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Folgen der Pandemie Folgen der Pandemie: Ansturm hat Supermärkte überrascht - Nachschub läuft

Von Frank-Thomas Wenzel 17.03.2020, 06:00
Lastwagen stehen vor der Zentrale einer Supermarktkette.
Lastwagen stehen vor der Zentrale einer Supermarktkette. dpa

Frankfurt (Main) - Toilettenpapier ist in Zeiten von Corona zu einem extrem gefragten Produkt geworden. In vielen Supermärkten ist das Produkt nur noch kurzzeitig vorrätig. „Die Lage ist im Moment sehr unübersichtlich“, sagte ein Sprecher des Logistikverbandes BGL. Sind die Lieferketten also gefährdet?

Beim Toilettenpapier wurden die Supermärkte von dem sprunghaften Anstieg der Nachfrage überrascht. Dabei spielt eine Rolle, dass das Hygienepapier normalerweise nicht zu den extrem „schnell drehenden“ Produkten gehört, also nicht in ganz kurzen Rhythmen gekauft wird wie etwa Milch oder Butter. Deshalb wird es auch normalerweise seltener von den Märkten geordert.

Die gesamte Lieferkette ist darauf abgestellt - von der Beschaffung des Rohstoffs Zellulose bis zum Einräumen in die Supermarktregale. Denn es gehe in der modernen Logistik darum, dass im Idealfall genau dann der Nachschub angeliefert wird, wenn die letzten Rollen verkauft würden, so der BGL-Sprecher. Dieser eng getaktete Mechanismus wurde durch Hamsterkäufe ausgehebelt.

„Vorübergehende Engpässe“

Der Handelsdachverband HDE berichtet von einem Ansturm auf Lebensmittel mit größerer Haltbarkeit, versichert aber zugleich, dass die Versorgung gewährleistet sei. Hauptgeschäftsführer Stefan Genth räumt allerdings auch ein, dass sich bei dem „einen oder anderen Produkt dennoch Engpässe vorübergehend nicht vermeiden lassen“. Wenn sich Haushalte über einen längeren Zeitraum als üblich bevorrateten, könne das die bestehenden Lieferstruktur schnell überfordern. Auch der Hygienepapier-Hersteller Essity (Tempo, Zewa) versucht, die Gemüter zu beruhigen. Die Maschinen liefen 24 Stunden.

Gleichwohl macht der BGL-Sprecher darauf aufmerksam, dass auf europäischer Ebene in den nächsten Tagen noch einiges abgeklärt werden müsse, damit der Warentransport in der EU - nicht nur bei Lebensmitteln - „dauerhaft und krisensicher“ weiterhin gewährleistet werde. Einerseits kursiert die Befürchtung, dass wegen zahlreicher Grenzsperrungen Lastwagen bei der Fahrt von einem ins andere Land durch Kontrollen gebremst werden können. Zu einem Problem könne andererseits werden, so der BGL-Sprecher, dass ein größerer Teil der Fahrer einen ausländischen Pass habe – etwa jeder fünfte. Reisen die Fahrer zum Beispiel zu ihrer Familie nach Polen, haben sie wegen der Quarantäne-Anordnungen dort womöglich keine Chance, rechtzeitig zurückzukehren, wenn sie hierzulande für den Warentransport gebraucht werden.

Größere Transportkapazitäten werden unter anderem auch benötigt, um frische Lebensmittel zur Kundschaft zu bringen. Täglich sind beispielsweise Hunderte von Lastwagen zwischen Süd-Spanien und den hiesigen Verteilzentren der Handelskonzerne unterwegs, um die Versorgung mit Obst und Gemüse zu gewährleisten. Nach Prognosen der Unternehmensberatung Boston Consulting Group wird sich die Nachfrage nach diesen Produkten und nach Fertiggerichten in den nächsten Tagen erhöhen. Der Grund: Es werde wegen der starken Einschränkungen für das soziale Leben mehr zu Hause gekocht.

Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) hat indes bereits eine Lockerung beim Sonntagsfahrverbot für Lkw vorgeschlagen. Die zuständigen Landesbehörden sollen schlicht und einfach am siebten Tag der Woche die Kontrollen der Brummis aussetzen. Der BGL begrüßt diesen Vorstoß. Doch aus Sicht der Speditionslobby ist das nur sinnvoll, wenn überdies die Bestimmungen für Lenk- und Ruhezeiten „vorübergehend flexibel gehandhabt werden“ – mit einem späteren Ausgleich der Mehrarbeit, so der BGL-Sprecher.

Darüber hinaus fordert der Verband einen Krisennotfallplan. Hauptpunkt: Es sollen unter der Ägide des Bundesamts für Güterverkehr bundesweit vier bis fünf Notfallzentren eingerichtet werden. Transportfirmen, Industrie und Handel melden dort Engpässe und freie Kapazitäten. Im Notfallzentrum soll dann ein „Matching“ organisiert werden, das möglichst viel Transportleistung gewährleistet. Zudem sollen Infos für Firmen und Fahrer bereitgestellt und eine Betreuung bei Quarantänen und Betriebsschließungen organisiert werden.

Lockerung bei Paketversand?

Auch der Bundesverband Paket und Expresslogistik fordert von der Politik Lockerungen bei gesetzlichen Bestimmungen: So müsse auch die Weiterverteilung von Waren jeglicher Art an Sonntagen zulässig sein. Falls es zu Sperrzonen und Quarantänegebieten komme, sollten Depots und Sortierzentren nur als Ultima Ratio geschlossen werden. (mz)