Versicherte Gesundheitskarte: Elektronische Krankenkassenkarte wird wohl 2017 scharf geschaltet
Berlin - Wenn es in den vergangenen Jahren Meldungen über die elektronische Gesundheitskarte gab, dann handelten diese stets nur von Zeitplänen, die wieder einmal nicht eingehalten wurden. Nach 15 Jahren Entwicklungszeit und Kosten von einer Milliarde Euro haben die 70 Millionen Versicherten inzwischen zwar eine neue Karte bekommen. Doch diese unterscheidet sich von ihrer Vorgängerin im Wesentlichen durch das aufgedruckte Passbild. Im Sommer diesen Jahres sollte endlich die erste praktische Online-Anwendungen starten, aber wieder einmal gab es Verzögerungen. Nun scheint es jedoch endlich loszugehen: Nach Informationen dieser Zeitung sind die notwendigen Geräte einsatzbereit, so dass spätestens Mitte 2017 die Karte bundesweit online sein könnte.
Daten-Abgleiche im Netz
Die erste Online-Anwendung der Karte ist technisch nicht einmal besonders anspruchsvoll, dennoch hatte die Industrie Probleme, das System in den Griff zu bekommen. Es geht zunächst nur darum, dass die auf der Karte gespeicherten Versichertendaten, also unter anderem Name und Anschrift, übers Internet mit den Daten bei den Krankenkassen abgeglichen und gegebenenfalls geändert werden können. Diese Funktion dient nicht nur der Bequemlichkeit, schließlich muss künftig nicht bei jeder Adressänderung eine neue Karte ausgestellt werden. Sie verhindert auch den Betrug. Denn durch den Online-Abgleich können verlorene oder gestohlene Karten sofort gesperrt werden. Das geht bisher nicht, da die Lesegeräte bei den Ärzten noch nicht online sind.
Für die Online-Funktion benötigt man sogenannte Konnektoren, die die Daten von den Kartenlesegeräten verschlüsselt übertragen. Doch die Auftragnehmer in der Industrie, die Telekom-Tochter T-Systems und das Konsortium um das Softwareunternehmen Compugroup Medical, schafften es lange nicht, die passenden Geräte zu liefern. Die Schuldfrage ist umstritten. Während die Krankenkassen der Industrie Unfähigkeit vorwarfen, war in der IT-Branche die Rede von immer neuen Anforderungen unter anderem des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI). Die beteiligten Unternehmen sind vertraglich zur Verschwiegenheit verpflichtet, weshalb sie sich öffentlich dazu gar nicht äußern.
Vor einem Jahr berichtete diese Zeitung unter Berufung auf Unterlagen einer Besprechung hochrangiger Vertreter aus Industrie und Gesundheitswesen mit Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU), dass der ursprünglich geplante Termin Juli 2016 für den Startschuss der Online-Anbindung nicht eingehalten werden kann. Das wurde zunächst vom Ministerium dementiert. Später räumte man eine weitere Verzögerung bis ins kommende Jahr kleinlaut ein.
Die E-Karte soll irgendwann Leben retten können
Nun sind dem Vernehmen nach die Probleme beseitigt. Bei beiden Konsortien funktionieren die Konnektoren und auch das BSI ist zufrieden. Noch in diesem Jahr kann damit begonnen werden, die ersten Geräte in der Testregion Nordwest – sie umfasst Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz – unter realen Bedingungen zu erproben. Den Härtetest müssen die Geräte beim Übergang vom ersten auf das zweite Quartal 2017 bestehen. Dieser Zeitraum ist wichtig, da die Ärzte stets im Drei-Monats-Rhythmus abrechnen und dann besonders viele Daten anfallen. In der von T-Systems betreuten Testregion Südost (Bayern und Sachsen) wird etwas später der Wechsel vom zweiten auf das dritte Quartal geprobt. Im Sommer 2017 – und damit etwa ein Jahr später als zuletzt geplant – soll die Online-Anbindung dann flächendeckend zur Verfügung stehen.
Dass nun doch noch in diesem Jahr zumindest gestartet werden kann, ist insbesondere für den Spitzenverband der Krankenkassen und die Kassenärztliche Bundesvereinigung eine gute Nachricht. Sie sind Gesellschafter des Gemeinschaftsunternehmens gematik, das die Karte einführen soll. Eigentlich sah das von der großen Koalition beschlossene „E-Health“-Gesetz Strafen für die Gesellschafter in Form empfindlicher Etatkürzungen vor, sollte der Termin Sommer 2016 nicht erreicht werden. Später sprach das Ministerium großzügig von einer Schonfrist bis Ende diesen Jahres. Geht jetzt tatsächlich alles glatt, dann müssen die Organisationen nicht mehr mit den Strafen rechnen.
Die Gesundheitskarte gilt als eines der umfangreichsten IT-Projekte in Europa. Über sie sollen künftig die 70 Millionen gesetzlich Versicherten, rund 200.000 Ärzte, 21.000 Apotheker und mehr als 2000 Krankenhäuser vernetzt werden. Geplant ist, die Karte schrittweise mit mehr Funktionen auszustatten, die dann auch einen echten Mehrwert für die Patienten bieten. So sollen ab 2018 Notfalldaten auf der Karte gespeichert werden, also Informationen über Blutgruppe oder Allergien. Vorgesehen sind auch ein elektronischer Arztbrief und eine Aufstellung der eingenommenen Medikamente. Mehrere Todesfälle durch Wechselwirkungen mit einem Cholesterinsenker waren 2001 der Auslöser, die Planungen für eine E-Card zu beginnen.