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Hochwasser in Landwirtschaft Hochwasser in Landwirtschaft: "Da ist nichts mehr zu retten"

Von Hans-Dieter Speck 19.06.2013, 19:16
Alles vernichtet: Genossenschafts-Chef Helmut Körner hockt auf seinem Erdbeerfeld an der Henne.
Alles vernichtet: Genossenschafts-Chef Helmut Körner hockt auf seinem Erdbeerfeld an der Henne. Hans-Dieter Speck Lizenz

naumburg/MZ - Wir fahren durch eine tote Flur. Und sprechen zunächst wenig. „Eigentlich wollten wir am 10. Juni mit der Erdbeerernte anfangen“, bricht Helmut Körner dann doch das Schweigen. Der Vorstandsvorsitzende der Agrargenossenschaft Naumburg stapft über den aufgeweichten Boden an der Hennenbrücke.

Tabakbraune Pflanzen so weit das Auge reicht. Hier wächst nichts mehr. Wo sonst die Pflücker zu Gange waren, der bunte Verkaufswagen der Genossenschaft stand, suchen jetzt Möwen und Kraniche im Braakwasser nach Beute. Noch vor wenigen Tagen war hier ein Hochwassersee. Bis 1,80 Meter stand die Flut auf dem Feld. Auch auf den Getreideschlägen zwischen ICE-Strecke und dem Blütengrund. „Da ist in diesem Jahr nichts mehr zu retten.“ Auch nicht bei den kleinen Apfelbäumchen in der Plantage, die stehen wie traurige Skelette in der Landschaft. Dazwischen sind Strohballen angeschwemmt, Äste, allerhand Unrat. „Allenfalls als Industrieobst sind die Äpfel von den größeren Bäumen noch zu gebrauchen, wenn sie denn überhaupt wachsen“, sieht Körner noch einen bescheidenen Hoffnungsschimmer.

„Eigentlich wollte ich mit alledem nicht an die Öffentlichkeit“, sagt der Landwirt. „Angesichts des Leids, das anderenorts die Menschen betrifft. Wo ganze Dörfer versinken und Menschen ihr Hab und Gut verlieren, dort wird Hilfe am Nötigsten gebraucht. Das hat Vorrang.“ Doch nun, wo das Hochwasser gewichen ist, wird das ganze Ausmaß des Schadens sichtbar. 59 Prozent der Ackerfläche der Naumburger Genossenschaft sind verschlammt und verwüstet. Drei Hochwasser hat der 64-Jährige überstanden, das jetzige vierte war das Schlimmste. Alles in allem, mit Ertragsausfällen und Gebäudeschäden komme der Betrieb auf eine Million Euro Gesamtschaden. Mit 850 000 Euro fehlen 66 Prozent der Umsatzerlöse. Allein 150.000 Euro bei Erdbeeren. „Wir dürften den höchsten Hochwasserschaden im Burgenlandkreis aufweisen“, sagt er. Für das solide wirtschaftende Unternehmen von 15 Familien ist das ein herber Rückschlag. „Das ist schon traurig, wenn ein gesunder Betrieb so in Stunden untergeht“, blickt Körner über das verwüstete Ackerland. 342 Hektar bestellt mit Feldfrüchten vom Weizen bis zu den Sonnenblumen sind vollkommen geschädigt.

Nicht, dass sie keine Solidarität erfahren hätten. Benachbarte Agrarbetriebe, wie der Landwirtschaftsbetrieb Albrecht, die Landwirtschaftlichen Agrarbetriebe in Scheiplitz, Möllern und die Osterland GmbH boten Hilfe an. Die Raiffeisenbank war zur Stelle, vom Burgenlandkreis kam Unterstützung, Arbeitskräfte zum Aufräumen wurden vermittelt. Landesstaatliche Hilfen habe er bei den bisherigen drei Hochwassern nie in Anspruch genommen, sagt Körner. „Jetzt für das vierte aber brauchen wir sie.“

Entgegenkommen erwartet er auch von den Verpächtern. 50 Prozent der von der Genossenschaft bewirtschafteten Flächen sind in öffentlicher Hand, von der Kommune über die Domstifter bis zur Kirche „Da hoffe ich einfach auf Solidarität.“

Der erfahrene Landwirt sagt aber auch: „Aufgeben gibt es nicht.“ So wurde der bunte Erdbeerbär, die Reklamefigur, nicht in die Ecke gestellt. „Wenn wir auch keine eigenen Erdbeeren haben, der Verkauf frischer Früchte ist dennoch in unserem Hofladen in der Halleschen Straße angelaufen.“ Verkauft werden Erdbeeren aus umweltgerechten Standorten in Sachsen und Thüringen. Für seine Genossenschaft sucht Körner inzwischen nach höher gelegenen Ausweichflächen.