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Haftpflicht-Versicherungen für Hebammen Haftpflicht-Versicherungen für Hebammen: Das Ende der Hausgeburt?

Von Bärbel Böttcher und Timot Szent-Ivanyi 20.02.2014, 21:42
Hebammen bald außer Dienst?
Hebammen bald außer Dienst? dpa Lizenz

Berlin/Halle/MZ - „Der Zauber, der einer Geburt innewohnt, ist für mich das Größte“, sagt Petra Chluppka. Die Vorsitzende des Landeshebammenverbandes in Sachsen-Anhalt, die bis zu einem schweren Unfall Hausgeburten begleitet hat, sieht es als ein großes Privileg an, Frauen und Familien in dieser ganz besonderen Phase ihres Lebens zur Seite zu stehen. Doch damit könnte es bald vorbei sein. Zwar sind bereits die seit Jahren steigenden Beiträge für die Berufshaftpflichtversicherung ein großes Problem. Aber das dicke Ende kommt erst noch: Es besteht die Gefahr, dass die Hebammen bald gar keine Versicherung mehr finden. „Das käme praktisch einem Berufsverbot für Hebammen gleich“, sagt Petra Chluppka, die 330 in dem Verband registrierte Frauen vertritt. „Das würde besonders im ländlichen Bereich große Versorgungslücken reißen und das Recht der Frauen. Zudem wäre das Recht auf freie Wahl des Geburtsortes null und nichtig“, betont sie.

„Der Versicherungsmarkt für Hebammen bricht zusammen“ – mit dieser Meldung hatten der Deutsche Hebammenverband (DHV) und der Bund freiberuflicher Hebammen Deutschlands (BfHD) zuvor ihre Mitglieder schockiert. Die Nürnberger Versicherung hatte angekündigt, sich zum 1. Juli 2015 aus dem Geschäft mit der Berufshaftpflichtversicherung für Hebammen zurückzuziehen. Damit verschwinden die letzten verbliebenen Versicherungsmöglichkeiten für Hebammen vom Markt: Die DHV-Mitglieder hat die Nürnberger bisher zusammen mit der R+V-Versicherung und der Versicherungskammer Bayern versichert, bei den BfHD-Frauen war die Nürnberger allein tätig.

Versicherer müssen in Einzelfällen bis zu zehn Millionen Euro zahlen

Nach Angaben von Bernd Hendges vom Versicherungsmakler Securon, der sich um die DHV-Hebammen kümmert, ist bisher nicht abzusehen, ob die Lücke je wieder geschlossen werden kann. Das Interesse der Assekuranzen an der Absicherung von Hebammen ist gering: Als es 2013 um die Neuausschreibung des DHV-Vertrags ging, wurden 151 Versicherungen in ganz Europa angeschrieben. 147 hatten kein Interesse. Übrig blieben nur die bisherigen Versicherer und die Allianz, die aber nur teure Einzelpolicen anbieten wollte.

Warum verzichten Unternehmen freiwillig auf ein Geschäft? In einer Erklärung des Gesamtverbandes der Versicherungswirtschaft (GDV) heißt es: „Die Kosten für Geburtsschäden infolge von Behandlungsfehlern sind in den vergangenen Jahren massiv gestiegen.“ Daher sei es für die Versicherer immer schwieriger, eine Haftpflichtversicherung zu bezahlbaren Preisen anzubieten. Zwar gibt es laut GDV nicht mehr Geburtsschäden als früher. Doch die Schäden, die reguliert werden, würden immer teurer: Allein zwischen 2003 und 2012 seien die Kosten um 80 Prozent geklettert. Unterläuft bei einer Geburt ein Fehler und das Kind ist schwer geschädigt, so zahlen die Versicherer im Durchschnitt heute 2,6 Millionen Euro. In Einzelfällen sogar bis zu zehn Millionen Euro.

Heute wird viel öfter bei Geburtsschäden geklagt

Der Grund dafür: Schwerstgeschädigte haben heute dank der modernen Medizin eine wachsende Lebenserwartung. Damit steigen die Ausgaben für Pflege- und Therapiekosten, die bis zu 20.000 Euro im Monat betragen können. Auch die von den Gerichten zugestandenen Schmerzensgelder sind heute höher. „1999 waren etwa 200.000 Mark, also 100.000 Euro, üblich, inzwischen sind wir bei 250.000 Euro angekommen“, sagt Versicherungsmakler Hendges.

Hinzu kommt, dass heute viel öfter geklagt wird. Nicht nur die Eltern fordern ihre Rechte, sondern immer stärker auch die Sozialversicherungen. So nehmen die Krankenkassen die Hebammen in Regress für die medizinische Behandlung der Geburtsschäden. Laut GDV entfallen inzwischen 25?Prozent der Schadenssummen auf diese Regresse. Der Anstieg der Kosten allein wäre jedoch noch kein Grund, sich komplett aus dem Markt zurückzuziehen, schließlich kann der Versicherer die Policen – wie in der Vergangenheit geschehen – immer teurer machen. Doch für Versicherungsmakler Hendges ist klar: „Die Schäden in der Geburtshilfe sind für die Versicherer gar nicht mehr kalkulierbar.“ Schließlich müssten die Versicherungen im Zweifel über Jahrzehnte zahlen – mit ungewissen Kostensteigerungen.

Die Verbände der Hebammen fordern eine politische Lösung. Ein Treffen mit Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) gibt nach Aussage der Präsidentin des Deutschen Hebammenverbandes, Martina Klenk, Anlass zur Hoffnung.

Petra Chluppka fordert eine rasche und nachhaltige Lösung. Die Stimmung unter den Kollegen sei nicht gut. Einige würden sich bereits umorientieren. Und sie habe schon werdende Mütter gehört, die auf dem Standpunkt stehen: Wenn es keine Hebammen mehr gibt, dann muss ich mein Kind eben alleine auf die Welt bringen. „Das“, so sagt sie, „könnte dramatische Folgen haben.“