Ende der Untersuchungen Ende der Untersuchungen: Cum-Ex-Geschäfte bleiben wohl ohne größere politische Folgen

Der Skandal um so genannte Cum-Ex-Aktiengeschäfte zulasten der Staatskasse wird voraussichtlich ohne größere politische Konsequenzen bleiben. Bei der Aufarbeitung der Vorgänge gelang es Koalition und Opposition im Bundestag nicht, eine gemeinsame Sicht auf die Dinge zu entwickeln. Es gibt deshalb keinen gemeinsamen Abschlussbericht des eigens eingesetzten Untersuchungsausschusses, der seine Arbeit nach einjähriger Tätigkeit nun beendete. Einig sind sich alle Seiten lediglich darin, dass es sich bei dem Cum-Ex-Deals um illegale Transaktionen handelte.
Parteien reagieren unterschiedlich
Ansonsten zogen die Fraktionen am Dienstag sehr unterschiedliche Schlussfolgerungen. Union und SPD, die in den vergangenen Legislaturperioden den Finanzminister stellten, können kein Behördenversagen rund um die 2012 gestoppten Geschäfte erkennen. Das sieht die Opposition ganz anders. Der Finanzverwaltung seien „katastrophale Fehler unterlaufen“, sagte der Linken-Obmann im Untersuchungsausschuss, Richard Pitterle. Dies habe „den milliardenschweren Raubzug der Cum-Ex-Mafia überhaupt erst möglich gemacht“.
Pitterle ergänzte: „Die Behauptung von CDU/CSU und SPD, seitens der Finanzverwaltung seien keine Fehler gemacht worden, ist angesichts der Faktenlage ein fast schon bemitleidenswerter Versuch, die verantwortlichen Finanzminister Steinbrück und Schäuble aus der Schusslinie zu bringen.“ Der Grünen-Experte Gerhard Schick warf der Koalition vor „alles klein zu kochen und den Schaden so gering wie möglich zu halten“. Das Verhalten von Schwarz-Rot bezeichnete er als „Verweigerung von gemeinsamer parlamentarischer Arbeit“.
32 Milliarden Euro Schaden
Banken, Berater, Anwälte und Investoren hatten den Staat in der Vergangenheit über viele Jahre hinweg mit den dubiosen Cum-Ex-Geschäften um beträchtliche Summen geprellt. Schätzungen zufolge soll sich der Schaden auf bis zu zwölf Milliarden Euro belaufen. Bei den Deals wurden Aktien mit („cum“) und ohne („ex“) Dividendenanspruch mehrfach hin- und hergeschoben, so dass sich für den deutschen Fiskus nicht mehr ohne weiteres rekonstruieren ließ, wem sie eigentlich gehörten. Die Kapitalertragsteuer, die auf Dividenden fällig wird und die einmal bezahlt wurde, ließen sich die beteiligten Finanzdienstleister gleich mehrfach erstatten. Zentrum dieser Geschäfte war London.
Bei den ähnlich gelagerten Cum-Cum-Geschäften halfen Kreditinstitute ausländischen Kunden durch Wertpapier-Schiebereien dabei, eine Steuerrückzahlung vom deutschen Staat zu bekommen, auf die dieser eigentlich keinen Anspruch hatte. Der Gewinn wurde aufgeteilte. Derartige Geschäfte sind seit 2016 untersagt.
Schätzungen zufolge soll sich der Schaden durch die Cum-Ex- und Cum-Cum-Geschäfte zusammen auf 32 Milliarden Euro summieren. Doch sind auch diese Zahlen politisch umstritten: Niemand könnte die Summe seriös ermitteln, heißt es in der Koalition. Man müsse zudem auch bereits geleistete oder künftige Rückzahlungen einrechnen. Die juristische Aufarbeitung des Cum-Ex-Skandals ist noch lange nicht abgeschlossen. Die Justiz ermittelt gegen mehr als 100 Banken, darunter sind erste Adressen der deutschen Finanzwelt.
Erste Warnungen in den 1990er-Jahren
Möglich wurden die Deals nach Auffassung von Kritikern erst, weil der Staat schlampte und wegsah, wenn die Finanzbranche und ihre Kunden sich die Taschen füllten. Erste Warnungen vor Cum-Ex-Geschäften soll es bereits Anfang der 1990er Jahre gegeben haben. Seit Anfang der 2000er Jahre war auch das Finanzministerium mit dem Thema befasst. Dennoch wurden die Geschäfte erst 2012 endgültig gestoppt.
Lange Zeit stritten Juristen darüber, ob die Deals rechtswidrig waren oder nur eine Gesetzeslücke ausgenutzt wurde. Im Bundestag gibt es jetzt immerhin Einvernehmen darüber, dass die Geschäfte von Anfang an illegal gewesen seien. Ein höchstrichterliches Urteil dazu steht aber noch aus.
Der SPD-Experte Andreas Schwarz sagte am Dienstag: „Banken, Kanzleien und Investoren, die das Geschäftsmodell entwickelten und die Transaktionen durchführten, verzichteten bewusst darauf, die Zulässigkeit vorab mit den Finanzbehörden zu klären. Stattdessen ließen sie sich die vermeintliche Rechtmäßigkeit der Geschäfte intern von Beratern oder Wissenschaftlern gutachterlich bestätigen.“