Krise bei Sachsen-Anhalts größtem Autozulieferer Ifa: Autozulieferer aus Haldensleben benötigt frisches Geld

Halle (Saale) - Heinrich von Nathusius galt lange Zeit als Vorzeige-Unternehmer Sachsen-Anhalts. Er kaufte Anfang der 90er Jahre das Unternehmen Ifa in Haldensleben (Börde) und formte daraus Sachsen-Anhalts größten Autozulieferer.
Doch nun ist sein berufliches Lebenswerk gefährdet. Banken haben vor wenigen Wochen den Sanierungsmanager Arno Haselhorst als Sprecher der Geschäftsführung installiert. Ein solcher Schritt wird nur getätigt, wenn die Situation brenzlig ist. Haselhorst soll das Unternehmen wieder auf Kurs zu bringen. Entscheidend dafür werden wohl die kommenden vier Wochen sein.
Ifa aus Haldensleben: Probleme des Autozulieferers in Polen
Vereinfacht gesagt, geht es Ifa nicht wegen fehlender Aufträge schlecht, sondern weil das Unternehmen zu viele angenommen hat und die nicht bewältigen kann.
Haselhorst und Geschäftsführer Robert Gutsche erläuterten am Freitag gegenüber der MZ, wie sich die Situation aus ihrer Sicht darstellt: Die Ifa ist in den vergangenen zehn Jahren durch Zukäufe und eigenes Wachstum stark expandiert. Das Unternehmen hatte zuletzt auch die Produktion von sogenannten Seitenwellen vom Autokonzern Daimler übernommen.
Die in Esslingen (Baden-Württemberg) angesiedelte Fertigung wird schrittweise in ein 2017 eröffnetes Ifa-Werk ins polnische Ujest verlagert. „Das ist ein komplexes Projekt“, sagt Gutsche. Die polnische Produktion mit 400 Mitarbeitern sei nicht so schnell in Gang gekommen, wie erwartet. „Damit sind auch erwartete Umsätze ausgeblieben“, erläutert Gutsche.
Im vergangenen Jahr mussten viele deutsche Autobauer aufgrund neuer europäischen Abgastests monatelang die Produktion drosseln, weil sie mit der Zertifizierung nicht nachkamen. Auch dadurch büßte Ifa an Umsatz ein.
Der Zulieferer hatte mit den Autobauern aber bereits weitere Verträge abgeschlossen und muss nun investieren. „Wir benötigen mehr Geld, als wir zur Verfügung haben“, sagt Haselhorst. Kurzfristig sei die Liquidität gesichert, um Löhne und Materialien zu bezahlen. Mit Banken, aber auch den Autobauern, werde nun über zusätzliche finanzielle Mittel verhandelt.
Zu der Höhe neuer Darlehen äußert sich Haselhorst nicht. Er erwartet ein Ergebnis in den kommenden vier Wochen.
Nach MZ-Informationen haben auch Sparkassen aus dem südlichen Sachsen-Anhalt Ifa in der Vergangenheit finanziert und sollen nun einspringen. Die Autobauer sollen über Vertragskonditionen helfen, Ifa zu sanieren.
Der Autozulieferer Ifa beschäftigt weltweit 3.280 Mitarbeiter, gut 2.000 davon in Sachsen-Anhalt. Das Unternehmen fertigt Gelenkwellen, die die Kraft des Motors auf die Räder bringen. In Sachsen-Anhalt gibt es Produktionsstätten in Haldensleben, Irxleben und Sangerhausen. International werden Werke im US-amerikanischen Charleston, im chinesischen Shanghai und im polnischen Ujest betrieben.
Das Unternehmen erzielte 2017 laut Geschäftsbericht einen Umsatz von 650 Millionen Euro und erzielte einen Gewinn von 21 Millionen Euro. Auch 2018 sollen Gewinne erwirtschaftet worden sein.
Die Firma beliefert fast alle großen deutschen Hersteller wie Daimler, VW und BMW. „Deren Verhalten ist jedoch schwer einzuschätzen“, sagt eine mit dem Vorgang vertraute Person. Die Autokonzerne seien auf eine reibungslose Fertigung bei Ifa angewiesen. Doch unter welcher Führung das passiere, sei denen oft egal.
Haselhorst und Gutsche wollen nach einer erfolgreichen Finanzierung die Restrukturierung vorantreiben. „Stellenabbau, Kurzarbeit oder Lohneinschnitte sind nicht geplant“, so Gutsche und Haselhorst ergänzt: „Die Mitarbeiter sollen nicht die Lücke schließen, für die andere verantwortlich sind.“
Es laufen jedoch Gespräche mit dem Betriebsrat zur Flexibilisierung der Arbeitszeit. Zusätzlich wird geprüft, in wieweit die Lieferanten an der Sanierung partizipieren, teilte die Geschäftsführung mit.
Durch steigende Umsätze will Haselhorst „die Schuldenlast wieder tragbar machen“. Die Verbindlichkeiten gegenüber Banken stiegen 2017 von 167,5 Millionen Euro auf 238,8 Millionen Euro. Der Sanierungsmanager, der eine eigene Beratungsfirma besitzt, geht davon aus, dass die Sanierung nach 18 Monaten abgeschlossen ist.
Sorga um Autozulieferer Ifa in Haldensleben: Mifa-Pleite wirkt nach
Der Unternehmer von Nathusius hat in den vergangenen Jahren unternehmerisch keine glückliche Hand mehr gehabt. Der Firmenpatriarch ging bereits Anfang 2017 mit dem zwei Jahre zuvor zugekauften Fahrrad-Hersteller Mifa aus Sangerhausen pleite. Die Insolvenz hatte laut Ifa keine operativen Auswirkungen auf den Autozulieferer. Allerdings dürfte das Vertrauen der Banken in von Nathusius beschädigt sein.
Mitte 2018 kündigte Ifa zudem an, einen Verkaufsprozess eingeleitet zu haben. Die aktuelle Situation hat potenzielle Investoren aber offenbar abgeschreckt. Von der Substanz ist Ifa laut Gutsche ein starkes Unternehmen. Derzeit laufe mit Hochdruck die Forschung an leistungsfähigeren Seitenwellen, die Elektro-Autos künftig benötigen. Das ist ein Zukunftsmarkt. Das polnische Werk soll die Wellen produzieren. Das Sorgenkind ist für Ifa also von strategischer Bedeutung. (mz)