"Doppelverbeitragung" "Doppelverbeitragung": Stop für doppelte Abgaben soll kommen - doch wer zahlt?

Berlin - Erst Wochen nach der Verabschiedung des Gesetzes wurde die Öffentlichkeit auf eine kleine, aber folgenschwere Änderung aufmerksam: Um die Finanzen der gesetzlichen Krankenversicherung zu stabilisieren, verfügte 2004 die damalige rot-grüne Bundesregierung, die Rentner stärker zur Kassen zu bitten.
Auf Betriebsrenten wird der volle Krankenkassenbeitrag fällig - nachdem bereits beim Ansparen auf die entsprechenden Einkommensbestandteile Beiträge gezahlt wurden. Seither sorgt das Thema „Doppelverbeitragung“ bei Millionen Menschen für Frust. Die Große Koalition will das Problem nun aus der Welt schaffen. Doch jetzt streiten Union und SPD darüber, wer die Milliardenkosten zahlen soll.
Was wurde 2004 genau geändert?
Weil die gesetzlichen Krankenkassen in den roten Zahlen waren, beschloss die Regierung damals, dass Rentner fortan auf alle Formen der betrieblichen Altersversorgung den vollen Beitragssatz für die gesetzliche Krankenversicherung zahlen müssen, also den Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteil. Zuvor war auf Betriebsrenten nur der halbe Satz fällig. Einmalauszahlungen waren ganz beitragsfrei.
Wer ist betroffen?
Schätzungen gehen von rund sechs Millionen Menschen aus, die seitdem höhere Beiträge abführen müssen. Das können insgesamt mehrere Zehntausend Euro sein. Das gilt auch für Verträge, die vor dem Gesetzesbeschluss abgeschlossen wurden.
Ist das alles rechtlich zulässig?
Bundesverfassungsgericht und Bundessozialgericht haben sich mehrfach damit beschäftigt und die Änderungen für rechtmäßig befunden.
Warum beschäftigt sich jetzt die Politik damit?
Die Empörung über den Eingriff hat nie nachgelassen. Union und SPD sind sich daher einig, die Beitragsregeln zu ändern. Im Koalitionsvertrag ist dazu allerdings nichts vereinbart – und das ist die Crux.
Wie ist der Stand der Debatte?
Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat gerade einen Gesetzentwurf fertiggestellt, der der MZ vorliegt. Spahn schlägt vor, die Beträge auf die Betriebsrenten ab 2020 wieder zu halbieren. Der Beitragsausfall von drei Milliarden Euro soll durch einen Steuerzuschuss von 2,5 Milliarden Euro aufgefangen werden.
Die restlichen 500 Millionen Euro sollen über die Beitragseinnahmen der Krankenkassen bezahlt werden. Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) lehnt das ab. Er verweist auf die Rücklagen von Kassen und Gesundheitsfonds von mehr als 30 Milliarden Euro und fordert, dass die Krankenversicherung die Ausfälle allein tragen. Als Kompromiss sind andere Kostenverteilungen möglich oder kleinere Lösungen. Im Gespräch sind etwa Freibeträge, um kleinere Betriebsrenten zu entlasten. (mz)