Fragen & Antworten zum Dualen System Fragen & Antworten zum Dualen System: Schluss mit den Grüner-Punkt-Tricksereien

Berlin - Mit der Änderung der Verpackungsverordnung, die am Freitag im Bundesrat beschlossen worden ist, werden die Regeln für das Sammeln und Verwerten von Joghurtbechern, Getränkekartons oder Konservendosen massiv verändert. Das ist die Konsequenz aus Tricksereien und Manipulationen der Betreiber der Grüne-Punkt-Sammelsysteme. Steigende Preise für die Kunden könnten die Folge sein. Wir erläutern die Hintergründe.
Was ändert sich konkret für den Bürger?
Die Änderungen der Verpackungsverordnung beziehen sich auf das, was sich gewissermaßen hinter den Kulissen abspielt. Für die Bürger, die die sogenannten Leichtverpackungen in die gelbe Tonne und den gelben Sack werfen, ändert sich vordergründig nichts. Doch die Konsumenten werden die Auswirkungen der neuen Regeln indirekt zu spüren bekommen.
Worum geht es konkret bei den neuen Bestimmungen?
Der Grüne Punkt, gelbe Säcke und Tonnen wurden einst fürs Verwerten des Verpackungsabfalls der privaten Haushalte entwickelt. Die Finanzierung übernehmen von Händler und Hersteller. Diese beauftragen spezielle Entsorgungsfirmen, die Betreiber der dualen Systeme, mit der konkreten Umsetzung und bezahlen dafür in Form von Grüne-Punkt-Lizenzgebühren. Daneben wurden Branchenlösungen, also eigene Sammel- und Verwertungswege für das Gewerbe und für Großverbraucher aufgebaut – für Hotels, Krankenhäuser oder Freizeitparks beispielsweise. Es gibt eine weitere Schiene: Unternehmen können Verpackungen dort, wo sie an den Verbraucher verkauft werden, direkt zurücknehmen. Also im Drogerie- oder Supermarkt, aber auch beispielsweise im Schnellrestaurant. Das Verwerten des Abfalls aus dieser Eigenrücknahme und auch die Branchenlösungen übernehmen ebenfalls Duale-System-Betreiber. Beides wird aber separat abgerechnet. Grüne-Punkt-Lizenzgebühren müssen dafür nicht gezahlt werden. Dieses System soll nun massiv beschnitten werden.
Lesen Sie im nächsten Abschnitt: Wie es zu den Tricksereien der Grüne-Punkt-Betreiber überhaupt kommen konnte.
Was ist falsch an den drei Wegen der Verwertung?
Es besteht unter Experten kein Zweifel, dass die Aufgabenteilung im Prinzip funktioniert. Aber eben nur im Prinzip. Die bisherigen Bestimmungen haben viele Schlupflöcher gelassen. Zudem wurden die Ströme der Müllmengen von den Behörden nicht hinreichend kontrolliert. Die Folge war, dass die Betreiber der dualen Systeme - es sind insgesamt zehn Firmen – die Lücken im System benutzten um sich gegenseitig auszutricksen. Die Konsequenz ist nun, dass der Gesetzgeber die Eigenrücknahme verbietet und die Branchenlösungen stark einschränkt. Außerdem soll Kontrollierbarkeit der Mengenströme erhöht, Melde- und Dokumentationspflicht erweitert werden. Die Änderung der Verpackungsverordnung wird Anfang nächsten Jahres in Kraft treten.
Wie waren die Tricksereien überhaupt möglich?
Die zehn Betreiber teilen sich untereinander die Kosten auf. Das Prinzip: Je höher der Marktanteil bei der Haussammlung, umso höher der Beitrag, den der Entsorger in einen gemeinsamen Topf zur Finanzierung der Verwertung zahlen muss. In den vergangenen Monaten haben mehrere Firmen aber die Angaben über ihre Marktanteile teils massiv nach unten manipuliert. Damit haben sie ihre eigenen Kosten gedrückt. Unter anderem wurden riesige Mengen Verpackungsmüll auf dem Papier einfach zu Eigenrücknahme-Abfall umdeklariert. Das führte aber dazu, dass in dem Topf viel zu wenig Geld war. Das gesamte System stand kurz vor dem Kollaps, von drohenden Insolvenzen einzelner Betreiber war sogar schon die Rede. Inzwischen haben sich die Betreiber geeinigt. Wichtigster Punkt: Es gibt eine Art verschärfte Selbstkontrolle. Die Mengenmeldungen werden jetzt durch einen unabhängigen Wirtschaftsprüfer überwacht. Zudem wird darüber verhandelt, dass Handel und Industrie einen Kredit gewähren, um die Finanzlöcher zu stopfen.
Lesen Sie im nächsten Abschnitt: Was die neue Regelung für den Verbraucher bedeutet.
Was sind die Folgen der neuen konkreten Regeln für den Verbraucher?
Mit den neuen Regelungen könnten die Kosten des Gesamtsystems steigen, nach Expertenschätzungen um 200 bis 300 Millionen Euro. Der Grund: Lizenzgebühren fallen künftig überall an, auch für Hotels oder in Fast-Food-Restaurants oder für Drogeriemärkte, die am Ausgang Verpackungen sammeln. Doch dieser Abfall kann aus logistischen Gründen nicht wie bei Haushalten üblich, nur alle zwei Wochen abgeholt werden. Also werden mutmaßlich Entsorger zusätzlich beauftragt, öfter den Abfall häufiger abzutransportieren. Auch ist nicht zu erwarten, dass die Sammelbehälter in den Geschäften verschwinden werden, da sie einen Service für die Kunden darstellen. Das alles bringt die Zusatzkosten, und diese gehen letztlich in die Preise für die Produkte ein. Allerdings ist die Entsorgung nur ein Faktor von vielen für den Preis. Deshalb lässt sich schwer sagen, um wie viel Cent sich bestimmte Produkte verteuern.
Gibt es einen Zusammenhang zwischen die Novelle der Verpackungsverordnung und der Einigung der Duale-System-Betreiber?
Unter den Betreibern der dualen Systeme herrscht ein extrem harter Wettbewerb. In der Branche kursiert die Vermutung, dass der Marktführer, die Firma DSD – Duales System Holding, ein starkes Interesse an der Verschärfung der Regeln hatte, weil sie sich dadurch eine Stärkung ihrer Marktposition verspricht. Deshalb ist auch immer wieder zu hören, dass dem Unternehmen der Ärger unter den Betreibern in den vergangenen Monaten in den Kram passte – schließlich ist daraus der Druck zur Veränderung der Verpackungsverordnung entstanden.