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Generalinspektion in Leuna Generalinspektion in Leuna: Total-Raffinerie steht sechs Wochen still

Von Dirk Skrzypczak 01.02.2014, 19:21
Die Total-Raffinerie in Spergau ist eine komplexe Anlage. Im Vordergrund ein Zeugnis der Industriegeschichte
Die Total-Raffinerie in Spergau ist eine komplexe Anlage. Im Vordergrund ein Zeugnis der Industriegeschichte  Wölk Lizenz

Spergau/MZ - Es ist ein schöner Frühlingstag, dieser 25. Mai 1994. Mit dem symbolischen Spatenstich starten der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) und Philippe Jaffré, seinerzeit Chef des französischen Mineralölkonzerns Elf, das Investitionsprojekt „Leuna 2000“. Für 2,6 Milliarden Euro wird in Nachbarschaft des Chemieparks Europas modernste Erdölraffinerie gebaut (das ist sie auch noch heute) - ein wirtschaftlicher Segen für die Region und das Bundesland Sachsen-Anhalt. 20 Jahre später rückt die Raffinerie - seit 2000 im Besitz der Total - wieder in den Blickpunkt des öffentlichen Interesses. Für rund sechs Wochen werden alle Anlagen in diesem Jahr abgeschaltet. Die Generalinspektion wird zu einem der größten Stillstände in der europäischen Industrie - und erfordert eine logistische Meisterleistung.

Sechs-Jahres-Rhythmus

„Die Raffinerie ist eine Dame in den besten Jahren, die wir in regelmäßigen Abständen auf Herz und Nieren überprüfen müssen“, sagt Geschäftsführer Reinhard Kroll. Das mache man zwar auch täglich während des laufenden Betriebs. Im Sechs-Jahres-Rhythmus stehen dennoch diese großen Generalinspektionen an, bei denen fast die gesamte Raffinerie auseinandergebaut wird. 2008 waren damit in Spitzenzeiten 3.500 Arbeiter für 57 Tage beschäftigt. Dieses Mal rücken rund 3.000 Ingenieure, Monteure, Inspektoren, Techniker, Gerüstbauer und Schlosser an. Sie sind rund um die Uhr im Einsatz. Die Arbeiter und Spezialisten kommen aus ganz Europa nach Leuna. 300 Verträge mit externen Firmen hat die Raffinerie abgeschlossen.

Hunderte Experten haben sich über zwei Jahre mit der Vorbereitung beschäftigt. Allein das Herunter- und Hochfahren der Anlagen dauert mehrere Tage. „Man kann so eine Raffinerie nicht einfach abschalten und dann erst schauen, welche Bauteile ersetzt werden müssen. Ohne ein detailliertes Konzept geht das nicht“, sagt Kroll. Schließlich müssten alle erforderlichen Arbeiten miteinander koordiniert werden. „Sonst steht der Monteur zur falschen Zeit am falschen Ort.“ Aufgrund dieser engmaschigen Verästelungen trägt die Generalinspektion übrigens den Projekttitel „Matrix“.

Viele der Anlagen werden in alle Einzelteile zerlegt. 500 Wärmetauscher müssen ebenso überprüft werden wie 1.200 Motoren. 30.000 Ersatzteile vom kleinen Ventil bis zu tonnenschweren Bauteilen werden benötigt - und lagern teilweise schon in großen Hallen am Standort. 85 Kräne, davon einer mit einer Traglast von 1.300 Tonnen, werden nahezu zeitgleich im Einsatz sein. Mehr als zehn Kilometer Stahlschläuche lässt die Raffinerie verlegen, um Reststoffe aus Behältern abzupumpen, bevor die Anlagen gewartet werden können.

Von diesem Mammutvorhaben profitieren nicht nur Firmen aus dem Umland, die als Auftragnehmer eingebunden sind. 3.000 Arbeiter müssen untergebracht werden. „Alle Hotels und Pensionen im Umkreis dürften während der Generalinspektion ausgebucht sein“, sagt Geschäftsführer Kroll. So ein Stillstand sei für die Region ein erheblicher Wirtschaftsfaktor. Von dem arbeitsintensiven Stillstand in der Raffinerie sollen Autofahrer an Tankstellen möglichst nichts spüren. Die gewaltigen Tanks mit einem Volumen von insgesamt rund einer Million Kubikmeter werden unter anderem mit Benzin und Diesel randvoll gefüllt sein. 1.300 Tankstellen in Mitteldeutschland werden von Leuna aus beliefert. Das soll sich auch während der Generalinspektion nicht ändern. Mit den Partnern aus der Chemie, die von der Raffinerie etwa das Propylen für eigene Produktionsprozesse erhalten, hat die Total Vereinbarungen getroffen. „Der Verbund am Standort ist für uns wichtig“, sagt Kroll. Einige Unternehmen nutzen daher den Stillstand selbst für planmäßige Wartungsarbeiten.

Was die Generalinspektion der Raffinerie kostet, bleibt Betriebsgeheimnis. Offen spricht Kroll dafür über Investitionen, die in den Stillstand eingebettet werden. 65 Millionen Euro sollen in verschiedene Projekte fließen, „die aus unserer Sicht notwendig sind, um die Raffinerie auch für die nächsten Jahre fit zu machen“.

Mehr chemische Grundstoffe

Allein 35 Millionen Euro wird der Umbau des Crackers kosten. Die Anlage soll so optimiert werden, dass aus dem Vakuum-Gasöl, das aus der Destillation in den Cracker kommt, mehr Ausgangsprodukte für die chemische Industrie gewonnen werden können. „Wir reagieren damit auf die sich verändernde Nachfrage nach Benzin und Diesel“, erklärt Kroll. 2013 hatte die Raffinerie über zehn Millionen Tonnen Rohöl verarbeitet - unter anderem zu 3,5 Millionen Tonnen Diesel, 2,5 Millionen Tonnen Benzin und 1,5 Millionen Tonnen Heizöl. Der Umsatz lag bei über circa acht Milliarden Euro.

Auf dem Raffinerie-Gelände wird bereits die Infrastruktur für die Generalinspektion aufgebaut - auch das dauert seine Zeit.