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Energiebörse in Leipzig Energiebörse in Leipzig: Revolution im Gashandel

Von Steffen Höhne 04.07.2014, 06:51
In der Leipziger Energiebörse EEX arbeitet ein Mitarbeiter im Bereich Marktsteuerung.
In der Leipziger Energiebörse EEX arbeitet ein Mitarbeiter im Bereich Marktsteuerung. dpa Lizenz

Leipzig/MZ - Auf einem großen Flachbild-Fernseher läuft CNN. Die Sprecherin informiert über das aktuelle Geschehen in der Ukraine. Im Laufband werden Wirtschaftsnachrichten gezeigt. Das knappe Dutzend Mitarbeiter im Handelsraum der Leipziger Energiebörse EEX interessiert dies nicht. Sie beobachten die Zahlenkolonen auf ihren Monitoren.

An der EEX werden Strom, Erdgas, CO2 -Emissionsrechte und Kohle gehandelt. Hervorgegangen ist die Energiebörse aus einer Fusion der LPX (Leipzig Power Exchange) und der EEX (European Energy Exchange) aus Frankfurt (Main) 2002. Im vergangenen Jahr stieg der Umsatz im Vergleich zu 2012 um 30 Prozent auf 62,2 Millionen Euro. Unter dem Strich wurden 13,7 Millionen Euro verdient. Die Börse beschäftigt 161 Mitarbeiter. Mehrheitsaktionär ist die Eurex Zürich, eine Tochter der Deutschen Börse aus Frankfurt.

Die aktuellen Börsenpreise für Erdgas sind darauf verzeichnet genauso wie Käufer und Verkäufer von Mengen. Im unteren Bildschirmteil stehen die Preise bis 2017. „Es ist somit erkennbar, wohin die Reise bei den Gaspreisen geht“, sagt ein Mitarbeiter der Marktsteuerung. Der Börsenhandel in der 23. Etage des Leipziger City Hochhauses, dem Sitz der Börse, entscheidet zunehmend darüber, wie viel Haushalte und kleine Firmen für ihr Gas bezahlen müssen.

Die European Energy Exchange (EEX) ist nach eigenen Angaben die führende Energiebörse in Europa. Ein Fünftel des in Deutschland gehandelten Stroms wird über die Börse abgewickelt. Der Strombörsenpreis gilt gleichzeitig als Marktpreis für alle Geschäfte - auch außerhalb der EEX. Der Gashandel, der 2007 gestartet wurde, fristete dagegen lange Zeit ein Schattendasein. Doch dies ändert sich gerade. Im ersten Halbjahr 2014 stieg das Handelsvolumen um 142 Prozent auf 126,9 Terawattstunden.

110,1 Terawattstunden

Dies ist mehr als im gesamten Vorjahr. Schon 2013 legte der Gashandel an der EEX um 46 Prozent auf 110,1 Terawattstunden zu. „Im Gasmarkt vollzieht sich ein Strukturwandel“, sagte zuletzt Börsenchef Peter Reitz. Energieversorger würden zunehmend Erdgas über Handelsplätze einkaufen, anstatt mit einzelnen Importeuren langfristige Lieferverträge abzuschließen. „Den Erfolg am Strommarkt wollen wir beim Gas wiederholen“, sagt Robert Gersdorf, tätig in der politischen Kommunikation der EEX. Auf den zum Teil stark staatlich regulierten Energiemärkten vertritt er die Interessen der Energiebörse.

Der steile Anstieg des Handels hat nach Worten von Gersdorf mehrere Gründe. Da sei zunächst die Ukraine-Krise. Unsicherheiten in der Branche über die weitere Gaspreisentwicklung hätten zu zusätzlichen Geschäften geführt. Kurz: Versorger sichern ihre künftigen Liefermengen und Preise ab. Denn an der Börse kann Gas nicht nur für den nächsten Tag (Spotmarkt), sondern auch zur Lieferung in ein, zwei oder drei Jahren (Terminmarkt) gekauft werden.

Auf der nächsten Seite geht es unter anderem mit der gestiegenen Volumina im Gashandel weiter.

Die gestiegenen Volumina im Gashandel führt Gersdorf auch auf die gemeinsame Plattform „Pegas“ für den europäischen Gasmarkt zurück, welche die EEX mit der französischen Börse Powernext Mitte 2013 startete. Auch die Umstellung des Handelssystems auf die Trayport, das viele Gashändler international nutzen, trug zum Wachstum bei.

Wer sind die Akteure, die den Gashandel an der Börse beleben? Laut EEX sind derzeit etwa 150 Handelspartner zugelassen. Dazu zählen die Förderer und Importeure wie Eon, RWE, Verbundnetz Gas (VNG) und Gasprom genauso wie Stadtwerke und Industriekonzerne (BASF, Bayer). Als sogenannte Market Maker treten in Leipzig unter anderem Eon und RWE auf. Sie sorgen dafür, dass der Börsenhandel liquide bleibt. Das heißt, dass stets genug Gas angeboten und auch nachgefragt wird. Ansonsten wäre die Preisbildung schwierig.

System gesprengt

Nach Angaben von Gersdorf werden derzeit etwa neun Prozent des Volumens im deutschen Gashandel über die EEX gehandelt, Tendenz steigend. Das Gros des Geschäfts wird weiterhin bilateral zwischen Importeuren und Energieversorgern oder über freie Gasbroker abgewickelt. Dennoch würden sich nach Gersdorfs Einschätzung bereits mehr als die Hälfte aller Verträge am Börsenpreis orientieren.

Dies kommt einer Revolution gleich. Über Jahrzehnte koppelten die großen Förderer, die russische Gasprom, die norwegische Statoil oder die britische BP, ihre Preise an den Ölpreis. Zusätzliche Gasmengen auf dem Weltmarkt aus den USA und dem Mittleren Osten haben dieses System jedoch gesprengt.

Auf der nächsten Seite geht es unter anderem mit der Stellung von EEX im Strommarkt weiter.

„Die Ölpreisbindung gibt es in Deutschland nicht mehr“, sagt der unabhängige Gasmarkt-Experte Heiko Lohmann, Herausgeber von Energate Gasmarkt. Stadtwerke und Industriekunden würden diese in den Verträgen mit den Gasimporteuren nicht mehr anwenden.

Die neue Preisfindung tut zumindest den Absatzmengen der Gas-Konzerne keinen Abbruch - wie Gasprom zeigt. 2013 pumpten die Russen 162,7 Milliarden Kubikmeter Gas nach Europa und in die Türkei, das sind 16,3 Prozent mehr als 2012 und so viel wie nie zuvor.

Ob die EEX ihre Stellung im Strommarkt auch auf den Gasmarkt übertragen kann, ist für Lohmann keineswegs ausgemacht. „Die EEX erzielt Erfolge“, sagt der Gasexperte. Die gehandelten Mengen seien aber weiterhin überschaubar. So könnten einzelne große Käufe im Terminmarkt das Handelsvolumen stark ansteigen lassen, ohne das die Intensität des Handels insgesamt zunimmt.

Starke Konkurrenz

Zudem sieht Lohmann die etablierten Handelsplätze London und Amsterdam als starke Konkurrenz. Dort würden auch viele internationale Broker sitzen. „Es gibt noch viele offene Fragen, was das EEX-Gasgeschäft betrifft“, sagt Lohmann.

Dass Gasverträge nicht mehr langfristig an den Ölpreis gekoppelt sind, muss auch nicht zwangsläufig zu niedrigeren Preisen führen. Politische Krisen wie in der Ukraine, die den Gasfluss nach Europa unterbrechen könnten, würden an der Börse wahrscheinlich zu hohen Preisausschlägen führen. „Bisher hat die Ukraine-Krise die Entwicklung des Gaspreises kaum beeinflusst“, sagt Gersdorf. Nur an einzelnen Handelstagen beziehungsweise Stunden sei es zu Ausschlägen gekommen. Er hält die EEX auch für schwierige Zeiten gerüstet: „Immer mehr Marktteilnehmer sehen die Vorteile unseres Systems und nutzen diese.“

Mitarbeiter der Energiebörse EEX
Mitarbeiter der Energiebörse EEX
dpa Lizenz
In der Marktsteuerung überwachen EEX-Mitarbeiter den Börsenhandel.
In der Marktsteuerung überwachen EEX-Mitarbeiter den Börsenhandel.
dpa Lizenz