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Haseloff ermahnt Forscher Haseloff ermahnt Forscher: Mehr praxistaugliche Empfehlungen von IWH gefordert

Von Steffen Höhne 06.03.2019, 21:11
Sachsen-Anhalts Ministerpräsident  Reiner Haseloff (CDU) während einer Pressekonferenz.
Sachsen-Anhalts Ministerpräsident  Reiner Haseloff (CDU) während einer Pressekonferenz. dpa-Zentralbild

Halle (Saale) - „Ich lese solche Studien grundsätzlich nicht mehr“, sagt Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU). Das gehe nicht gegen das IWH. „Doch die Erkenntnisse sind mir seit vielen Jahren bekannt.“ Im Konferenzsaal des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) schauen sich die Wissenschaftler betreten an.

Sie hatten am Mittwoch zu der Tagung „Vereintes Land - drei Jahrzehnte nach dem Mauerfall“ eingeladen. Den Eröffnungsvortrag hält Haseloff, dem zuvor die 70-seitige Studie überreicht wurde. Der promovierte Physiker Haseloff macht deutlich, dass er von den Wirtschaftsforschern keine unumstößlichen Studienergebnisse erwartet, jedoch mehr praktische Handlungsempfehlungen, wie die ostdeutsche Wirtschaft vorangebracht werden kann.

Aufholen in weiter Ferne

Der Befund ist eindeutig: 30 Jahre nach der Wiedervereinigung hinkt der Osten bei Löhnen und Produktivität dem Westen weiter um 20 Prozent hinterher. Ein Aufholen ist nicht in Sicht. Doch wie lässt sich das ändern? IWH-Präsident Reint Gropp hat dazu Vorschläge gemacht, die den meisten ostdeutschen Landespolitikern jedoch nicht passen. Gropp schlägt vor, die Fördermittel vor allem auf die ostdeutschen Ballungszentren zu konzentrieren.

Dort würden junge Leute hinziehen, dort würden innovative Unternehmen entstehen. Gropp unterlegt das mit einer Studie aus seinem Haus. Der wirtschaftliche Rückstand Ostdeutschlands liege vor allem daran, dass Städte wie Leipzig noch nicht das Wirtschaftsniveau wie etwa Nürnberg erreicht hätten. Im Umkehrschluss heißt das aber auch, weniger Geld in die ländlichen Regionen zu geben. Haseloff verteidigt dagegen die Wirtschaftsförderung im ländlichen Raum. Nach der deutschen Einheit wurden Chemieparks in Leuna, Zeitz oder Wittenberg mit Fördermilliarden erneuert. „Damit haben wir die Chemieindustrie in Ostdeutschland erhalten, die sich heute eigenständig behauptet.“

Geringe Löhne: Langfristige Folgen werden zu wenig bedacht

IWH-Abteilungsleiter Steffen Müller stellt eine Studie zu betrieblichen Lohnunterschieden in Deutschland vor. In der kommt er zu dem Schluss: Unternehmen die viel bezahlen, ziehen hochqualifizierte Mitarbeiter an, die viel verdienen wollen. Das klingt zunächst banal.

Dennoch hat das die ostdeutsche Politik in den vergangenen Jahrzehnten kaum beachtet. Noch immer werden Logistiker gefördert und angesiedelt, die vergleichsweise geringe Löhne zahlen. Diese Ansiedlungen sind häufig mit vielen Arbeitsplätzen verbunden. Die langfristigen Folgen werden jedoch wenig bedacht. Noch immer ziehen hochqualifizierte junge Menschen aus Ostdeutschland weg, weil sie in westdeutschen Ballungszentren interessantere und besser bezahlte Jobs finden.

Wirtschaftsforscher Michael C. Burda legt dar, dass die berufliche Qualifikation der ostdeutschen Arbeitnehmer nicht für den Rückstand verantwortlich ist. Das heißt, es fehlt an attraktiven Arbeitgebern. Von den 500 größten Unternehmen in Deutschland haben nur 36 ihren Sitz in Ostdeutschland. Ohne Berlin sähe die Bilanz noch schlechter aus. Doch dieser Befund ist alles andere als neu. Daher rührt vielleicht auch Haseloffs Studien-Skepsis.

Rezept für Erfolg: Mit Bildung wuchern

Auf der Tagung wird die Frage aufgeworfen, wie sich das ändern lässt? Antworten werden darauf nur wenige gegeben. Die Gründung von Staats-Konzernen wird von den Wissenschaftlern jedenfalls verworfen. Warum eigentlich? Ist China damit aktuell nicht erfolgreich?

Die Wissenschaftler setzen vor allem auf Bildung. Sie gehen davon aus, dass gut ausgebildete junge Menschen zwangsläufig später auch wirtschaftlich erfolgreich agieren werden. Das gilt nicht für jeden Einzelnen, aber für die Gesamtheit. Haseloff mahnte an, dass es wichtig sei, bei einer immer stärker ausdifferenzierten Gesellschaft, auch einen Konsens zu finden. Zu den Wissenschaftlern sagt er zum Abschluss versöhnlich: „Wir müssen gemeinsam Wege finden.“  (mz)