteln Handelskammern auf - Zahlungspflicht soll abgeschafft werden

Von Stefan Sauer 19.02.2017, 16:48
Symbolbild.
Symbolbild. dpa-Zentralbild

Berlin/Köln - Man könnte die Vorgänge um die Handelskammer Hamburg als Chronik eines angekündigten Selbstmords bezeichnen. In den Wahlen zum zentralen Beschlussgremium hat eine Gruppierung gesiegt, die die 1665 gegründete Institution ihres Zwangscharakters entledigen will. Industrie- und Handelskammern haben als Körperschaften öffentlichen Rechts vom Staat übertragene Aufgaben wahrzunehmen und sind daher gesetzlich geschützt sind. Faktisch aber ist es durchaus möglich, eine Kammer zur Bedeutungslosigkeit zu verdammen, indem man ihr die finanzielle Grundlage entzieht.

Genau das hat die Gruppierung „Die Kammer sind wir“ vor, die künftig in Hamburg 55 der 58 direkt gewählten Vollversammlungsmitglieder stellt. Zentrales Ziel: Die Beiträge der Zwangsmitglieder sollen auf Null sinken.

Den Sieg der Rebellen nennt Kai Boeddinghaus, Chef des Bundesverbands für freie Kammern ein „großartiges Ergebnis“. Die Wahl habe Signal-Wirkung über Hamburg hinaus: „Die Kammern in ganz Deutschland müssen sich bewegen und sich mit ihren Kritikern auseinandersetzen.“ Das habe in der Vergangenheit nur in Einzelfällen stattgefunden. Ausschlaggebend für das Ergebnis sei die Tatsache gewesen, dass es gleich mehrere „Aufreger-Themen“ gegeben habe. Dazu gehöre auch das Gehalt des Hauptgeschäftsführers, das er auf massiven Druck offenlegen musste: 475 000 Euro.

Viele Kammern dürften die Entwicklung mit Sorge betrachten. Die IHK zu Köln etwa sieht insbesondere die geplante Abschaffung der Pflichtbeiträge kritisch, sagt Hauptgeschäftsführer Ulf Reichardt. „Bislang erkenne ich da keinen tragbaren alternativen Vorschlag“. Eine IHK sei kein Selbstzweck, sondern eine Solidargemeinschaft mit einer Vielzahl von hoheitlichen Aufgaben, die durch die Unternehmen über ihren Beitrag gemeinsam getragen, aber auch gemeinsam ausgestaltet werden. „Gibt die Unternehmerschaft hier aus rein finanziellem Interesse ihre Einfluss- und Gestaltungsmöglichkeit auf, wälzt sie diese Kosten auf den Steuerzahler ab und verzichtet auf eine möglichst betriebsnahe Ausgestaltung“. Dies beträfe vor allem Ausbildungsprüfungen, Außenhandel und rechtliche Fragen. „Außerdem wäre eine Rest-IHK, in der nur noch freiwillige Mitglieder sind, gezwungen, vornehmlich die Interessen ihrer zahlenden Mitglieder zu vertreten“, so Reichardt. „Das heute von den IHKs wahrgenommene abgewogene Gesamtinteresse der regionalen Wirtschaft hätte dann keinen Fürsprecher mehr.“
In der Kölner Vollversammlung gibt es schon jetzt kontroverse Diskussionen – insbesondere unter kleineren und mittleren Unternehmen. „Wir empfinden das hier in Köln nicht als Manko, sondern als Chance, unternehmerisches Know-how als Maßstab für unser Handeln zu sehen und haben die IHK Köln unternehmerisch aufgestellt“, so Reichardt. Er erwartet auch in anderen Städten Diskussionen. Hamburg zeige: „Nichts ist in Stein gemeißelt und Institutionen, die man behalten möchte, muss man auch aktiv unterstützen. Passivität und ein Vertrauen in ein »Weiter so« sind in Zukunft noch schlechtere Ratgeber als bisher schon.“ Natürlich werde es jetzt eine intensivierte Diskussion um die Rolle der IHKs geben, glaubt Reichardt. „Zentrale Frage wird sein: Wollen wir weiter das Gesamtinteresse der Wirtschaft in einer demokratisch legitimierten Selbstverwaltung der regionalen Wirtschaft erheben oder geben wir diese Institution für interessengesteuerte Klientelpolitik auf?“ Für Köln und die Region sehe er die Diskussion aber nicht kritisch. „Wir wissen, für was wir stehen und sind mit unserer Unternehmerschaft auch bereit, in einem demokratischen Wettstreit dafür zu kämpfen.“ Im Kammerbezirk stehen erst in knapp drei Jahren Wahlen zur Vollversammlung an.

Michael Garvens, Chef des Airports Köln/Bonn war überrascht über das Ergebnis in Hamburg. „Ein solches Ergebnis hätte ich in der traditionsreichen und konservativen Hamburger Kammer nie erwartet“, sagt der gebürtige Hamburger. So etwas könne morgen auch in jeder anderen deutschen Kammer passieren. Man müsse das Ergebnis analysieren und schauen, welche Lehren man daraus in Köln ziehen könnte.

Garvens wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass das Thema der Sanierung des Kölner IHK-Gebäudes Potenzial für ein Aufreger-Thema biete. Statt 40 Millionen Euro wird die geplante Sanierung des über 60 Jahre alten Gebäudes voraussichtlich fast 50 Millionen Euro kosten. „Ein sorgsamer und kostenbewusster Umgang mit Beiträgen der Pflichtmitglieder muss oberste Priorität haben“, so Garvens. Der Flughafenchef erneuerte auch seine Forderung, dass der IHK-Hauptgeschäftsführer sein Gehalt veröffentlicht. „Das ist etwa bei Unternehmen mit städtischer Beteiligung heute schon selbstverständlich und ein wichtiger Beitrag zu mehr Transparenz“, so Garvens.

Auch in anderen Städten wird es spannend: Zwischen dem 2. und dem 29. Mai stehen die Vollversammlungswahlen im Kammerbezirk Berlin an. Und bis dahin? Der Kammer-Dachverband DIHK gibt sich konziliant: „Wir werden mit der HK Hamburg weiterhin gut zusammenarbeiten.“