Freche Werbung Flughafen Leipzig/Halle reibt sich an Berliner Pannenairport BER

Halle (Saale) - Mit einer groß angelegten Werbekampagne an Berliner S-Bahn-Stationen und in der Innenstadt will der Flughafen Leipzig/Halle in der Hauptstadt neue Kunden werben.
Zur heute beginnenden Tourismusmesse ITB stellte der mitteldeutsche Airport die Kampagne, die den noch immer in Bau befindlichen Berliner Großflughafen BER auf das Korn nimmt, vor. „Lieber 2 Stunden fahren, als 13 Jahre warten“, heißt es auf einem Plakat.
„Die Kampagne ist frisch im Ton und spricht die Fluggäste mit einem Augenzwinkern an“ erklärt Götz Ahmelmann, Vorstandschef der Mitteldeutschen Flughafen AG und ergänzt: „Wir wissen, dass viele Fluggäste aus Mitteldeutschland ab Berlin fliegen, das muss aber keine Einbahnstraße sein.“
In Berlin platzen die beiden Flughäfen Tegel und Schönefeld aus allen Nähten. Im vergangenen Jahr wurden 35 Millionen Fluggäste gezählt - allein in Tegel wurden 22 Millionen abgefertigt. Gebaut wurde er für sieben Millionen. Ganz anders in Leipzig/Halle, der moderne Flughafen könnte vier bis sechs Millionen Passagiere befördern, zählte im vergangenen Jahr aber lediglich 2,3 Millionen.
Flughäfen ausgelastet: Lange Schlangen in Berlin, Platz in Leipzig
Das Problem in Mitteldeutschland: Die großen Airlines und die Billigfluggesellschaften wie Ryanair und Easyjet fliegen lieber von der Hauptstadt aus, die auch eine Touristenmetropole ist.
Leipzig/Halle besitzt beispielsweise keine Linienflugverbindungen nach Frankreich, Spanien (Festland) oder Portugal. Punkten will Leipzig/Halle vor allem mit seinen Ferienreisezielen rund ums Mittelmeer. „Wir wollen beispielsweise die vierköpfige Familie anziehen, die entspannt in den Urlaub fliegen möchte“, erläutert ein Sprecher des Flughafens.
Nach aktuellen Erhebungen fliegen bereits jährlich 100.000 Berliner vom mitteldeutschen Airport aus. So punktet Leipzig/Halle mit vergleichsweise niedrigen Parkgebühren.
In einer internen Mail an seine Mitarbeiter wird Ahmelmann noch deutlicher: „Habt Ihr auch Freunde in Berlin, die sich über die überlasteten Flughäfen Tegel und Schönefeld beschweren? Ich kenne viele, denen es so geht: Immer früher müssen sie zu den hoffnungslos überlasteten Airports aufbrechen, weil sich am Security-Check lange Schlangen bilden. Immer öfter ärgern sie sich bei der Anreise über Staus und teure Parkgebühren.“
Der Luftfahrtexperte Cord Schellenberg kann Ahmelmanns Strategie durchaus nachvollziehen: „Urlaubsreisende machen immer einen Preisvergleich. Wenn Leipzig/Halle in dem Feld attraktive Angebote macht, dann kann das auch für Berliner interessant sein.“
Die Deutschen würden immer öfter Kurzreisen von drei bis sieben Tagen unternehmen. Auch die Stadt Halle als Anteilseigner unterstützt den Kurs. „Die Berliner sollten sich nicht grämen, sondern froh sein, dass sie über die schnellen Autobahn-, Bus- und Zugverbindungen erstklassig an den Flughafen Halle/Leipzig angeschlossen sind - keine 1,5 Stunden und man ist da“, sagt Oberbürgermeister Bernd Wiegand (parteilos).
Die Kampagne wurde von der Chemnitzer Agentur Zebra entwickelt und soll einen „unteren sechsstelligen Betrag“ kosten, berichtet der Berliner „Tagesspiegel“.
Die Gesellschaft Flughafen Berlin-Brandenburg (FFB) findet die Kampagne allerdings nicht lustig. „Niemand fährt nach Leipzig/Halle, weil er einen schlechten BER-Witz liest“, sagt Flughafen-Sprecher Daniel Tolksdorf. Die Kampagne zeuge von einer „weitgehenden Unkenntnis über die Situation der Berliner Flughäfen.“ Gerade die Billigflieger würden ihre Standzeiten immer weiter verkürzen, so dass mehr Passagiere abgefertigt werden können.
Dennoch: Wenn der neue Hauptstadtflughafen BER eröffnet, könnte er für die bisher bereits erreichte Passagierzahl schon zu klein sein. Die Flughäfen Tegel und Schönefeld müssen dann nämlich zeitverzögert schließen.
Problem am Flughafen Leipzig/Halle: Kein Fernbus-Halt am Airport
Ahmelmann, bis vor einem Jahr noch Manager bei der insolventen Fluggesellschaft Air Berlin, will mögliche Engpässe in Berlin nutzen. Er ist in Leipzig/Halle angetreten, um die Passagierzahlen deutlich zu erhöhen. Dafür tritt er jetzt, zumindest in der Werbung, auf das Gas.
Doch muss er nach Ansicht von Fachleuten am eigenen Flughafen noch einige Hausaufgaben machen. So gibt es keine Fernbusverbindung von Berlin nach Leipzig, die auch am Flughafen hält. Und auch mit dem Zug ist der ICE-Bahnhof am Airport nicht ohne Umsteigen von der Hauptstadt aus zu erreichen. (mz)