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IBG-Affäre IBG-Affäre: Millionen-Förderung des Landes am Ziel vorbei

Von Hendrik Kranert-Rydzy 02.06.2015, 06:43

Magdeburg - Eines muss man der Firma ACM Coatings GmbH lassen - sie hatte im Jahr ihrer Gründung immerhin eine innovative Idee. Neuartige, besonders absorptionsstarke Folien sollten entwickelt werden, um die Leistungsausbeute von Solarthermie-Anlagen zu verbessern. Dafür warb die Firma Risikokapital bei der landeseigenen Investitions- und Beteiligungsgesellschaft ein.

Keine Produktion in Sachsen-Anhalt

Zehn Jahre später fällt das Fazit des Landesrechnungshofs aber ernüchternd aus. „Fakt ist, dass ACM zu keinem Zeitpunkt innovative Produkte in Sachsen-Anhalt hergestellt hat“, sagte Präsident Kay Barthel am Montag nach Abschluss einer Prüfung der IBG. ACM ist nicht viel mehr als eine Briefkasten-Firma, die nur als Vertriebsweg des israelischen Mutterkonzerns dient. Dies aber widerspricht den Beteiligungsgrundsätzen der IBG - nämlich keine verlängerten Werkbänke bestehender Konzerne, sondern nur klein- und mittelständische Unternehmen ohne Eigenkapital und mit Sitz in Sachsen-Anhalt zu fördern. „Seit nunmehr zehn Jahren sucht ACM vergeblich nach Möglichkeiten für eine Serienproduktion“, sagte Barthel. In Sachsen-Anhalt wird nichts produziert, von neuen Arbeitsplätzen ganz zu schweigen.

Die Konsequenzen: keine. Obwohl ACM Etappenziele mit der IBG vereinbarte - und bei deren Erreichen 20 Prozent der Geschäftsanteile auf die IBG übertragen werden sollten - schaut die IBG bis heute dem Agieren von ACM, geführt von einem Geschäftsführer in Teilzeit, tatenlos zu. Ein möglicher Grund: Ex-IBG-Chef Dinnies Johannes von der Osten ist privat indirekt am ACM-Mutterkonzern beteiligt.

Der Fall Schlossgruppe Neugattersleben

In einem anderen Fall nahmen die IBG und ihre Aufsichtsgremien das Nichteinhalten von Förderkriterien nicht nur untätig zur Kenntnis. Im Fall der Schlossgruppe Neugattersleben, die sich mehrheitlich im Besitz der Familie des früheren Bundestagsabgeordneten Klaas Hübner (SPD) befindet, stimmten Aufsichtsrat und Beteiligungsausschuss sogar bewusst gegen die eigenen Beteiligungsgrundsätze: Insgesamt 5,25 Millionen Euro flossen an drei Firmen der Gruppe, um diese vor der Insolvenz zu bewahren.

„Allen Beteiligten war von Anfang an klar, dass es um ein Rettungspaket geht“, sagte Barthel. Kurios: Während die IBG die Schlossgruppe als „klein- und mittelständisch“ einordnete, tat dies die - ebenfalls in Landesbesitz befindliche - Investitionsbank nicht. Sie gewährte der Schlossgruppe ein Darlehen über fünf Millionen Euro aus ihrem Portfolio für Großunternehmen. „Einer von beiden hat sich da geirrt“, sagte Barthel, der Rechnungshof prüfe das noch. Das Land hat sich inzwischen von allen Beteiligen an der Schlossgruppe getrennt - vorgeblich mit 1,2 Millionen Euro Gewinn. „Eine sehr verkürzte Darstellung, die nicht den kaufmännischen Gepflogenheiten entspricht“, so Barthel.

Eine perfekte Vision

Dritter Fall: Die Perfect Vision AG - die eine perfekte Vision blieb. 2007 beteiligte sich die IBG erstmals an der Firma mit der Auflage, eine Betriebsstätte in Halle zu errichten. Die gibt es zwar bis heute nicht, der Beteiligungsausschuss der IBG bewilligte in der Folge aber dennoch weitere Hilfen. Nach Ansicht von Barthel ist das kein Wunder - im Prinzip konnten die Beteiligungsmanager der IBG jahrelang schalten und walten wie sie wollten. So gab es bis 2011 keine systematische Prüfung von Beteiligungen darauf, ob geförderte Unternehmen dem Kriterium „klein- und mittelständisch“ entsprachen, stellten die Rechnungsprüfer fest.

Dennoch will das Land am Modell der IBG festhalten, sie soll demnächst vom Betreiber GoodVent zu einem anderen wechseln. „Aus den Fehlern nichts gelernt“, kommentierte der Obmann der Linken im IBG-Untersuchungsausschuss des Landtags, Frank Thiel, am Dienstag diese Pläne. Der Ausschuss tagt am Mittwoch wieder und hat den Ex-Wirtschaftsminister und heutigen Ministerpräsidenten Reiner Haseloff (CDU) erneut als Zeugen geladen. (mz)