Großer Wurf aus Halle Großer Wurf aus Halle: Fraunhofer-Institut findet Ersatz für Seltene Erden

Halle (Saale) - Wenn Ralf Wehrspohn heute auf das Thema Seltene Erden zu sprechen kommt, dann lächelt er, und der Stolz steht ihm ins Gesicht geschrieben. „Ja, da ist uns ein großer Wurf gelungen“, sagt der Leiter des Fraunhofer-Instituts für Mikrostruktur von Werkstoffen und Systemen (IMWS) in Halle.
Zusammen mit Experten von sieben weiteren Fraunhofer-Instituten ist es Ralf Wehrspohn und seinen Kollegen in Halle in einem fünfjährigen Forschungsprojekt gelungen, den Bedarf an Seltenen Erden für die Produktion von Elektromotoren auf ein Fünftel zu senken. Dabei ging es zum einen darum, die Seltenen Erden effizienter einzusetzen. Und zum anderen suchten die Forscher Materialien, die anstelle der Metalle verwendet werden können.
Was zunächst wie ein Nischenthema klingt, ist von großer Bedeutung und erfährt schon jetzt viel Aufmerksamkeit. „Die deutschen Autokonzerne sind bereits sehr interessiert an unseren Ergebnissen“, berichtet Wehrspohn und ist darüber wenig überrascht. „In einem Auto sind heute Dutzende solcher Motoren enthalten, die Fensterheber, Scheibenwischer oder auch Ölpumpe bewegen“, erklärt der Instituts-Leiter. Viele dieser Motoren funktionieren mit Permanentmagneten, in denen Seltene Erden stecken.
Forscher suchten Materialien, als Ersatz für Seltene Erden
„Durch immer neue Assistenzsysteme und nicht zuletzt durch den Trend zur Elektromobilität wird ihre Zahl künftig deutlich steigen. All das zeigt, wie wichtig ein effizienter Umgang mit diesen wertvollen Rohstoffen ist.“ Dabei werden die Seltenen Erden nicht nur in der Autoindustrie benötigt. Sie sind auch für die Produktion von Kopfhörern und Handys, aber auch beim Bau von Windrädern unerlässlich.
Vor fünf Jahren trieb das Thema Instituts-Leiter Wehrspohn, aber vor allem auch manch einem Konzernlenker noch Sorgenfalten ins Gesicht. Was war passiert? China, das Land mit 90 Prozent der weltweiten Vorkommen der Metalle, verhängte einen Exportstopp. In der Folgezeit schnellten die Preise in die Höhe. Und die Industrie in Deutschland spürte damals sehr schmerzhaft, wie verwundbar und wie abhängig sie von diesen Rohstoffen war. Diese bittere Erfahrung gab den Anstoß für das Forschungsprojekt.
Und so suchten die Fraunhofer-Forscher vor allem Materialien, die ebenfalls als Magnete dienen können, aber keine Seltenen Erden enthalten. Dazu testeten sie zahlreiche Materialkombinationen und stießen auf neue Legierungen, die statt Seltenen Erden Cer enthalten, ein Metall, das bisher auch in Poliermitteln für Linsen enthalten ist. „Damit haben wir einen Ersatzwerkstoff gefunden, der sogar zehn Mal günstiger ist“, sagt Wehrspohn.
Fraunhofer wollte Einsatz Seltener Erden effizienter gestalten
Dabei waren die deutschen Wissenschaftler nicht die einzigen, die einen Weg aus der Abhängigkeit von chinesischen Exporten gesucht haben. Auch in Japan wurde geforscht. Dort stießen laut Wehrspohn Experten des Autobauers Toyota ebenfalls auf den neuen Werkstoff. „Es war ein Wettlauf mit den Japanern“, erklärt Wehrspohn, „und ich würde sagen, das Rennen ist letztlich Unentschieden ausgegangen“.
Fraunhofer suchte aber nicht nur nach einem neuen Werkstoff, auch der Einsatz Seltener Erden sollte effizienter werden. „Unser Ziel war es, den Bedarf an den Elektromotoren zu halbieren. Das haben wir deutlich übertroffen, in dem wir verschiedene Ansätze kombiniert haben“, erklärt Wehrspohn, der auch Sprecher des Gesamtprojektes ist. So entwickelten die Forscher Konzepte, in denen bereits beim Design der Motoren an die Wiederverwendung und das Recycling Seltener Erden gedacht wird.
Die Experten fanden ein Verfahren, um Permanentmagnete aus Elektroschrott, Windrädern und Autos wiederverwerten zu können. Diese zerfallen durch Behandlung mit Wasserstoff in kleine Partikel und werden erneut gegossen. Die recycelten Magnete erreichen dabei 96 Prozent der Leistungsfähigkeit neuer Magnete. Aber auch die Motoren wurden optimiert: Denn wenn sie nicht so heiß werden, können Magnete mit geringerer Temperaturstabilität und damit mit geringerem Anteil Seltener Erden eingesetzt werden.
Wie es weitergeht? „Wir warten auf die konkreten Reaktionen der Autoindustrie und könnten dann mit dem Bau von Prototypen starten“ sagt Wehrspohn. „In jedem Fall haben wir schon jetzt eine neue Technologie-Option.“ (mz)