Braunkohlegeschäft in der Lausitz Braunkohlegeschäft in der Lausitz: Energiekonzern Vattenfall wirbt um Bieter

Halle (Saale) - Der Energiekonzern Vattenfall treibt seine Pläne zum Verkauf des Braunkohlengeschäfts in Deutschland voran. Potenzielle Bieter seien ab sofort aufgerufen, ihr Interesse zu bekunden, teilte der schwedische Versorger am Dienstag mit. Damit öffnet das Unternehmen nun wohl die Bücher, welche die Kaufinteressenten vor einer Angebotsabgabe sehen dürfen. Bereits im vergangenen Jahr kündigte Vattenfall an, sich von den Kohle-Aktivitäten trennen zu wollen.
Auch Wassergeschäft wird verkauft
Zum Verkauf stehen die Kraftwerke Jänschwalde und Schwarze Pumpe (beide Brandenburg), Boxberg sowie ein Block der Anlage in Lippendorf (beide Sachsen). Außerdem will Vattenfall die fünf dazugehörigen Tagebaue in der Region loswerden. Auch für zehn Wasserkraftwerke in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen darf geboten werden – wobei der Konzern betont, dass diese nur im Paket mit den Braunkohle-Aktivitäten zu haben sind. Insgesamt will sich Vattenfall von fast 2,5 Milliarden Euro Umsatz trennen. In einer Erklärung der deutschen Niederlassung heißt es ergänzend, dass der gesamte Verkaufsprozess voraussichtlich bis in das Jahr 2016 hinein dauern werde. Trotz der geplanten Veräußerungen betrachte Vattenfall Deutschland weiter als Kernmarkt, wolle sich in Zukunft aber auf das Endkunden-Geschäft sowie auf Wärme, Ökostrom und Netze konzentrieren.
Mibrag äußert Interesse
Überraschend hatte im vergangenen Jahr die Mitteldeutsche Braunkohlengesellschaft (Mibrag) aus Zeitz (Burgenlandkreis) als erstes Unternehmen öffentlich ihr Interesse geäußert. Hinter der Mibrag steht die tschechische Energieholding EPH, die auch Kraftwerke im Nachbarland betreibt. EPH hatte die Mibrag 2009 gekauft und auf Effizienz getrimmt. Mit den Braunkohletagebauen in Profen (Burgenlandkreis) und Vereinigtes Schleenhain (Sachsen) fährt die Mibrag zweistellige Renditen ein.
Auch diverse Finanzinvestoren sollen beim Vattenfall-Deal in den Startlöchern stehen. Kommen jetzt weitere Interessenten dazu, kann der Konzern möglicherweise einen besseren Preis erzielen.
Verantwortungsvoller Investor gewünscht
Das Land Sachsen wünsche sich einen verantwortungsvollen Investor aus der Energiewirtschaft, „nicht irgendeine Heuschrecke oder einen Hedgefonds“, sagte Wirtschaftsminister Martin Dullig (SPD). Obwohl der Freistaat nicht an dem Verkaufsverhandlungen teilhabe, gelte es, Interessen zu wahren. Rund 8.000 Mitarbeiter beschäftigt Vattenfall in der wirtschaftlich eher strukturschwachen Lausitz.
Die Grünen im Landtag und der Umweltverband Grüne Liga warnten vor Unwägbarkeiten für einen neuen Eigentümer. „Grundwasseranstieg, Gifte, Erdrutsche, Verschmutzung von Oberflächengewässern - all das ist für viele Jahrzehnte unberechenbar“, erklärte gestern der energiepolitische Sprecher der Grünen, Gerd Lippold.
Viele Unwägbarkeiten
Vattenfall hat allen Grund, den Verkaufsprozess gerade jetzt zu beschleunigen. In den vergangenen Monaten tobte in Deutschland die Debatte über einen zusätzlichen Klimabeitrag für alte, wenig effiziente Kohlekraftwerke. Kurz vor der Sommerpause gelang es der Braunkohlen-Wirtschaft aber, Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) von seinen Plänen abzubringen. Nach Ansicht der Kraftwerksbetreiber drohte der Verlust tausender Arbeitsplätze. Stattdessen sollen jetzt einige wenige alte Meiler abgeschaltet und für mehrere Jahre in eine neue Kapazitätsreserve überführt werden, wofür die Betreiber stattliche Zahlungen in Millionen-Höhe erhalten.
Vattenfall versucht, das Eisen zu schmieden, so lange es noch heiß ist. Denn niemand weiß, wie lange die Absprache zwischen Gabriel und der Strombranche noch Bestand haben wird. Die Brüsseler EU-Kommission jedenfalls lässt bereits erkennen, dass sie wettbewerbsrechtliche Bedenken hegt. Sollte Gabriel gezwungen sein, seinen Gesetzentwurf grundlegend zu überarbeiten, könnte dies den Wert jener Aktivitäten mindern, die Vattenfall nun verkaufen will. (mz)