Fragen & Antworten zu Dobrindts Pkw-Maut Fragen & Antworten zu Dobrindts Pkw-Maut: Warum die Maut-Pläne an Fahrt verlieren

Berlin - Seit Wochen lässt Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) streuen, dass sein Konzept für eine Pkw-Maut für Ausländer stehe. Es sei nur noch eine Abstimmung mit dem Kanzleramt und dem Bundesfinanzministerium notwendig, dann könnten die Pläne noch vor der Sommerpause vorgestellt werden. Doch nun hat Kanzlerin Merkel ihren Minister zurückgepfiffen. Die Situation ist verworren. Ein Überblick.
Warum bremst die Regierungschefin?
Merkel treibt offenbar die Sorge um, dass die Gegner einer Maut die eher nachrichtenarme Sommerzeit dazu nutzen könnten, dass Konzept Dobrindts komplett zu zerpflücken. Diese Sorge ist sicherlich berechtigt. Schon Anfang der Woche reagierte Merkels Steffen Seibert erkennbar genervt auf Dobrindts Sprecher Sebastian Rudolph, der erneut die Vorlage eines Maut-Plans vor der Sommerpause angekündigte. Es gebe „erkennbar“ noch kein in der Regierung abgestimmtes Konzept, sagte Seibert. Nun berichtet das Handelsblatt, Merkel habe in der CDU-Präsidiumssitzung am vergangenen Montag gesagt: „Es kommt nicht darauf an, das Maut-Konzept vor der Sommerpause vorzustellen.“ Entscheidend sei, dass es die Bedingungen des Koalitionsvertrags erfülle und dem europäischen Rechte genüge.
Warum taucht die Maut überhaupt im Koalitionsvertrag auf?
Die Pkw-Maut auf Autobahnen für Ausländer ist eine Erfindung der CSU. Sie hat damit erfolgreich Wahlkampf für die Bundestagswahl 2013 gemacht. Tatsächlich sind viele Bayern genervt, weil sie in Österreich, Tschechien oder Italien eine Gebühr bezahlen müssen, während die Nachbarn die deutschen Autobahnen kostenfrei nutzen können. Die Unionsspitze und die SPD lehnten eine Maut dagegen ab. Es war SPD-Spitzenkandidat Peer Steinbrück, der Kanzlerin Merkel in einem TV-Duell dann ein Versprechen abrang: "Mit mir wird es keine Pkw-Maut geben." Die CSU setzte dennoch bei den Koalitionsverhandlungen durch, dass die Maut in den Arbeitsplan der Regierung aufgenommen wird. Kritiker der Gebühr befürchten, dass trotz gegenteiliger Beteuerungen früher oder später auch deutsche Autofahrer zur Kasse gebeten werden.
Was steht genau im Koalitionsvertrag?
Bei ihren Verhandlungen im vergangenen Herbst legten Union und SPD eigentlich nur fest, dass sie rasch eine Pkw-Maut für Ausländer einführen wollen und das Geld dem Autobahnbau zugute kommen soll. Gedacht ist an eine Vignetten-Lösung, deutsche Autofahrer sollen nicht draufzahlen, das EU-Recht beachtet werden. Die genaue Ausgestaltung blieb offen. Die Partner vermieden im Text auch das Wort „Ausländer“. Wörtlich heißt es nun: „Zur zusätzliche Finanzierung des Erhalts und des Ausbaus unseres Autobahnnetzes werden wir einen angemessenen Beitrag der Halter von nicht in Deutschland zugelassenen Pkw erheben (Vignette) mit der Maßgabe, dass kein Fahrzeughalter in Deutschland stärker belastet wird als heute. Die Ausgestaltung wird EU-rechtskonform erfolgen. Ein entsprechendes Gesetz soll im Verlauf des Jahres 2014 verabschiedet werden.“
Lesen Sie auf der nächsten Seite: Warum die EU-Kommission an den deutschen Maut-Plänen zweifelt.
Was sagt die EU-Kommission?
Der zuständige Verkehrskommissar Siim Kallas hat Minister Dobrindt gerade noch einmal nachdrücklich daran erinnert, dass eine Maut nur dann mit EU-Recht vereinbar ist, wenn alle Autofahrer gleich belastet werden. Die Nicht-Diskriminierung ist ein Grundprinzip der Europäischen Union und des Binnenmarkts. „Für Inländer und Ausländer, die die mautpflichtige Infrastruktur nutzen, müssen deshalb die gleichen transparenten und fairen Bedingungen gelten: gleicher Preis und gleiche Bezahlmethode“, schrieb Kallas vor einigen Tagen in einem Gastbeitrag für die FAZ. Er betonte: „Eine Pkw-Maut darf somit nicht einfach mit der Kfz-Steuer verrechnet werden. Es kann nicht sein, dass ein inländischer Autofahrer die Maut über die Steuer automatisch zurückerstattet bekommt.“ Hier liegt das Problem: Dobrindt kann die deutschen Autofahrer im Grunde nur über die Kfz-Steuer entlasten.
Hat Brüssel grundsätzlich etwas gegen die Einführung einer Straßenbenutzungs-Gebühren?
Nein, im Gegenteil: Die EU-Kommission empfiehlt sogar die Einführung von Maut-Systemen in denjenigen Ländern, in denen noch keine existieren. Damit soll die Verkehrsinfrastruktur finanziert werden. Europaweit gibt es einen gigantischen Investitionsstau. Brüssel bevorzugt eine entfernungsabhängige Maut, wie es sie beispielsweise in Frankreich gibt oder in Deutschland für den Lkw-Verkehr. Diese Systeme seien gerechter als zeitabhängige Vignetten-Regelungen, die dem Verursacherprinzip kaum Rechnung trügen, argumentiert Kallas. Eine Vignetten-Pflicht besteht unter anderem in Österreich und Tschechien.
Lesen Sie auf der nächsten Seite: Was eine Pkw-Maut überhaupt an Einnahmen bringen würde. Und ob sie jetzt überhaupt noch kommt.
Was könnte eine Pkw-Maut überhaupt an Einnahmen bringen?
Geht man von Kosten in Höhe von 100 Euro für eine Jahresvignette aus, dann liegen die möglichen Einnahmen bei rund drei Milliarden Euro. Etwa 2,7 Milliarden Euro davon kämen von den deutschen Autofahrern. Sie sollen aber gemäß den Vorgaben des Koalitionsvertrages an anderer Stelle entlastet werden. Unterm Strich zählen also nur die Einnahmen der Vignetten, die die ausländischen Autofahrer kaufen. Wie hoch diese Erlöse tatsächlich sein werden, ist aber umstritten. Ein Gutachten des Mautbetreibers Ages, auf das sich das Bundesverkehrsministerium gern beruft, kam auf ein Summe von bis zu 900 Millionen Euro. Der ADAC errechnete dagegen nur 262 Millionen Euro.
Wie kommt es zu diesen Unterschieden bei den möglichen Einnahmen?
Grund sind unterschiedliche Annahmen über das Verhalten der ausländischen Autofahrer. Damit - wie von der EU verlangt - Ausländer nicht benachteiligt werden, darf es nicht nur eine Jahresvignette geben. Deshalb plant Dobrindt auch Wochen- oder Monatsvignetten. Sie werden jedoch im Vergleich zur Jahreskarte teurer sein. Beispiel Österreich: Die Jahresvignette kostet 82,70 Euro. Zwei Monate schlagen mit 24,80 Euro zu Buche, zehn Tage mit 8,50 Euro. Geht man nun wie Ages davon aus, dass viele Ausländer nur die Wochen- oder Monatsvignetten kaufen, obwohl sie mehrfach nach Deutschland fahren, fallen die Einnahmen für den Staat höher aus. Kaufen die Nutzer gleich eine Jahresvignette, was der ADAC vermutet, dann sind die Einnahmen geringer.
Ist die Pkw-Maut in Deutschland jetzt beerdigt?
Nein, zunächst ist nur der Zeitplan hinfällig. Die CSU wird weiter auf der Maut beharren. Minister Dobrindt hatte bislang immer betont, dass die eigentliche Einführung erst 2016 vonstatten gehen soll. Bis dahin dürfte Schwarz-Rot eine Regelung hinbekommen – wie effizient die auch immer sein mag.

