Griechenland-Krise Griechenland-Krise: "Ein schlechter Deal ist besser als gar kein Deal"

Berlin - Die griechische Regierung hat die Bevölkerung zur Abstimmung über die Sparforderungen der Gläubiger aus EU und Internationalem Währungsfonds (IWF) aufgerufen. Zuvor hatte sie eigene Vorschläge vorgelegt – doch die reichten den Gläubigern nicht. So oder so – beide Sparprogramme werden die Probleme der griechischen Wirtschaft eher verstärken. Denn die verschärften Ausgabekürzungen und Steuererhöhungen lassen die Produktion voraussichtlich weiter schrumpfen. „Die fiskalischen Ziele sind nicht erreichbar, die Wirtschaft wird weiter schrumpfen, die Unsicherheit bleibt“, kommentierte der britische Ökonom Richard Portes. Wie sehen die Vorschläge aus?
Primärüberschuss: Auch geringere Ziele brauchen massive Einschnitte
Dies ist die wichtigste Zahl. Der Primärüberschuss ist der Haushaltsüberschuss vor Zinszahlungen – also letztlich der Teil der Staatseinnahmen, den Athen jährlich zur Schuldenbedienung aufwenden muss. Ursprünglich hatten die Gläubiger Griechenlands einen Überschuss von 3,5 Prozent der Wirtschaftsleistung 2015 und von 4,0 Prozent nächstes Jahr verlangt. Das ist nicht zu erreichen. Daher wurden die Zielgrößen auf 1,0 Prozent dieses und 2,0 Prozent nächstes Jahr verringert, 2018 sollen es 3,5 Prozent sein. Darauf hat sich Athen nun eingelassen. Problem: Um diese Überschüsse im Staatshaushalt zu erreichen, sind weitere massive Einschnitte nötig. Das drückt die Nachfrage im Land und belastet die Wirtschaftsleistung.
Einsparungen: Fast acht Milliarden Euro zusätzlich
Insgesamt bietet Athen an, dieses und nächstes Jahr 7,9 Milliarden Euro zusätzlich zu sparen: 2,7 Milliarden Euro 2015 (das entspricht 1,5 Prozent der Wirtschaftsleistung) und 5,2 Milliarden 2016 (2,9 Prozent der Wirtschaftsleistung). Von dem gesamten Einspar-Betrag kommen 7,3 Milliarden aus der Erhöhung von Steuern und Abgaben.
Mehrwertsteuer: 23 Prozent als Standard
Hier will Athen 2015 und 2016 über zwei Milliarden Euro mehr einnehmen. Der Steuersatz von 23 Prozent wird zum Standard. Der ermäßigte Satz von 13 Prozent gilt nur noch für Energie, Grundnahrungsmittel, Restaurants und Hotels. Für Medizin und Bücher werden sechs Prozent fällig. Die Gläubiger dagegen wollen mehr Produkte von der ermäßigten Mehrwertsteuer ausnehmen. Zudem wollen sie die 30-prozentige Mehrwertsteuer-Ermäßigung auf den griechischen Inseln abschaffen, die eingeführt worden war, um die höheren Produktions- und Transportkosten der Unternehmen auf den verstreuten Inseln zu kompensieren. Auf diese Weise sollen die Mehrwertsteuereinnahmen Athens um weitere 400 Millionen Euro steigen. Problem: Die Maßnahmen machen Produkte teurer, im Umkehrschluss die Konsumenten ärmer. In den letzten fünf Jahren sind die Einkommen der Griechen bereits um 30 Prozent gesunken. Die Erhöhung der Mehrwertsteuer für Hotels und Restaurants von 6,5 auf 23 Prozent, die die Gläubiger fordern, würde die wichtige Tourismusbranche treffen.
Renten: Keine weiteren Kürzungen, aber höheres Rentenalter
Der zweite große Teil der Einsparungen kommt aus der Rentenreform. Athen schafft laut Plan die Frühverrentungen zügig ab. Das Renteneintrittsalter wird bis 2022 (ursprünglich: 2036) auf 67 angehoben, hier soll es allerdings Ausnahmen für Mütter mit behinderten Kindern oder Beschäftigte in "harten" Berufen geben. Die Abgaben an die Renten- und Krankenversicherung werden deutlich erhöht – sie liegen im EU-Vergleich allerdings schon sehr hoch. Kürzungen bei den ausgezahlten Renten soll es nicht geben. Ab Januar plant Athen allerdings weitere Maßnahmen, um das Rentensystem "nachhaltig" zu machen. Die Gläubiger sind dagegen, die Sozialbeiträge der Unternehmen zu erhöhen, nur die Arbeitnehmer und Rentner sollen höhere Beiträge zahlen. Zudem fordern sie weiter Rentenkürzungen und eine schrittweise Abschaffung der Zusatzrenten für arme Rentner bis 2019. Problem: Höhere Sozialabgaben steigern die Lohnkosten für die Unternehmen und machen abhängig Beschäftigte und Rentner ärmer. Sinkende Renten drücken die Nachfrage und verschärfen die soziale Lage: Die Renten sind in den vergangenen Jahren bereits um durchschnittlich 40 Prozent gesenkt worden. Auf Grund der hohen Arbeitslosigkeit gibt mehr als die Hälfte der griechischen Haushalte an, die Rente sei ihre wichtigste Einkommensquelle. Denn fast 90 Prozent der Arbeitslosen erhalten keine staatliche Unterstützung.
Unternehmenssteuern: Sondersteuer für gut verdienende Firmen
Athen plant für 2015 eine einmalige Sondersteuer von zwölf Prozent für Unternehmensgewinne über 500.000 Euro. Zusätzlich soll die Unternehmensteuer von 26 auf 28 Prozent steigen. Weitere rund 500 Millionen Euro will Athen über eine Solidaritätsabgabe einnehmen, die Haushalte mit einem Jahreseinkommen von 30.000 Euro zahlen müssen. Auch die Schifffahrt soll höher besteuert werden. Problem: Höhere Steuern belasten die Unternehmen und machen Investitionen in Griechenland unattraktiver. Die Gläubiger lehnen die Sondersteuer für Unternehmen komplett ab.
Weitere Maßnahmen: Militär wird eingeschrumpft, Luxussteuern eingeführt
Athen will die Militärausgaben um 200 Millionen Euro kürzen, die Gläubiger fordern 400 Millionen. Zwischen 2009 und 2014 hatte sich der Militäretat fast halbiert. Die Regierung will die Steuer auf Luxusgüter wie Jachten auf 13 Prozent erhöhen, will Mobilfunklizenzen versteigern und Video- und Computerspielumsätze stärker besteuern. Die in der Bevölkerung unbeliebte Grundstücksteuer bleibt vorerst erhalten.
Schuldenschnitt: Der größte Streitpunkt
Ministerpräsident Alexis Tspiras fordert weiter einen Schuldenschnitt. Auch der IWF sieht die griechischen Schulden als nicht nachhaltig an und spricht sich für einen Schuldenschnitt aus, an dem er jedoch nicht teilnehmen würde, sondern nur die EU. Insbesondere die Bundesregierung ist gegen einen Schuldenschnitt.
Wirkung: Griechische Wirtschaft schrumpft weiter
Die griechische Wirtschaft ist durch Krise und Sparmaßnahmen in den letzten Jahren um ein Viertel geschrumpft, die Investitionen sind um 70 Prozent gesunken. Auf Grund der Unsicherheit der vergangenen Monate – bleibt Griechenland in der Euro-Zone? – schrumpft die Wirtschaftsleistung weiter, die Arbeitslosenquote liegt bei über 26 Prozent. Neue Einsparungen werden die Ökonomie und die Haushalte weiter belasten. Dies wiederum verschärft das Schuldenproblem – Griechenland braucht immer neue Kredite von EU und IWF, um seine Schulden bei EU und IWF zu bedienen.
Fazit: „Ein schlechter Deal ist besser als gar kein Deal“
Für das Programm spricht eigentlich nur: „Ein schlechter Deal ist besser als gar kein Deal“, so Holger Schmieding von der Berenberg Bank. Denn ohne weitere Einsparungen geben die Gläubiger keine weiteren Kredite an Athen. Damit würde ein Zahlungsausfall Griechenlands und eventuell auch sein Ausstieg aus der Euro-Zone näher rücken.