Familien-Fleischerei Familien-Fleischerei: Bloß nicht aufgeben

Plötzkau/Querfurt/MZ - Einen Versuch ist es ja wert. So wie Vereine in Kindergärten gehen, um Nachwuchs für ihre Sportarten zu gewinnen, macht es auch Fleischermeister Bernd Köbel aus Plötzkau. Etwa an einem Schwein aus Plastik demonstriert der 57-Jährige den Kindern, welche inneren Organe ein Schwein hat und erklärt, dass der Fleischer das Schwein zu Wurst und Fleisch verarbeitet. „Meist nehme ich noch Wurst-Kostproben mit. Dass es etwas zu essen gab, daran können sich die Kinder immer erinnern“, sagt er und lacht.
Beruf schmackhaft machen
Seine Besuche in der Kindertagesstätte haben einen Hintergrund. Bernd Köbel will den Steppkes nicht nur zeigen, dass die Erzeugnisse vom Fleischer gut schmecken, sondern ihnen auch das Handwerk des Fleischers als Beruf schmackhaft machen. „Wir müssen Nachwuchs gewinnen, denn die Situation unseres Handwerks ist wirklich dramatisch“, sagt Köbel, der Innungsmeister der Fleischer in Sachsen-Anhalt ist. Dass immer öfter Betriebe schließen müssen, sei überwiegend darin begründet, dass sie keine geeigneten Nachfolger finden.
Fleischermeister Köbel ist selbst von dem Problem betroffen. Früher oder später wird er als Unternehmer aufhören. Dass jemand aus dem Betrieb oder der Familie die Geschäfte seiner Metzgerei weiterführt, ist eher unwahrscheinlich. Seine Söhne sind mittlerweile aus dem Haus. Sie haben sich gegen die Übernahme des väterlichen Betriebes entschieden. „Ich habe versucht, ihnen das Handwerk vorzuleben. Doch sie waren zu schlau. Beide arbeiten jetzt in der Lebensmitteltechnologie“, erzählt Bernd Köbel, der das Unternehmen in der vierten Generation führt. „Jemanden zu finden, ist ein Glücksfall“, fügt er hinzu.
Der 56-jährige Fleischermeister Otto Ehrhardt aus Weißenschirmbach, einem Ortsteil von Querfurt, hatte dieses Glück. Sein Sohn Kevin (30), gelernter Zimmermann, ist im Familienbetrieb Geselle und will Ende dieses Jahres die Ausbildung zum Fleischermeister beginnen. „Dann können wir uns so langsam zur Ruhe setzen und die Jungs machen weiter“, sagt Otto Ehrhardt. Mit „wir“ meint er sich, den Meister, und seine Frau Karin, die im Verkauf tätig und für das Personal zuständig ist.
Viel Büroarbeit
Der zweite Sohn der Ehrhardts, der 35-jährige Marcus, arbeitet ebenfalls im Betrieb. „Er beliefert frühmorgens die Filialen und erledigt dann die Büroarbeit“, erzählt Otto Ehrhardt. Ohne Marcus würde es im Betrieb auch nicht gehen, denn die bürokratischen Hürden werden immer höher. „Im Büro stapeln sich die Ordner mit Hygienevorschriften“, sagt Marcus Ehrhardt. Dabei sei in Bezug auf Keime nichts sicherer, als beim Fleischer einzukaufen. „Die Qualität ist unser oberstes Gebot“, sagt Otto Ehrhardt. „Wenn eine Wurst mal nicht gelungen ist, ärgert mich das mehr, als wenn 100 Euro in der Kasse fehlen.“ 95 Prozent der Ware werden täglich frisch produziert.
Durch die Arbeitsbedingungen in Fleischereien, es ist körperlich harte Arbeit bei geringer Entlohnung, fällt es aber auch den Ehrhardts schwer, Gesellen für das Handwerk zu finden, erzählt Kevin Ehrhardt. „Man darf aber nicht aufstecken“, sagt sein Vater. Darum wird auch Meister Köbel seine Bemühungen, Nachwuchs zu gewinnen und früher oder später einen Nachfolger für den eigenen Betrieb zu finden, nicht einstellen. Denn: „130 Jahre Tradition gibt man nicht so einfach auf.“