Fluthilfe Fluthilfe: Großhändler der Katastrophe

Halle/MZ - Das Wasser ist von allein verschwunden, die Sandsäcke aber müssen mühsam fortgeschafft werden. Millionenfach lagen sie in den Hochwasser-Tagen an Deichen und vor Türen - und nun könnten einige der Helfer in der Flutnot als Kult-Taschen zu den Helfern zurückkehren.
In Dresden etwa haben Studenten begonnen, aus dem braunen Standardmodell schicke Umhängebeutel zu nähen. Eine limitierte Auflage will die Initiative „Alles Jute“, wie sie sich im Sozialen Netzwerk Facebook nennt, nähen und zum symbolischen Preis von 8,76 Euro - dem Höchststand der Elbe - verkaufen. Das Geld soll an von der Flut betroffene Kultureinrichtungen gehen. In Halle ist die Idee ähnlich: Hier wollen Burgstudenten aus einigen der während der Flut aus Stoffresten genähten Not-Sandsäcke „Flutbeutel“ anfertigen.
Besonders begehrte Beutel
Besonders begehrt als Rohmaterial dürften aber die Säcke mit dem Aufdruck „Great Britain - Royal Mail“ sein, die auf den Sandsack-Füllplätzen immer wieder für Jubel gesorgt hatten: „Guckt mal, auch die Engländer helfen uns“, hieß es dann - irrtümlicherweise. Denn kein Engländer, sondern ein Hamburger lieferte die blauen, grauen und grünen Säcke nach Sachsen-Anhalt. Thomas Pampel ist der Chef der Firma Stoneland, die auf Hilferufe in Notzeiten spezialisiert ist. Seit 16 Jahren hat der Experte für Großschadenslagen in jeder größeren Krise und Naturkatastrophe mitgemischt. Diesmal lieferte er über Nacht 300.000 Sandsäcke in die Hochwassergebiete von Sachsen-Anhalt. Unter anderem sogenannte Misprints, also Postsäcke, die für die Königliche Post hergestellt wurden, von der aber aussortiert worden sind. „Als Sandsäcke sind die besser als die aus Jute“, ist Thomas Pampel sicher, „Jute saugt sich mit Schadstoffen voll, die Plastiksäcke können wiederverwertet werden.“
Und wenn nicht, ist es auch nicht schlimm, denn Firmen wie Pampels Stoneland, Erco aus Kraiburg am Inn oder die Seidel GmbH aus Braunschweig sind Großlieferanten für große Krisen. 5,5 Millionen Säcke kann allein Pampel sofort liefern, weitere acht bis 15 Millionen sind kurzfristig möglich. „Wir haben Verteilzentren in ganz Deutschland“, erklärt der Firmenchef, der in der ersten Flutwoche insgesamt 3,5 Millionen Säcke in die Flutgebiete schickte. Mit eigenen Lastwagen, die der Chef selbst von Hamburg dirigierte: „Wo es eng wird, muss zuerst Hilfe hin.“
Dabei ist der Krisenhandel eine recht verschwiegene Branche, die kaum jemals in der Öffentlichkeit auftaucht. Wie Pampels Firma arbeiten auch die Wettbewerber im Hintergrund. Preise werden nicht genannt, doch zwischen zehn und 20 Cent pro Sack seien realistisch, bestätigt ein Szenekenner. Thomas Pampel, der schon in Asien Tsunamifolgen bekämpft und 2002 nach der Flut in Köthen geholfen hat, erregt sich über Kollegen, die in der Not an den Preisen drehen. Statt ein paar Cent ein Euro pro Sack? „Je größer der Jammer, desto höher die Preise“, schimpft er. Das funktioniere leider überall, wo nicht Experten in sogenannten Sandsackzentralen für den Nachschub sorgen, sondern „jeder Bürgermeister selbst losstürzt, um für seine Dämme einzukaufen.“ Bei Stoneland gelte ein Festpreis, versichert der Hamburger, „der ist vorher kalkuliert, der bleibt dann auch so.“
Stiele, Salz und Pumpen
Schließlich lebt die Firma nicht nur von Standard-Sandsäcken. „Eigentlich handeln wir mit Präventivmaterial für Ausnahmefälle“, sagt Pampel. Egal, ob Schneeschieberstiele und Salz oder Pumpen, Netze und Big Bags, die von Hubschraubern geworfen werden können - der Krisengroßhandel ist auf alle Fälle vorbereitet. „Wir haben neuerdings auch Hydrosandsäcke im Angebot“, erklärt Thomas Pampel, „500 Gramm Substanz saugen 20 Liter Wasser auf und dichten damit ab.“ Das moderne Hydro-Stop-Modell aus Harz auf einer Polymer-Basis kostet natürlich mehr, genaugenommen ab zwei Euro aufwärts. „Das ist nichts für die Dammkrone, aber ideal für den Hauseingang.“
Taugt allerdings nicht zur späteren Weiterverwendung als Tasche wie der klassische Jutesack oder der Postbeutel. Doch auch diese beiden kehren nur im Ausnahmefall als Tasche wieder. Die meisten der rund sechs Millionen in Mitteldeutschland verwendeten Säcke werden einfach ausgeleert und dann als „Ersatzbrennstoff“, wie es offiziell heißt, in Müllverbrennungsanlagen gebracht.