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Einkaufen Einkaufen: So sehen die Supermärkte der Zukunft aus

Von Frank-Thomas Wenzel 23.06.2016, 11:37
Der Lebensmittelhandel steht vor einem gewaltigen Wandel.
Der Lebensmittelhandel steht vor einem gewaltigen Wandel. dpa

Der Lebensmittelhandel steht vor einem gewaltigen Wandel. Genauer gesagt: Er hat längst begonnen. Die kleinen Geschäfte verschwinden. Größere Läden, die aufwendiger gestaltet sind und ein größeres Sortiment bieten, setzen sich durch. Wir erläutern, warum Supermärkte zu Erlebniswelten werden und welche Rolle das Internet dabei spielt.

Wie lässt sich der Wandel in der Branche beschreiben?

Die Experten des Forschungsinstituts EHI weisen in einer aktuellen Studie nach, dass die Zahl der kleinen Supermärkte mit höchstens 400 Quadratmeter Fläche von knapp 11200 im Jahr 2010 auf 8900 im vorigen Jahr geschrumpft ist. Parallel dazu ist im gleichen  Zeitraum die Gesamtfläche gestiegen, von 33,9 Millionen auf 35,5 Millionen Quadratmeter. Das bedeutet, die einzelnen Läden werden immer größer.

Gilt diese Entwicklung auch für Discounter?

Ja. Hatte beispielsweise eine neu eröffnete Aldi-Süd-Filiale laut EHI 2005 noch eine durchschnittliche Fläche von 830 Quadratmeter, so waren es zehn Jahre später 980 Quadratmeter. Die Billiganbieter schwimmen im Trend mit. Er ist aber noch stärker bei den Supermärkten mit Vollsortiment zu erkennen. Hier ist in den vergangenen fünf Jahren die Verkaufsfläche um eine Million  auf 10,6 Millionen Quadratmeter gestiegen.

Was bedeutet das für die Kunden?

Das bedeutet vor allem, dass die Wege zum nächsten Markt tendenziell weiter werden. Das gilt insbesondere für ländliche Standorte. In großen Städten ist hingegen zum Teil eine Gegenbewegung zu erkennen. In relativ dicht besiedelten Wohnquartieren macht etwa die Rewe-Gruppe im Zuge ihrer Expansionsstrategie auch kleinere Läden für die Nahversorgung auf.

Wofür brauchen die Lebensmittelkonzerne die größeren Flächen?

Im Lebensmittelhandel herrscht ein knallharter Wettbewerb. Er wird über die schiere Größe ausgetragen. Je größer die Mengen sind, die ein Händler abnehmen kann, umso günstiger sind die Konditionen. Denn mit wachsenden Stückzahlen wird die Produktion für die Erzeuger lukrativer. Hinzu kommt, dass die Lebensmittelhändler ihre Sortimente erweitert haben und dies weiter voran treiben. 

In welche Richtung werden die Sortimente vergrößert?

Es ist eine doppelte Bewegung zu erkennen. In einem ersten Schritt haben Vollsortimenter wie Rewe und Edeka Discountartikel vor allem bei Basisprodukten offeriert. So gibt es dort Milch und Butter auf dem gleichen Preisniveau wie bei Lidl und Aldi. Im zweiten Schritt haben die Discounter ihr Angebot ausgebaut. Aldi etwa offeriert längst nicht mehr 400 bis 600 Produkte, sondern in der Regel mehr als 2000. Dieser Prozess ist nicht abgeschlossen. Generell wird bei den Discountern die Zahl der Markenartikel namhafter Hersteller immer weiter vergrößert.

Verschwinden die Discounter?

Davon gehen viele Experten aus. Rewe-Chef Alain Caparros etwa prognostiziert, dass es in fünf Jahren keine reinrassigen Discounter mehr geben wird. Manager von Lidl und Aldi basteln an neuen Konzepten. Es gibt unter anderem frische Backwaren. Über Snacks zum sofortigen Verzehr für die Mittagspause wird nachgedacht. Auch die Läden verändern sich. Es sind bei Aldi Kundentoiletten und Kaffeeautomaten eingerichtet worden. Und dort werden die berühmten Paletten immer stärker durch normale Regale ersetzt – dem Kunden soll das Einkaufen verschönert werden.

Wie reagieren Rewe und Edeka?

Sie tun viel, um die Erlebnisqualität ebenfalls zu steigern. So wird das gastronomische Angebot kontinuierlich ausgebaut. Das belegen auch die EHI-Zahlen: Schon 2013 wurde mit 800 Millionen Euro  ein Rekordwert bei den Investitionen für die Einrichtung neuer Märkte erreicht. Das war ein Plus von gut einem Drittel im Vergleich zu 2011. Für das laufende Jahr sei mit einer weiteren „signifikanten Steigerung“ der Ausgaben zu rechnen, so das EHI. Für Caparros zielen diese Bemühungen darauf ab, den Laden zu einem „Ort der Begegnung“ zu machen. Man werde dort künftig auch Geburtstag feiern, etwa in einer Sitzecke mit guten Brot und Käse aus dem Sortiment. Kunden würden zu Gästen und müssten daran glauben, in einem Rewe-Markt die Liebe des Lebens zu treffen, sagte der Manager in einem Interview.

Was bedeutet diese Tendenz für den gesamten Lebensmittelhandel?

Für kleinere Handelsketten wird es immer schwerer, sich zu behaupten. Die Tendenz der Konzentration in der Branche, die das Bundeskartellamt ohnehin schon mit Sorge beobachtet, dürfte sich noch verstärken. Denn für den Ausbau von Läden und Sortimenten wird Kapital benötigt. Derzeit haben die großen Vier (Rewe, Edeka, Aldi, Lidl) schon einen Marktanteil von 85 Prozent.

Welche Rolle spielt das Internet?

Absehbar ist, dass kleine Feinkost- und Spezialitätenanbieter, die Bio-Gemüse, Bisonsteaks oder Nudeln für Allergiker offerieren, ihre Läden dicht machen und immer stärker ins Internet abwandern. Laut EHI machen die Spezialisten schon 92 Prozent der Lebensmittelhändler im E-Commerce aus.

Wie werden sich die Online-Lieferdienste für Lebensmittel generell entwickeln?

Derzeit ist ihr Marktanteil noch verschwindend gering. Doch das dürfte sich mit fortschreitender Digitalisierung ändern. Die Branche wappnet sich für den Auftritt von Amazon Fresh. Allenthalben bauen die Etablierten ihre Digitalangebote aus, etwa für Tierfutter, Wein oder Drogerieartikel. Amazon dürfte in Zukunft auch hierzulande einiges umkrempeln, da der US-Konzern gar nicht daran interessiert ist, mit dem Lieferdienst Geld zu verdienen – ihm geht es vor allem um die Daten der Kunden.