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VW-Abgasskandal Dieselgate: Wegen des Abgasskandals will die EU-Kommission ein Verfahren gegen Deutschland einleiten

Von Thorsten Knuf 07.12.2016, 11:06
Blick auf die Auspuffrohre eines Diesel-PKW.
Blick auf die Auspuffrohre eines Diesel-PKW. dpa-Zentralbild

Berlin - Kaum hat die Bundesregierung den Streit mit der EU-Kommission über die Pkw-Maut abgeräumt, steht ihr neuer Ärger ins Haus: Die Brüsseler Behörde findet das deutsche Vorgehen im Dieselgate-Skandal zu lax und will offenbar ein Vertragsverletzungsverfahren einleiten. Wir erläutern, um was es geht.

Woran stört sich die Kommission?

Industriekommissarin Elzbieta Bienkowska und ihre Experten sind unzufrieden mit der Art und Weise, wie die Bundesregierung mit der massenhaften Manipulation von Abgaswerten bei Dieselfahrzeugen durch Volkswagen und andere Hersteller umgegangen ist. Am Mittwoch solle offiziell ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland und sechs weitere Mitgliedstaaten eingeleitet werden, meldet die Neue Osnabrücker Zeitung. Das Blatt beruft sich auf den EU-Abgeordneten Jens Gieseke (CDU), der dem Untersuchungsausschuss des Parlaments zum Abgasskandal angehört. Eine Reaktion der EU-Kommission auf die Meldung steht noch aus. Bienkowska hatte allerdings im September vor dem Untersuchungsausschuss gesagt, dass sie in den „nächsten Wochen“ über Verfahren wegen Verletzung des EU-Rechts entscheiden werde.

Auf welche Rechtsgrundlage stützt sich Brüssel?

Laut einer EU-Verordnung aus dem Jahr 2007 sind so genannte Abschalt-Einrichtungen in Motoren verboten. Baut ein Autohersteller sie trotzdem ein, muss das laut Verordnung sanktioniert werden. Deutschland und andere Mitgliedstaaten haben es  nach Brüsseler Auffassung aber versäumt, rechtzeitig ein Sanktionssystem zu errichten.  Europas größter Autohersteller Volkswagen, bei dem der Dieselgate-Skandal seinen Anfang nahm, baute weltweit in vielen Millionen Fahrzeugen Abschalt-Einrichtungen ein: Eine Software erkennt, wann die Wagen auf dem Rollenprüfstand stehen. Dann werden nur gereinigte Abgase ausgestoßen. Im Normalbetrieb auf der Straße hingegen liegen die Emissionen gesundheitsschädlicher Stickoxide weit jenseits der zulässigen Grenzwerte. In Europa sind jedes Jahr mehrere zehntausend vorzeitige Todesfälle auf Stickoxide zurückzuführen. Die Schadstoffe greifen insbesondere die Atemwege an.

Kann die Bundesregierung dem Verfahren gelassen entgegensehen?

Das muss man abwarten. Allerdings steht der zuständige Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) wegen seines Krisenmanagements im Dieselgate-Skandal schon jetzt gewaltig unter Druck. Umweltverbände und die Opposition werfen ihm vor, nur bedingt an einer Aufklärung interessiert zu sein und sich schützend vor die Autokonzerne zu stellen. Das Verkehrsministerium und das ihm unterstehende Kraftfahrt-Bundesamt sollen schon seit vielen Jahren über den illegalen Einsatz von Abschalt-Einrichtungen im Bilde gewesen sein, dies aber toleriert haben.

Was ist überhaupt ein Vertragsverletzungsverfahren?

Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind laut EU-Vertrag verpflichtet, Europarecht in nationales Recht zu übernehmen. Aufgabe der Brüsseler Kommission ist es, darauf zu achten, dass dies auch tatsächlich geschieht. Ist das nicht der Fall, kann die Behörde durch Beschluss der 28 Kommissare ein förmliches Verfahren einleiten. In einem ersten Schritt schickt sie dann ein Schreiben mit der Bitte um weitere Informationen an den jeweiligen Mitgliedstaat. Dieser muss in der Regel binnen zwei Monaten antworten. Lassen sich auf diese Weise die Meinungsverschiedenheiten nicht ausräumen, folgt Schritt zwei: Die Kommission gibt dann eine so genannte  „mit Gründen versehene Stellungnahme“ ab und fordert den Mitgliedstaat auf, in einer festgelegten Frist (meistens zwei Monate) den Verstoß abzustellen. Kommt die jeweilige Regierung dem nicht nach, kann die Kommission das Land vor dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg verklagen.