Diesel-Gipfel Diesel-Gipfel: Politiker wollen kein Fahrverbot und geben 500 Millionen Euro mehr an Kommunen

Berlin - Auch nach dem zweiten Diesel-Gipfel der Bundesregierung bleibt unklar, wie die Luftqualität in den deutschen Ballungsräumen rasch verbessert und drohende Fahrverbote aufgrund einer zu hohen Stickoxid-Belastung abgewendet werden können. Zwar erhalten die Kommunen mehr Geld, um nachhaltige Verkehrskonzepte zu entwickeln. Dies werde aber erst auf längere Sicht Wirkung entfalten, räumten Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), Vize-Kanzler Sigmar Gabriel sowie Vertreter von Ländern und Kommunen am Montag nach einem Treffen in Berlin ein.
Fonds um 500 Millionen Euro aufgestockt
Wie Merkel mitteilte, ist der Bund bereit, zusätzliche 500 Millionen Euro in den Fonds „Nachhaltige Mobilität“ einzuzahlen. Damit wird dieser Topf auf insgesamt eine Milliarde Euro aufgestockt. Das Geld komme aus dem laufenden Bundeshaushalt, sagte Merkel.
Der Fonds an sich war bereits vor einem Monat beim Treffen der Regierung mit Vertretern der deutschen Autoindustrie beschlossen und zunächst mit 500 Millionen Euro ausgestattet worden. 250 Millionen davon sollen die Konzerne übernehmen. Allerdings ist es der Branche bisher nicht gelungen, das Geld auch tatsächlich zusammenzutragen. Vize-Kanzler Gabriel forderte die Unternehmen am Montag auf, ihr finanzielles Engagement auszuweiten. „Ich finde, das kann auch etwas mehr sein von der Autoindustrie“, sagte er.
Rund 90 Städte betroffen
Städte mit überhöhter Stickoxid-Belastung sollen Mittel aus dem Fonds beantragen können, um damit individuelle Strategien zur Verminderung der Schadstoff-Emissionen zu erarbeiten. Denkbar ist etwa, dass sie ihren Nahverkehr ausbauen, Elektro-Mobilität und Radverkehr fördern oder ihre Verkehrsleitsysteme verbessern.
In Deutschland gibt es rund 90 Städte, in denen die Stickoxid-Belastung der Luft regelmäßig die Grenzwerte überschreitet. Verantwortlich dafür sind vor allem Diesel-Pkw. In etlichen Kommunen laufen Klagen, die schon bald dazu führen könnten, dass Gerichte Fahrverbote verhängen.
Stockoxide schädigen die menschliche Gesundheit, sie führen insbesondere zu Atemwegserkrankungen. Europaweit werden jedes Jahr mehrere Zehntausend vorzeitige Todesfälle darauf zurückgeführt.
Merkel ist gegen Diesel-Fahrverbote
Die Europäische Union übt bereits seit Jahren wegen der hohen Stickoxid-Belastung Druck auf Deutschland aus. Die Politik nahm das Problem jedoch lange Zeit nicht ernst. Erst der Skandal um manipulierte Abgaswerte bei Volkswagen und anderen Herstellern sowie die drohenden Fahrverbote änderten dies. Merkel sagte am Montag, alle Beteiligten seien sich einig, dass pauschale Fahrverbote verhindert werden müssten.
Dem schlossen sich auch der Ministerpräsident Baden-Württembergs, Winfried Kretschmann, sowie der Stuttgarter Oberbürgermeister Fritz Kuhn (beide Grüne) an. Kretschmann gab allerdings zu bedenken, dass auch die von der Autoindustrie zugesagten Software-Updates für Dieselfahrzeuge voraussichtlich nicht reichen werden, um die Stickoxid-Belastung kurzfristig zu senken. Das ist auch die Auffassung des Bundesumweltministeriums. Kanzlerin Merkel ist dagegen, die Konzerne zu einer grundlegenden Nachrüstung der Motoren zu verpflichten. Sie verweist auf die hohen Kosten.
Schnelle Umrüstung bleibt schwierig
Der Präsident des Verbands Kommunaler Unternehmen (VKU), der Mainzer Oberbürgermeister Michael Ebling, sagte dieser Zeitung nach dem Treffen im Kanzleramt: „Das Problem ist, dass den Städten die Zeit davonläuft. Diverse juristische Verfahren wegen Fahrverboten laufen, wegweisende Entscheidungen werden in wenigen Monaten fallen. Deshalb hätten wir uns mehr konkrete und schnell wirksame Schritte gewünscht, um drohende Fahrverbote zu vermeiden.“ Eine Art Sofortprogramm zur Umrüstung von kommunalen Fahrzeugen auf umweltfreundliche Antriebe könne kurzfristig wichtige Effekte bringen. „Das könnte sich in der Dimension von 10.000 Stadtbussen bewegen“, sagte Ebling. Er hoffe, dass bei einem weiteren Treffen im Oktober Entscheidungen in diese Richtung fallen.
Nach Ansicht des Vize-Chefs der Grünen-Bundestagsfraktion, Olivier Krischer, ist es richtig, dass der Bund den Kommunen finanziell bei der Entwicklung von nachhaltigen Verkehrskonzepten unter die Arme greift. „Das bringt aber nur wenig bis gar nichts für die drohenden Fahrverbote“, sagte er. Die Maßnahmen würden erst in zwei bis fünf Jahren wirken. Bei der Nachrüstung der Pkw mit besserer Technik passiere gar nichts. „Das erweckt bei mir den Eindruck, dass das Treffen mit den Städten nur ein Ablenkungsmanöver für die Bundeskanzlerin ist, um im Wahlkampf politisches Handeln zu simulieren“, sagte Krischer.