Ernest & Young-Studie Ernest & Young-Studie: Trotz Anstieg: Halles Schulden unter Bundesdurchschnitt

Halle (Saale) - Trotz steigender Steuereinnahmen versinken die 72 deutschen Großstädte immer tiefer in den Schulden. Im vergangenen Jahr stieg ihre Gesamtverschuldung laut einer Studie der Unternehmensberatung Ernst & Young um 3,2 Prozent auf 82,8 Milliarden Euro.
Wie ist das angesichts der hohen Steuereinkommen möglich?
Die Autoren der Studie nennen zwei Erklärungen. Erstens leiden viele Großstädte besonders unter den steigenden Sozialausgaben. Die haben sich laut der Untersuchung 2014 um fünf Prozent erhöht. Zudem ballen sich die Probleme zumeist. Die Städte mit den meisten Arbeitslosen und Hartz-IV-Empfängern haben auch wenig Industrie und andere Unternehmen und daher geringe Gewerbesteuerzahlungen.
Welche Städte sind besonders betroffen?
Bundesweit entfallen auf jeden Großstadtbewohner im Schnitt kommunale Schulden von 4299 Euro. Deutlich darüber liegen etwa Saarbrücken (11 568 Euro), Oberhausen (9556 Euro) und Offenbach am Main (8785). Generell sieht es schlecht in Nordrhein-Westfalen und vor allem in Rheinland-Pfalz aus. Köln schneidet mit 4743 Euro pro Einwohner schlechter ab als der Bundesdurchschnitt. Frankfurt am Main liegt mit 3309 Euro besser, ebenso Halle mit 4013 Euro. Dagegen weisen die acht bayerischen Großstädte eine Pro-Kopf-Verschuldung von „nur“ 3470 Euro auf. Vergleichsweise entspannt können auch die niedersächsischen Ballungszentren mit Verbindlichkeiten von 2206 Euro pro Einwohner in die Zukunft schauen.
Kämpfen alle Großstädte mit Finanzlöchern?
Nein. Einige Kämmerer konnten die Verschuldung zurückfahren. Dies gelang auch in einigen Städten mit hoher Pro-Kopf-Verschuldung wie Ingolstadt oder Offenbach oder Kassel. Die beiden Letztgenannten aus Hessen dürften aber von den Hilfen des Landes für überschuldete Gemeinden profitiert haben. Drei sind schuldenfrei: Dresden, Göttingen und Wolfsburg. Stuttgart ist auf dem besten Weg dorthin. Auch München weist eine gute Bilanz auf. Das gilt für die beiden Landeshauptstädte allerdings nur solange, wie nicht die Verbindlichkeiten der Eigenbetriebe und kommunalen Unternehmen mitgezählt werden.
Gelingt es der Politik, die Unterschiede zwischen Arm und Reich zu mindern?
Nein. Zwar hat der Bund vieles getan, um Gemeinden zu unterstützen. So übernahm er die Finanzierung der Grundsicherung im Alter und entlastet die Rathauskassen bei der Eingliederungshilfe, einer kostspieligen Sozialleistung zur Integration von benachteiligten Menschen in das gesellschaftliche Leben und den Arbeitsmarkt. Dennoch weitet sich die Kluft zwischen wohlhabenden und überforderten Kommunen aus. Nur mit Hilfe ihrer Länder konnten die am höchsten verschuldeten Gemeinden ihren Schuldenanstieg in den vergangenen beiden Jahren auf ein Prozent und damit unter den bundesweiten Trend begrenzen. Zugleich nahmen die Verbindlichkeiten bei zwei Drittel dieser Fälle zu.
Lesen Sie auf der nächsten Seite, inwiefern Bürgermeister jetzt gefragt sind, wie die Lage in Ostdeutschland aussieht und wie die Zahlen überhaupt zustande gekommen sind.
Was können die Bürgermeister tun, um gegenzusteuern?
Gegen den allgemeinen Wirtschaftstrend kommen sie nur schwer an. Wohlhabende Städte können die Gewerbesteuer senken und mit attraktiven Angeboten wie guten Schulen, Theatern oder Schwimmbädern qualifizierte Leute anlocken. Die anderen geben das Geld notgedrungen für Soziales aus und fahren die Investitionen zurück, wie eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) zeigt. Demnach kommen die Kommunen in Bayern mit 469 Euro pro Kopf und Baden-Württemberg mit 371 Euro auf die Spitzenwerte. Der Bundesdurchschnitt liegt bei 270 Euro. Allein in Nordrhein-Westfalen fehlten 5,6 Milliarden Euro an kommunalen Investitionen, um auf das bayerische Niveau zu kommen.
Und wie sieht es in Ostdeutschland aus?
Bisher profitierten diese Gebiete von den Hilfen aus dem Solidarpakt II. Weil hier die Mittel zurückgehen, schrumpfen auch die Investitionen deutlich. Aus eigener Kraft können sich die Ostkommunen wenig leisten. Unter den zehn Kommunen mit den höchsten Investitionsausgaben befanden sich im Jahr 2013 laut DIW keine im Osten. Halle rangiert mit 80 Euro weit unten, ebenso Cottbus (116 Euro), Rostock (156 Euro), Nordsachsen (178 Euro) und Jena (62 Euro).
Wie hat Ernst & Young die Zahlen ermittelt?
Die Unternehmensberatung hat nicht allein auf die kommunalen Haushalte, die Kernhaushalte, geschaut, sondern auch die ausgelagerten Einheiten wie die kommunalen Unternehmen berücksichtigt. Dadurch ergeben sich höhere Zahlen, weil die Verschuldung außerhalb der Kernhaushalte einen beträchtlichen Umfang erreicht hat. Allerdings ist bei der politischen Bewertung zu beachten, dass diese Betriebe auch erhebliche Vermögenswerte angesammelt haben, die den Schulden gegenüberstehen. (mz)