Firmen aus Sachsen-Anhalt im Iran Firmen aus Sachsen-Anhalt im Iran : Roter Teppich für Investoren

Teheran - Zunächst wird ein kurzer Auszug aus dem Koran gelesen. Dazu läuft eine Videosequenz, auf der Wellen am Meer, Pferde in der Wildnis und die Zerstörung durch Krieg gezeigt werden. Anschließend ertönen die deutsche und die iranische Nationalhymne. Wirtschaftsgespräche im Hotel Espinas in Teheran beginnen für deutsche Unternehmer in einer recht ungewohnten Form. „Ich lasse mich überraschen, was hier passiert“, sagt Lars Velde, Geschäftsführer der VKK Standardkessel Köthen.
Auf der Suche nach Kunden
Zusammen mit 15 anderen Unternehmern nimmt er derzeit an einer Delegationsreise des Landes Sachsen-Anhalt in den Iran teil. Velde ist auf der Suche nach neuen Kunden beispielsweise für Heißwasserkessel zur Wärmeversorgung. Noch vor dem Wirtschaftsembargo vor mehr als 20 Jahren exportierte die Firma Anlagen in den Iran. „Doch viele der damaligen Partner gibt es nicht mehr“, so Velde. Der Firmenchef versucht nun, alte Kontakte zu reaktivieren und neue zu knüpfen. Ob das gelingt, weiß er nicht. Er geht das Risiko ein. Nach der Wende war VKK Standardkessel die erste Firma aus Sachsen-Anhalt, die ein westdeutsches Unternehmen übernahm. Die Köthener sind bereit, neue Wege zu gehen.
Nach der Beilegung des jahrelangen Streits über das iranische Atomprogramm wurden in diesem Jahr viele internationale Sanktionen aufgehoben. Die deutsche Wirtschaft, die noch bis 2005 größter Handelspartner des Irans war, hofft auf milliardenschwere Aufträge. Es vergeht derzeit keine Woche, in der nicht eine deutsche Wirtschaftsdelegation nach Teheran reist. Ähnlich verhält es sich bei Franzosen, Engländern und Italienern. In der Zehn-Millionen-Einwohnerstadt Teheran ist es daher schwierig, ein Hotelzimmer zu bekommen. Die Ausländer sorgen bereits für eine Sonderkonjunktur bei den Hoteliers. In dieser Woche sind gemeinsam mit Sachsen-Anhalt auch Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern auf Visite.
Ein halbes Jahr bis zum Vertrag
Den Markteinstieg geschafft hat bereits Ciech Soda Deutschland, das frühere Sodawerk Staßfurt (Salzlandkreis). Das zur polnischen Ciech-Group gehörende Unternehmen liefert sogenanntes Natriumbicarbonat in den Iran. Mehr als ein halbes Jahr lang hat Geschäftsführer Mathias Hübner immer wieder verhandelt, bis ein Vertrag zustande kam. Nun besucht Hübner seinen neuen Partner, der vor allem Dialyseprodukte wie Schläuche, Kanülen und Spritzen herstellt. Als Gastgeschenk hat Hübner Teegläser im Gepäck. Denn Soda ist in der Glasherstellung ein wichtiger Rohstoff. Bei den iranischen Gastgebern kommt das prima an. Sie überreichen ihm eine handgearbeitete Vase. So wird schnell Sympathie erzeugt. Bei der Besichtigung des Werkes fallen Hübner vor allem zwei Dinge auf: „Die Anlagen befinden sich in einem Top-Zustand, die neuesten Maschinen - von denen fast alle aus Deutschland und Österreich stammen - sind allerdings aus den 90er Jahren.“ Es gebe einen großen Investitionsbedarf.
Das ist nicht nur in dieser Fabrik so. Die Sanktionen haben in dem orientalischen Land tiefe Spuren hinterlassen. Fast die gesamte Infrastruktur muss erneuert werden. In Teheran staut sich jeden Tag der Autoverkehr, die wenigen U-Bahn- und Buslinien reichen nicht aus. In der Auto-Industrie, in der Telekommunikation oder im Gesundheitswesen gibt es einen enormen Nachholbedarf. Zur Modernisierung darf das Land nun auch wieder im Westen einkaufen und sein Öl exportieren. Der Iran verfügt über die zweitgrößten Erdgas- und die viertgrößten Erdölreserven der Welt. Dennoch ist die Euphorie, die noch vor ein paar Monaten herrschte, verflogen.
Probleme bei der Finanzierung
Das liegt vor allem an den großen Schwierigkeiten bei der Finanzierung. „Wir haben in Deutschland keine Bank gefunden, die Überweisungen vornimmt“, berichtet Sodawerk-Chef Hübner. Der Grund: US-Geldhäuser dürfen mit der Islamischen Republik noch keine Geschäfte machen, was auch deutsche Institute vorsichtig macht. Commerzbank und Deutsche Bank mussten im vergangenen Jahr noch hohe Strafen zahlen, weil sie gegen US-Sanktionen verstoßen hatten. Hübner hat schließlich eine Bank in Nordeuropa gefunden, die den Zahlungsverkehr nun abwickelt. Die Bundesregierung will sich nun dafür einsetzen, dass auch deutsche Banken mit dem Iran Geschäftsbeziehungen aufnehmen.
Martin Schrumpf, Chef der Walzengießerei in Quedlinburg, nimmt an der von der deutschen Außenhandelskammer organisierten Kontaktbörse im Espinas Hotel teil. Wie beim Speed-Dating setzen sich iranische und deutsche Unternehmer an einen Tisch und tauschen in 15 Minuten Informationen aus. Zu Schrumpf kommen zahlreiche Logistik-Unternehmer aus dem Iran, die gerne seine Waren transportieren wollen. Doch er hat noch keinen einzigen Auftrag. „Von zehn oder 15 Kontakten, die wir hier machen, könnte sich ein Geschäft entwickeln“, sagt Schrumpf. Ähnlich sieht es Unternehmer Velde, der am Nachbartisch sitzt. Ein Schwachpunkt der Organisation: Es war vorher nicht klar, welche iranischen Firmen teilnehmen. Damit ähnelte das Ganze auch einem Blind-Date.
Verlockende Angebote
Wer aber im Iran direkt investieren will, dem wird derzeit der rote Teppich ausgerollt. Akbar Torkan, erster Berater von Präsident Hassan Rouhani, wirbt intensiv um deutsche Firmen, die vorrangig in den sieben Freihandelszonen investieren sollen. Das Angebot klingt verlockend: Steuererleichterung für 20 Jahre, keine Visums-Pflicht, ein subventionierter Strompreis von nur zwei bis drei Cent je Kilowattstunde. „Auch bei den Arbeitern haben sie freie Hand“, erklärt Torkan. Es wird nicht näher erläutert, was er damit meint. Vielleicht war auch die Übersetzung etwas ungenau. Sicher ist allerdings, dass der Iran mit rund 80 Millionen Einwohnern den Golfstaaten bei Direktinvestitionen den Rang ablaufen möchte. Risiken gibt es allerdings auch viele. So ist der Iran direkt und indirekt in Stellvertreterkriege von Syrien bis Jemen verwickelt. Beobachter sprechen vom „politischen Pulverfass“.
Velde hat nach zahlreichen Gesprächen für sich schon ein erstes Resümee gezogen: „Wir müssen uns wohl davon verabschieden, in Köthen unsere Kessel zu bauen und diese zu exportieren.“ Die Iraner seien eher an Kooperationen und dem Know-how des Kesselbauers interessiert. Bereits nach zwei Tagen besucht Velde einen iranischen Kesselbauer. „Vielleicht ergeben sich Lizenzgeschäfte“, sagt Velde. Ein Besuch der Iraner in Köthen sei bereits vereinbart worden. Auch die Walzengießerei aus Quedlinburg ist fündig geworden. Ein österreichisch-iranischer Handelsvertreter und Betreiber einer Ziegelei ist am Vertrieb der Walzen interessiert. Ziegeleien sind eine Kundengruppe für die Harzer. „Wenn das klappt, könnte sich die Reise schon gelohnt haben“, sagt Schrumpf.
Gute Chancen für Sachsen-Anhalt
Sachsen-Anhalts Wirtschaftsstaatssekretär Thomas Wünsch sieht gute Chancen, dass hiesige Firmen im Iran Fuß fassen. Die Iraner seien an qualitativ hochwertigen Waren interessiert. „Die wollen keine Holzkochlöffel, sondern Maschinen“, so Wünsch. Auch im Bereich der erneuerbaren Energien gebe es ein großes Interesse. Sachsen-Anhalt habe mit dem Windradbauer Enercon und der Solarfirma Hanwha-Q-Cells einiges zu bieten. „Ich bin sicher, dass unsere Mittelständler gute Geschäfte machen können.“
2015 exportierte die deutsche Wirtschaft Waren im Wert von rund zwei Milliarden Euro in den Iran. In einigen Jahren sollen es zehn Milliarden Euro sein. 70 Prozent der Maschinen im Iran stammen aus Deutschland. „Made in Germany“ hat einen guten Ruf. Auch deshalb ist Unternehmer Velde optimistisch: „Die ersten Kontakte sehen vielversprechend aus. Wenn sich das positiv entwickelt, komme ich sicher wieder.“ (mz)