Fragen und Antworten zu Grexit Fragen und Antworten zu Grexit: Raus aus dem Euro - was bringt das Griechenland?

Berlin - Griechenland versus EU – das klingt mittlerweile wie eine unendliche Geschichte. Doch das Ende naht. Athen kann sich mit seinen Gläubigern aus EU, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF) bislang nicht auf ein Reformprogramm für das Land einigen. Athen erhält vorerst keine weiteren Kredite. Seit August 2014 kommt Griechenland ohne ausländische Unterstützung aus. Gleichzeitig bedient es seine Milliarden-Schulden pünktlich. Das geht nicht mehr lange gut. Vielleicht schon im Mai, wahrscheinlich im Juni, sicher aber im Juli geht Athen das Geld aus. Dann droht der Zahlungsausfall – und damit vielleicht der Austritt aus der Euro-Zone. Die Idee eines „Grexit“ findet immer mehr Anhänger in Deutschland, aber auch in Griechenland. Was würde das dem krisengeschüttelten Land ökonomisch bringen – und was nicht?
Für einen Grexit spricht:
Alternativlos: Einige linke Ökonomen in Griechenland sehen keine Alternative zu einem Austritt aus der Währungsunion. Denn im Euro zu bleiben würde bedeuten, sich den harten Spar- und Reformauflagen der Troika aus EU, EZB und IWF weiter beugen zu müssen. Und diese Auflagen halten viele für zerstörerisch. Der US-Ökonom Paul Krugman schätzt, dass sie Griechenland weitere acht Prozent seiner Wirtschaftsleistung kosten und die Arbeitslosigkeit auf 30 Prozent erhöhen könnten. Von daher, meinen viele Griechen, sei ein Grexit zwar ein Risiko, aber besser als der Verbleib im Euro. „Es führt kein Weg an der Erkenntnis vorbei, dass innerhalb des institutionellen Rahmens der Einheitswährung radikale Veränderungen ausgeschlossen sind“, so der Ökonom Costas Lapavitsas. In Griechenland sprechen daher einige nicht vom „Grexit“, sondern vom „Grexodus“. Denn das Wort „Exodus“ stammt anders als des englische „Exit“ aus dem Griechischen. Zudem hat es einen positiveren Klang, da der Exodus die Rettung des Volkes Israel aus der ägyptischen Sklaverei benennt.
Autonomie: Führt Griechenland wieder eine eigene Währung – vielleicht die Drachme – ein, so wäre es in Sachen Fiskal- und Geldpolitik wieder unabhängig von Euro-Zone und EZB. Der griechische Staat könnte sich wieder autonom verschulden, die griechische Zentralbank könnte nach eigenem Ermessen Kredite vergeben und die Zinsen setzen. Damit wären höhere Haushaltsdefizite – die die Euro-Zone derzeit verbietet – wieder möglich, um die Wirtschaft anzukurbeln, Investitionen zu tätigen oder die soziale Krise zu bekämpfen. Athen stünde nicht mehr unter der Kontrolle der Troika und könnte selbst entscheiden, wofür es Geld ausgeben will.
Schuldenschnitt: Die Drachme würde im Gefolge ihrer Einführung voraussichtlich stark gegenüber dem Euro abwerten. Das bedeutet, dass die Schuldenlast Griechenlands – die ja in Euro besteht – drastisch steigen und unbezahlbar würde. Einige Grexit-Befürworter setzen darauf, dass die Gläubiger dann zu einem Schuldenschnitt gezwungen wären, den sie derzeit noch ablehnen.
Export: Die Abwertung der neuen Landeswährung würde in Griechenland produzierte Waren tendenziell billiger machen, was den Export des Landes fördert. Auch für Touristen würde das Land billiger, und es könnte wieder mit der Türkei konkurrieren, dessen Währung sich in den letzten Jahren stark entwertet hat. Gleichzeitig verteuern sich mit der Abwertung der Drachme aus dem Ausland eingeführte Waren. In Griechenland hergestellte Güter würden damit im Inland wettbewerbsfähiger gegenüber der Importware, was den lokalen Unternehmen nützt.
Was gegen einen Grexit spricht:
Export: Es stimmt: Wertet die Drachme ab, können griechische Exporteure billiger anbieten. Allerdings verfügt Griechenland nicht über einen großen Exportsektor. 2014 machten die Ausfuhren nur 33 (Warenexporte: 17) Prozent der Wirtschaftsleistung aus. Zum Vergleich: Deutschland kommt auf 46 (39) Prozent, Irland auf 112 (57) Prozent. Griechenland ist nicht Argentinien, das nach seiner Pleite 2001 massenhaft Agrargüter in das boomende China liefern konnte und so hohe Wachstumsraten erzielte.
Import: Stürzt die Drachme ab, verteuern sich Einfuhren drastisch. Nicht alle Importe können durch lokal hergestellte Güter ersetzt werden, so zum Beispiel Energie und Arzneimittel. Folge sind steigende Preise, also höhere Inflation. Dies macht die Griechen ärmer.
Staatshaushalt: Mit der Drachme gewinnt Athen seine finanzpolitische Souveränität zurück: Es kann sich wieder autonom verschulden und Drachme drucken. Die Gefahr ist jedoch, dass dadurch die Inflation weiter anzieht. Es droht eine Spirale aus Abwertung und Inflation.
Kredite: Wegen ihrer Schwäche wäre die Drachme zumindest zunächst keine anerkannte Währung. Ausländische Investoren würden ihr nicht vertrauen. Damit wäre Athen von den internationalen Kapitalmärkten abgeschnitten. Denn: In Drachme könnte es sich dort nicht verschulden. Und Kredite in Euro würden ihm nicht gegeben.
Schulden: Die griechische Regierung hat 300 Milliarden Schulden, die auf Euro lauten. Entwertet sich ihre neue Währung, so bedeutet das: Der Schuldenberg wächst ins Unendliche. Ob sich Athen dann mit seinen Gläubigern auf einen Schuldenschnitt einigen kann, ist unsicher. Wenn überhaupt, so erwartet die US-Bank Goldman Sachs, würde die EU als Gegenleistung dafür weitere Sparauflagen verlangen.
Banken: Was für die Regierung gilt, gilt auch für die griechischen Banken. Mit der Einführung einer Weichwährung wären sie von ausländischen Krediten abgeschnitten und könnten ihre Schulden nicht mehr bedienen, da ihnen die Euro fehlen. Folge wäre eine Insolvenz des Bankensystems, das durch die Regierung mit Milliarden rekapitalisiert werden müsste.
Unternehmen: Das gleiche bei den Unternehmen: Sie könnten sich international kein Geld leihen, mit der Pleite des heimischen Bankensektors wären sie gänzlich vom Kredit abgeschnitten. Zudem haben die Unternehmen ebenfalls hohe Schulden, die auf Euro lauten. Eine Umstellung dieser Schulden von Euro auf Drachme ist in den meisten Verträgen nicht vorgesehen. Folgen wären massenhafte Unternehmenspleiten, jahrelange Rechtsstreitigkeiten mit Gläubigern und Lieferanten, die Zahlung in fester Währung verlangen. An Waren aus dem Ausland kämen griechische Unternehmen wohl nur gegen Vorkasse. Das führt zu Engpässen bei Vorprodukten.
Fazit: Ein Austritt aus der Euro-Zone hätte kurzfristig unabsehbare Konsequenzen für die griechische Wirtschaft – selbst wenn man annimmt, dass es nicht zu Protesten und Aufständen im Land kommt. „Wenn wir den Euro aufgeben, werden wir nicht dorthin zurückgehen, wo wir gestanden hätten, wenn wir ihn nie gehabt hätten“, warnte Finanzminister Gianis Varoufakis. Welche Folgen ein Grexit langfristig hätte, hängt allerdings von der Politik der EU ab: Stellt sich Europa hinter die Drachme und Athen, gewährt weiter Kreditlinien und einen Schuldenschnitt und arbeitet an einer kontrollierten Abwertung der Drachme mit, so könnten der wirtschaftliche Einbruch in Griechenland abgefedert werden. Umgekehrt: Gewährt Europa Griechenland in den laufenden Verhandlungen weichere Konditionen, so würde ein Verbleib in der Euro-Zone attraktiver für das Land und die Kosten eines Grexit erhöhen. Die Folgen eines Grexit folgen also keiner ökonomischen Notwendigkeit, sondern hängen von politischen Entscheidungen ab.
Schuldenlast
Das muss Athen in den nächsten Wochen zahlen, in Mio. Euro, gerundet
2. Mai Zinsen an den IWF 200
12. Mai Rückzahlung an IWF 760
5. Juni Rückzahlung an IWF 300
12. Juni Rückzahlung an IWF 340
13. Juni Rückzahlung an IWF 460
16. Juni Rückzahlung an IWF 570
19. Juni Rückzahlung an IWF 340
13. Juli Rückzahlung an IWF 460
20. Juli Rückzahlung an EZB 3490
1. August Zinsen an IWF 170
20. August Rückzahlung an EZB 3190
Quelle: UBS, Bruegel