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Experte spricht von "großer Pleite" Experte spricht von "großer Pleite": Neue ICE-Trasse über Halle ist nicht ausgelastet

Von Alexander Schierholz 09.12.2018, 08:07
Ein ICE steht am Hauptbahnhof Halle am Gleis.
Ein ICE steht am Hauptbahnhof Halle am Gleis. dpa-Zentralbild

Halle (Saale) - Trotz Höhenflügen bei den Fahrgastzahlen ist die vor einem Jahr eröffnete Bahn-Schnellfahrstrecke Berlin-München via Halle  bei weitem nicht ausgelastet. Derzeit rollen weniger als zwei ICE-Züge pro Stunde und Richtung über die zehn Milliarden Euro teure Trasse.

„Technisch möglich wären bis zu sechs ICE“, sagte Felix Berschin, Schienenverkehrsexperte beim Beratungsunternehmen KCW, der MZ. Die Strecke bleibe damit unter ihren Möglichkeiten.

Berschin kommt aufgrund eigener Berechnungen auf eine Auslastung von 1,1 Zügen. Die Deutsche Bahn  sprach auf MZ-Anfrage von „ungefähr ein bis zwei Zügen pro Stunde und Richtung“.

Eine Bahn-Sprecherin räumte aber ein, dass auf der Neubaustrecke „theoretisch“ mehr Züge möglich wären, ohne eine Obergrenze zu nennen. In der Praxis scheitere dies aber an fehlenden Platzkapazitäten auf Zubringerstrecken und in Knotenbahnhöfen.

Immerhin erhöht sich das Angebot mit dem Fahrplanwechsel am Sonntag um drei weitere Züge je Richtung:  zwei zusätzliche Sprinter-ICE zwischen Berlin und München sowie ein ICE von Berlin via Halle und Erfurt nach Wien und zurück.

Keine Konkurrenz durch Flixtrain auf der Schnellstrecke der Deutschen Bahn

Darüber hinaus sind nach Angaben der Deutschen Bahn für 2019 keine weiteren Verbindungen auf der Schnellfahrstrecke angemeldet. Der Anbieter Flixtrain hat seine Pläne, dort der Deutschen Bahn Konkurrenz zu machen, vorerst begraben. Auch Güterzugbetreiber wollen die  Trasse bisher nicht nutzen, obwohl dies möglich wäre.

Schienenverkehrsexperte Berschin nannte dies eine „große Pleite“. Am Güterverkehr hänge die Wirtschaftlichkeit der Strecke. Deren Eigentümer, die Bahn-Tochterfirma DB Netz, verlangt von jedem Zugbetreiber Gebühren für die Nutzung, eine Art Schienenmaut. Damit wird ein Teil der Kosten für die Strecke finanziert. Fällt das Maut-Aufkommen wegen fehlender Güterzüge geringer aus,  verdient DB Netz weniger Geld.

Berschin sieht zwei Gründe für das Fehlen des Güterverkehrs. Zum einen ist die Strecke als erste in Deutschland mit einem neuen Zugsicherungssystem ausgestattet, dem sogenannten ETCS (European Train Control System). Züge, die dort fahren sollen, müssen technisch nachgerüstet werden. Viele Güterzugbetreiber scheuten die Kosten dafür, so der Berater.

Das andere Problem ist der Abschnitt zwischen Erfurt und Nürnberg durch den Thüringer Wald. Rund die Hälfte der 107 Kilometer langen Strecke durch das Mittelgebirge verläuft unterirdisch, doch jeder der 22 Tunnel hat nur eine Röhre. In dieser dürfen sich ein rasend schneller ICE und ein Güterzug aus Sicherheitsgründen nicht begegnen. „Das ist ein Hemmnis für den  Güterverkehr“, sagte Berschin.

Denkbar sei dieser nur nachts, wenn der Personenverkehr ruht. Die betreffenden Tunnel wurden noch nach Plänen aus den 1990er Jahren gebaut. Heute sind längst zwei Röhren Standard, eine pro Richtung.

Laut Bahn haben im ersten Jahr 4,4 Millionen Passagiere die Trasse genutzt, doppelt so viel wie im Vorjahr auf der alten Strecke. Die Bahn hat so ihren Marktanteil verdoppelt und ist auf der Strecke jetzt Marktführer vor Auto und Flugzeug. Halle hat sich neben Erfurt zu einem der wichtigsten Knoten im Osten entwickelt.

Täglich steigen an der Saale 4.700 Reisende aus, ein und um - 1.500 mehr als im Vorjahr. Besonders gefragt ist der Anschluss zwischen dem IC aus Richtung Magdeburg und dem ICE in Richtung München. (mz)