1. MZ.de
  2. >
  3. Deutschland & Welt
  4. >
  5. Wirtschaft
  6. >
  7. Elternunterhalt: Elternunterhalt: Kinder sind in der Pflicht

Elternunterhalt Elternunterhalt: Kinder sind in der Pflicht

Von Paul Glauben 09.06.2005, 15:52

Karlsruhe/dpa. - Das Verhältnis zur Schwiegermutter war noch nie gut, und nun soll er ihren Heimaufenthalt bezahlen? Ein Blick in das Gesetz beruhigte den Schwiegersohn: Er schuldet neben Ehefrau und Kindern nur den eigenen Eltern im Bedarfsfall Unterhalt.

Auch der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe hat zu diesem Thema ein eindeutiges Nein ausgesprochen (Az.: XII ZR 122/00). Mit solchen und ähnlichen finanziellen Generationenkonflikten müssen sich die deutschen Familienrichter immer häufiger beschäftigen.

Ganz ungeschoren kommt der Schwiegersohn möglicherweise dennoch nicht davon. Denn inzwischen sprechen Rechtsexperten von einer «verdeckten Schwiegerkind-Haftung»: Wenn ausreichendes Familieneinkommen vorhanden ist, muss eine Ehefrau, die kein eigenes Einkommen hat, ihren Elternunterhalt aus dem Budget der Familie finanzieren. Unter dem Strich fehlt das Geld also in deren Kasse.

Da die Menschen in Deutschland durchschnittlich immer älter und gleichzeitig viele Senioren pflegebedürftig werden, rechnen Experten damit, dass Fragen des Elternunterhalts zunehmend die Gerichte beschäftigen werden. Dieser erweist sich für viele Erwachsene als finanzielle Zeitbombe. Denn nach geltendem Recht sind Verwandte in gerader Linie, also Personen, die voneinander abstammen, gegenseitig unterhaltspflichtig.

Das Bundesverfassungsgericht hat allerdings in einem aktuellen Urteil Grenzen der Zahlungspflicht aufgezeigt: Der Unterhalt für die pflegebedürftigen Eltern darf die Kinder nicht überfordern, entschied das Gericht (Az.: 1 BvR 1508/96). Denn die «Sandwich-Generation» sehe sich erheblichen Belastungen ausgesetzt, weil sie in der Regel für die eigenen Kinder zahlen und sich zunehmend auch um die eigene Altersvorsorge kümmern müsse.

In dem verhandelten Fall legte eine Frau Verfassungsbeschwerde ein. Das Sozialamt in Bochum hatte für ihre Mutter die Kosten für die Heimunterbringung übernommen, wollte sich aber später an der Immobilie der Tochter schadlos halten. Nach ihrem Tod sollten die Unterhaltsforderungen aus dem Verkauf des Hauses beglichen werden. Diese - bundesweit einzigartige - Vorgehensweise entbehrt den Karlsruher Richtern zufolge jeder Rechtsgrundlage.

Während das Bundesverfassungsgericht mit seinem Urteil eine Grenze der Belastungen festlegt, gibt es noch weitere umstrittene Details: Im Mittelpunkt stehen dabei Fragen nach der Ermittlung des finanziellen Bedarfs der Eltern und nach der Berücksichtigung der finanziellen Leistungsfähigkeit des unterhaltspflichtigen Kindes. Nach BGH-Auffassung (Az.: XII ZR 67/00) kommt es auf den tatsächlichen Bedarf des Elternteils an. Bestimmende Faktoren sind dabei in der Praxis neben Kosten der Heimunterbringung vor allem die Kosten der Kranken- und Pflegeversicherung sowie ein angemessenes Taschengeld. Die Eltern müssen jedoch zunächst eigenes Vermögen einsetzen, bevor die Unterhaltspflicht der Kinder greift.

Rechtsexperten weisen zudem darauf hin, dass das unterhaltsbedürftige Elternteil zunächst den eigenen Ehepartner in Anspruch nehmen muss, bevor er sich an seine Kinder wenden kann. Müssen ein Vater oder eine Mutter tatsächlich ein Kind in Anspruch nehmen, gilt zunächst die Vermutung, dass dieses auch finanziell leistungsfähig ist. Nach Auffassung der Gerichte muss daher das Kind nachweisen, dass es finanziell überfordert ist.

Umstritten ist allerdings, ob und inwieweit Schulden des Kindes berücksichtigt werden dürfen. Der BGH urteilt bisher differenziert: Schulden, die bereits vor Bekanntwerden der Unterhaltsverpflichtungen entstanden sind, werden generell berücksichtigt. Möglicherweise muss allerdings zur Finanzierung des elterlichen Unterhalts die monatliche Tilgungsrate reduziert werden. Später entstandene Schulden führen dagegen nicht generell zu einer Reduzierung der Unterhaltspflichten, urteilte der BGH (Az.: IVb ZR 40/87).

Die Bundesrichter haben zwischenzeitig anerkannt, dass die Unterhaltsansprüche der eigenen Kinder und des Ehegatten der Pflicht zum Elternunterhalt vorgehen (Az.: XII ZR 266/99). So steht zum Beispiel der Ehefrau die Hälfte des Einkommens des Mannes zu. Dessen Unterhaltsverpflichtungen gegenüber den Eltern berechnet sich aus dem Restbetrag. Dieser Betrag verringert sich weiter um die Unterhaltsansprüche der eigenen Kinder.

Die unterhaltsberechtigten Eltern dürfen sich außerdem nicht nur eines ihrer Kinder als «Zahlmeister» aussuchen. Vielmehr haften alle Kinder je nach ihren Vermögensverhältnissen. Dies hat zur Folge, dass sie sich nach Auffassung des Landgerichts Braunschweig (Az.: 4 S 43/97), des OLG München (Az.: 26 UF 748/00) sowie des BGH (Az.: XII ZR 229/00) im Streitfall gegenseitig ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse offen zu legen haben.