Bundesagentur für Arbeit Bundesagentur für Arbeit: Neuer Eignungstest für Ungelernte soll Jobchancen erhöhen

1,3 der derzeit 2,55 Millionen Arbeitslosen in Deutschland haben keine abgeschlossene Berufsausbildung. Gleichwohl verfügen viele Jobsuchende über jahrelange Berufserfahrung und einiges Fachwissen. Ein „Ungelernter“ kann mithin durchaus in der Lage sein, gute Arbeit abzuliefern. Allerdings steht Jobcentern und Arbeitsagenturen bisher kein Instrument zu Verfügung, mit dem versteckte Qualifikationen und praktisches Erfahrungswissen zuverlässig erfasst werden könnten.
Zunächst für acht Berufsfelder
Dies soll sich nun ändern: Gemeinsam mit der Bertelsmann-Stiftung hat die Bundesagentur für Arbeit (BA) einen Eignungstest entwickelt, der Fähigkeiten, Vorwissen und Talente der Arbeitssuchenden sichtbar machen soll. In der ersten Stufe des „My Skills“ genannten Verfahrens werden Kenntnisse in acht Berufsfelder abgefragt, darunter so unterschiedliche wie KFZ-Mechatroniker, Koch, Verkäufer, Landwirt und Tischler. Im Lauf des Jahres sollen 22 weitere Berufe hinzukommen.
Für deren Auswahl waren zwei Kriterien maßgeblich: Der Bedarf an bestimmten Qualifikationen in den deutschen Unternehmen sowie die Arbeitsbereiche, in denen erfahrungsgemäß besonders viele Ungelernte unterwegs sind. Im Ergebnis werden die My-Skills-Tests zum Beispiel für Altenpflegehelfer, Änderungsschneider, Bäcker und Berufskraftfahrer, für Fachkräfte im Gastgewerbe, in der Lebensmitteltechnik sowie im Möbel-, Küchen- und Umzugsservice, für Lageristen, Bäckereiverkäufer, Friseure, Gärtner und Tiefbaufacharbeiter angeboten.
Insgesamt decken die 30 Berufe nach Angaben des Bertelsmann-Bildungsexperten Frank Frick rund 60 Prozent der informellen Qualifikationen ab, über die ungelernte Arbeitslose verfügen. Von den arbeitssuchenden Flüchtlingen sind sogar zwei Drittel.
Jobchancen erhöhen
Gerade Flüchtlinge, aber auch Zuwanderer aus ost- und südosteuropäischen Staaten können meist keine in Deutschland anerkannten Abschlüsse vorweisen, verfügen dessen ungeachtet aber oft über beträchtliche Kenntnisse und Erfahrung. „Im Grunde gibt es nur in Österreich, der Schweiz und mit Abstrichen auch in Luxemburg, den Niederlanden und Dänemark berufliche Ausbildungssysteme, die dem deutschen vergleichbar sind“, sagt Frick.
Während akademische Abschlüsse – etwa für Ärzte – teils in Deutschland anerkannt sind, fehlt es an derartigen Regelungen für Lehrberufe, zumal in vielen Ländern das Prinzip „learning by doing“ gilt. Die Fertigkeiten entsprechen daher nicht unbedingt den Anforderungen der hiesigen Wirtschaft.
Angeboten werden die – stets freiwilligen - Tests von den Arbeitsvermittlern in Jobcentern und Arbeitsagenturen. Im Gespräch mit den Erwerbslosen wird deren Vorwissen erfasst und ebenso, woran es noch hapert. Die Testteilnehmer haben vier Stunden Zeit, um 120 auf ihr jeweiliges Berufsfeld zugeschnittene Fachfragen zu beantworten.
Test in sechs Sprachen möglich
Auf Basis der Ergebnisse wird entschieden, wie es weiter geht: Die schnelle Vermittlung einer Arbeitsstelle ist ebenso denkbar wie die Teilnahme an einer Weiterbildung, das Nachholen des formalen Berufsabschlusses oder auch ein Sprachkurs. „Oftmals scheitern Vermittlungsbemühungen nicht in erster Linie an fehlenden Fachkenntnissen, sondern an der deutschen Sprache“, weiß Frick. Aus diesem Grund werden die Tests nicht allein in Deutsch durchgeführt, sondern auch in Englisch, Russisch, Türkisch, Farsi und Arabisch.
Erfolg auch ohne Abschluss
Dass Erfolg im Beruf nicht notwendig von einem formalen Berufsabschluss abhängt, zeigen Arbeitsmarktstatistiken. Nach Schätzung der Bundesagentur für Arbeit befinden sich mehr als sieben Millionen Menschen ohne abgeschlossene Ausbildung auf dem deutschen Arbeitsmarkt. Die Bertelsmann-Stiftung geht von rund sechs Millionen ungelernten Kräften aus, von denen der weitaus größte Teil einer Berufstätigkeit nachgeht – „zum Teil sehr erfolgreich“, wie Frick anmerkt.
Das zeigt: Auch Kräfte, die weder Lehre noch Studium absolviert haben, aber doch Teilqualifikationen vorweisen können, haben durchaus eine Chance. „Um fachgerecht Bretter zuschneiden zu können, braucht es keinen Gesellenbrief im Schreinerhandwerk“, sagt Frick. Informelle Kompetenzen spielten heute für die Personalpolitik der Unternehmen eine maßgebliche Rolle.
Nach einer Anlaufphase rechnet der Bertelsmann-Experte mit jährlich 50 000 bis 100 000 Teilnehmern am „My Skills“ -Programm. In der Endstufe könne mit einigen Zehntausend Arbeitslosen pro Jahr gerechnet werden, die im Anschluss an den Test in den Arbeitsmarkt vermittelt oder weiter gebildet werden können.