Harzer Grube Harzer Grube: Der Schinken im Silberberg

St. Andreasberg/MZ - Über rutschige Holzbohlen geht es mühsam vorwärts. Es ist eng in dem Stollen, den Bergleute um das Jahr 1600 auf der Suche nach Silber in den Oberharzer Fels getrieben haben. Von der Decke perlen kalte Tropfen. Die sogenannte Rösche, durch die einst Wasser aus der St. Andreasberger Grube Samson geleitet wurde, wird immer niedriger. Am Ende müssen auch kleinere Menschen gebückt gehen. „Da hinten hängen sie“, sagt Jochen Klähn, der die Besucher tief in das Museumsbergwerk hineingeführt hat.
Noch bevor man sieht, was der Museumschef meint, weht sanft ein zart-würziger Hauch durch das Halbdunkel. Man quetscht sich vorbei an einer alten Lore, watet durch knöcheltiefe Pfützen. Der Museums-Chef drückt auf einen verborgenen Schalter. Eine Lampe funzelt auf: Nach oben abgeschirmt von einer wasserdichten Platte, damit das Grubenwasser nicht direkt auf das Fleisch tröpfelt, baumeln dort die Schinken von Harzer Schweinen ihrer Reife entgegen.
Die Idee, das alte Bergwerk als Reifekammer für eine kulinarische Spezialität zu nützen, hatte Fleischer Karl-Heinz Lambertz. Als sich im Jahr 2010 in St. Andreasberg der Tag zum hundertsten Mal jährte, an dem die Grube als aktives Bergwerk geschlossen wurde, ließ Lambertz erstmals Schinken unter Tage reifen.
Von etwas Vergleichbarem habe sie noch nie gehört, sagt die Sprecherin des niedersächsischen Landvolks, Gabi von der Brelie. Auch beim Fleischerverband in Hannover spricht man von einer einzigartigen Spezialität. Dass sonst noch irgendwo im Lande Schinken unter Tage reife, sei nicht bekannt, sagt Geschäftsführerin Isabell Dohm.
Bei zwei bis vier Grad Celsius und sehr hoher Luftfeuchtigkeit von 90 Prozent braucht der Schinken, der zuvor mit mit einem Harzer Speziallikör eingerieben wird, etwa vier bis fünf Wochen bis zur Reife. Er sei dann wegen der hohen Feuchtigkeit in dem alten Entwässerungsstollen einzigartig zart, saftig und mildwürzig. Und Lambertz hat nicht zu viel versprochen.
Dass er - ausgerüstet mit Helm und Grubenlicht - die Kisten mit den Schinken mühsam zu Fuß in den Berg hinein und wieder hinaus schleppen muss, nehme er dafür in Kauf, sagt der Fleischermeister. „Das mache ich gerne“. Denn bei Einheimischen und Gästen komme der Grubenschinken bestens an. „Wir können gar nicht so viel herstellen, wie die Leute kaufen wollen“. Denn die Produktion lasse sich nicht beliebig ausweiten. In der von den Aufsichtsbehörden abgenommenen ungewöhnlichen Reifekammer ist nur wenig Platz. Viel mehr als drei Dutzend Schinken gleichzeitig können dort nicht hängen. Und künstlich Reifekammern herzustellen, welche die gleichen Bedingungen bieten, wie ein alter Bergwerksstollen, sei kaum möglich, meint Verbandsgeschäftsführerin Dohm.