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Fragen & Antworten zur Konjunktur Fragen & Antworten zur Konjunktur: Warum Deutschland nur knapp einer Rezession entgangen ist

Von Thorsten Knuf 14.11.2014, 13:02
Deutschlands Verbraucher und vor allem die Exportwirtschaft haben das Land vor einem Abgleiten in die Rezession bewahrt.
Deutschlands Verbraucher und vor allem die Exportwirtschaft haben das Land vor einem Abgleiten in die Rezession bewahrt. dpa Lizenz

Berlin - Im dritten Quartal des laufenden Jahres wuchs die Wirtschaftsleistung in Deutschland nach Angaben des Statistischen Bundesamtes gerade einmal um 0,1 Prozent – nach einem Minus-Wachstum in den drei Monaten zuvor. Sind die fetten Jahre vorüber? Ein Überblick über den Stand der Dinge.

Wann spricht man überhaupt von einer Rezession?

Eine Volkswirtschaft, die zwei Quartale hintereinander nicht wächst oder sogar schrumpft, befindet sich nach landläufiger Definition in der Rezession,  also im Abschwung. Deutschland hat das jetzt gerade noch einmal vermeiden können: Von Juli bis September stieg der Wert der produzierten Waren und Dienstleistungen um 0,1 Prozent, wie das Statistische Bundesamt am Freitag auf Grundlage einer ersten Schätzung mitteilte. Im Zeitraum April bis Mai hatte das Wachstum bei minus 0,1 Prozent gelegen. Auch diese Zahl teilten die Wiesbadener Statistiker am Freitag mit. Sie korrigieren damit zugleich ihre bisherige Berechnung, wonach das Negativ-Wachstum im zweiten Quartal 0,2 Prozent betragen habe. Auf das gesamte Jahr berechnet, könnte das Wachstum 2014 bei 1,2 Prozent liegen. Diesen Wert hatte kürzlich der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung („Fünf Weisen“) genannt. Für 2015 rechnen sie sogar mit einem Wachstum von nur noch einem Prozent.

Warum konnte Deutschland jetzt den Abschwung noch so eben vermeiden?

Die deutschen Privathaushalte konsumieren weiter eifrig, was mit der guten Lage am Arbeitsmarkt, der niedrigen Inflation und geringen Sparzinsen zusammenhängt. Das hat auch im vergangenen Quartal die Konjunktur gestützt.  Der Export hilft der heimischen Wirtschaft ebenfalls. Die Nachfrage aus den USA und Großbritannien zieht an, während Ausfuhren in wichtige Schwellenländer wie Russland und Brasilien zurückgehen.

Vor einem Jahr war die Konjunktur in Deutschland noch sehr robust. Was macht ihr nun zu schaffen?

Die weltpolitischen Krisen, etwa in Russland oder im Nahen Osten, beunruhigen auch die heimischen Unternehmen. Im Fall von Russland hat die Politik wegen der Ukraine-Krise sogar umfangreiche Wirtschaftssanktionen verhängt. Gleichzeitig verliert die Konjunktur-Lokomotive China an Fahrt, die Krise im Süden Europas dauert an. All das erschwert Exporte. Und die Neigung deutscher Unternehmen, Geld in neue Maschinen, Anlagen oder Fahrzeuge zu stecken, sinkt spürbar. „Am meisten beunruhigt die Investitionsschwäche, denn heute unterlassene Investitionen schlagen sich morgen in verringerter Produktivität nieder“, sagt Nordea-Ökonom Holger Sandte.

Lesen Sie im nächsten Abschnitt: Wie die Regierung die Konjunktur beleben könnte und wie es im Ausland aussieht.

Kann die deutsche Regierung aktiv etwas gegen die schwache Konjunktur tun?

Grundsätzlich schon. Was genau sie tun sollte, ist aber hochgradig umstritten. Die Wirtschaftsweisen hatten die Bundesregierung Mitte der Woche direkt mitverantwortlich für den Abschwung gemacht. Schwarz-Rot habe durch Maßnahmen wie die Rente mit 63 oder den Mindestlohn viel Vertrauen bei den Unternehmen verspielt, kritisierten sie. Die Regierung weist das empört zurück. Umstritten ist unter Ökonomen und EU-Partnern, ob Deutschland angesichts der Wachstumsschwäche den Kurs der Haushaltskonsolidierung unbedingt fortsetzen und an der „schwarzen Null“ festhalten sollte.  Auch US-Finanzminister Jack Lew forderte Deutschland unlängst auf, durch eine Lockerung der Haushaltspolitik die Nachfrage zu beleben. Der deutsche Ressortchef Wolfgang Schäuble (CDU) will davon nichts wissen. Er hat gleichwohl zusätzliche Investitionen in Höhe von zehn Milliarden Euro in Aussicht gestellt – allerdings verteilt auf die Jahre 2016, 2017 und 2018.

Wie sieht es bei unseren Nachbarn aus?

Auch aus Frankreich, Deutschlands wichtigstem Handelspartner, gibt es neue Konjunkturdaten. Dort wächst die Wirtschaft wieder- insbesondere wegen steigender Staatsausgaben. Die Wachstumsrate lag bei 0,3 Prozent gegenüber dem Vorquartal. Zu Jahresbeginn hatte sie bei null Prozent gelegen, in den zweiten drei Monaten bei minus 0,1 Prozent. Die Krise hat Frankreich nach Einschätzung von Fachleuten aber noch lange nicht überwunden: Der Konsum bleibe schwach, die Investitionen gingen weiter zurück. Für die gesamte Eurozone meldete das EU-Statistikamt am Freitag ein Wachstum von 0,2 Prozent. Neben den französischen Daten machten sich hier das überdurchschnittliche Wachstum in Spanien (0,5 Prozent) bemerkbar. In Griechenland legte die Wirtschaft sogar um 0,7 Prozent zu.