Bundesarbeitsgericht Bundesarbeitsgericht: Basis für Nachtzuschläge ist mindestens der Mindestlohn

Berlin - Die Summe wirkt geradezu lächerlich. Auf Zahlung von 35,78 Euro hatte eine Frau aus Sachsen ihren Arbeitgeber im Jahr 2015 verklagt. Ungeachtet des geringen Betrages hat die Entscheidung, die das Bundesarbeitsgericht in Erfurt (10 AZR 171/16) am Mittwoch zugunsten der Frau getroffen hat, weitreichende Konsequenzen: Zum einen für Millionen Beschäftigte, die den Mindestlohn erhalten, zum anderen für deren Arbeitgeber.
Nach Auffassung des 10. Senats müssen Nacht- und Feiertagszuschläge sowie das Urlaubsgeld mindestens auf Basis des Mindestlohns berechnet und ausgezahlt werden. Vor 2015 tarifvertraglich vereinbarte Stundenlöhne unterhalb des Mindestlohns sind laut Urteil nicht maßgeblich. Damit wies das Erfurter Gericht die Berufung ab, die der beklagte Arbeitgeber gegen die Anfang 2016 ergangene Entscheidung des sächsischen Landesarbeitsgerichts eingelegt hatte. Für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ist das eine gute Nachricht.
Zuschläge nach Tarifvertrag ermittelt
Im konkreten Fall hatte der Montagebetrieb, für den die Klägerin seit 1990 tätig gewesen war, nach Einführung des Mindestlohns am 1. Januar 2015 die Zuschläge und das Urlaubsgeld nach Maßgaben eines Tarifvertrags für die sächsische Metall- und Elektroindustrie aus dem Jahr 2004 ermittelt. Dieser Vertrag sah in der unteren Tarifgruppe einen Stundenlohn von 7 Euro, einen 25-prozentigen Aufschlag für Nachtarbeit sowie ein Urlaubsgeld in Höhe des 1,5-fachen des durchschnittlichen Monatsverdienstes vor.
Das Unternehmen rechnete wie folgt: Durch den Nachtzuschlag erhöhte sich der Stundenverdienst um 25 Prozent auf 8,75 Euro und lag somit über der seinerzeit gültigen Mindestlohnhöhe von 8,50 Euro. In gleicher Weise berechnete der Betrieb auch das Urlaubsgeld. Nach Ansicht des Arbeitgebers wurde damit dem Mindestlohngesetz genüge getan, das die Stundenverdienste den Mindestlohn überschritten.
Feiertagsarbeit in gleicher Weise zu vergüten
Dem folgte das Bundesarbeitsgericht am Mittwoch nicht. „Ein Rückgriff des Arbeitgebers auf eine vertraglich vereinbarte niedrigere Vergütung scheidet aus“, heißt es zur Begründung. Der tarifliche Nachtarbeitszuschlag und das tarifliche Urlaubsentgelt müssten mindestens auf
Grundlage des gesetzlichen Mindestlohns von damals 8,50 Euro berechnet werden, da dieser Teil des „tatsächlichen Stundenverdienstes“ im Sinne des Manteltarifvertrags sei.
Die Vergütung für Feiertagsarbeit sei in gleicher Weise nach der Höhe des jeweils aktuell geltenden Mindestlohns zu bemessen.
Der Frau hätten demnach für nicht 7 Euro plus 1,75 Euro als Zuschlag zugestanden, sondern 8,50 plus 2,13 Euro. Gleiches gilt für das Urlaubsgeld. Es handele sich dabei um einen „eigenständigen Anspruch“, der nicht mit der Lohnzahlung nach dem Mindestlohngesetz verrechnet werden dürfe, so das Gericht. Mit dem steigendem Mindestlohn erhöhen sich mithin automatisch auch vereinbarte Zuschläge und Urlaubsgeld.
Dass es sich im vorliegenden Streitfall um einen so geringen Betrag handelte, hängt mit dem geringen Arbeitsumfang zusammen, den die Klägerin geltend gemacht hatte: In der Lohnabrechnung für Januar 2015 waren ein Urlaubstag sowie fünf Stunden Nachtarbeit falsch berechnet worden.