Hinterwälder und Heidschnucken Hinterwälder und Heidschnucken: Bauern wollen Rassen vor dem Aussterben bewahren

Magdeburg/dpa - Die braun-weiße Kuh „Nordje“ gehört zu den Hinterwäldern. Zusammen mit dem Angler-Rind „Gute Miene“ lebt das Rind der seltenen Rasse auf dem Hof von Herwig zum Berge in Suderbruch bei Hannover. Die Weiße Heidschnucke auf dem Bördehof von Fritz Weber in Wormsdorf bei Magdeburg hat keinen Namen. Das Schaf mit dem zotteligen Fell trägt die Nummer 7. Eines haben die Tiere gemeinsam: Sie leben in einer „Nutztierarche“. Diese Initiative zum Schutz seltener Rassen gründete zum Berge vor zehn Jahren. „Etwa 250 Höfe vor allem in Deutschland, aber auch im Ausland gehören ihr mittlerweile an“, sagt er.
Die Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen (GEH) im hessischen Witzenhausen betreibe zwar auch das Projekt „Nutztierarche“, doch seine Initiative richte sich vor allem an Kleinbauern, sagt der gelernte Jugendpfleger. Er bewirtschaftet seinen Hof im Nebenerwerb mit etwa 30 vom Aussterben bedrohten Tierrassen.
Bedeutung für die Zukunft
„Allein in Deutschland stehen mehr als 100 Nutztierrassen auf der Roten Liste der GEH„, sagt Sprecherin Antje Feldmann. Neben den eingangs genannten zählen das Rauwollige Pommersche Landschaf, die Tauernscheckenziege, Deutsche Lachshühner, Hochbrutflugenten, Leinegänse und das Deutsche Sattelschwein dazu. Das Arche-Hof-Projekt wurde im Jahr 1995 von der GEH ins Leben gerufen und umfasst derzeit 90 Höfe.
Mit viel Liebe widmen sich Bauern in Deutschland den seltenen Rassen. „Für die Landwirte mag es ein Hobby sein, doch es hat auch eine enorme Bedeutung für die Ernährung der Menschen in der Zukunft“ sagt Stefan Schröder, Leiter des Informations- und Koordinationszentrums für Biologische Vielfalt an Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung in Bonn. „Es geht um die Bewahrung des genetischen Potenzials der Tiere.“ Möglicherweise seien künftig andere Anforderungen an Schwein, Rind oder Schaf gefragt, zum Beispiel wenn es veränderte Verbraucherwünsche gebe.
„Beispielsweise mussten Schweine in Notzeiten möglichst fett sein, in den jetzigen guten Zeiten sind magere Tiere gewollt“, erläutert Schröder. Ändern sich die Bedingungen für die Haltung der Tiere oder die Ansprüche der Menschen, könne man auf Material der alten Arten zurückgreifen.
Nachfrage steigt
Bördebauer Weber, der auch der Chef der Agrargenossenschaft Harbke mit 1000 Hektar Land ist, hält die genügsamen und seltenen Heid- und Moorschnucken. Er widmet sich auch in seiner Freizeit den seltenen Schafrassen. „Man braucht viel Liebe und Begeisterung für die Tiere, denn reich werden kann man damit nicht“, sagt Weber, der von seiner Familie unterstützt wird.
„Viele Nutztierrassen sind vom Aussterben bedroht, weil sie nicht geeignet sind für die heutige industrielle Produktion“, erläutert zum Berge. Manche Tiere seien für die schnelle Mast nicht tauglich, weil sie zu langsam wachsen, andere gäben zu wenig Milch. Doch die Produkte aus den alten Rassen und von kleinen Höfen seien zunehmend gefragt, auch, wenn sie teurer seien als Erzeugnisse aus großen Mastanlagen.
„Ein Schwein in einem industriellen Agrarbetrieb wiegt bereits nach fünf Monaten die schlachtreifen 120 Kilogramm“, sagt zum Berge. Das heute seltene Sattelschwein - wegen seiner weißen Zeichnung auf dem Rücken so benannt - brauche dafür 12 bis 13 Monate. Dessen Fleisch sei dann auch etwa doppelt so teuer, berichtet zum Berge.
Auch bei Rindern gibt es große Unterschiede: „Das seltene Schwarzbunte Niederungsrind bringt es auf etwa 5000 Kilo Milch im Jahr“, sagt zum Berge. Das schwarz-weiße Holstein-Rind - diese Rasse wird für die Milcherzeugung am häufigsten in Deutschland gehalten - kommt bei Spitzentieren auf 10.000 bis 11.000 Kilogramm.