Stellenabbau Bombardier: Das bedeutet der Konzernumbau des kanadischen Zug- und Flugzeugherstellers für die deutschen Standorte

Berlin - Endgültig entschieden hat der Aufsichtstrat des kanadischen Zug- und Flugzeugherstellers Bombardier am Freitag noch nicht, an welchen deutschen Standorten wie viele Arbeitsplätze wegfallen werden. Fest steht lediglich, dass das Unternehmen mit Sitz in Montreal weltweit 5000 Jobs in der kriselnden Zugsparte streichen will.
Ungeschoren werden die acht deutschen Standorte dabei gewiss nicht davonkommen. Bombardier hatte sein Bahngeschäft nach der Übernahme der deutschen Adtranz von Daimler im Jahr 2001 in Deutschland konzentriert, so dass ein Stellenabbau auch hiesige Arbeitsplätze betrifft.
Bis Anfang Juli will der Konzern Klarheit über den geplanten Stellenabbau und die Neuordnung der Bahnsparte schaffen, „in enger Abstimmung mit der Arbeitnehmervertretung“, wie das Unternehmen am Freitag mitteilte. Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick.
Warum ist Bombardier so unter Druck?
Die Konkurrenz auf dem Weltmarkt ist von der Zahl her übersichtlich, aber stark. Dazu zählen Siemens, der französische Alstom-Konzern, der Hersteller des japanischen Hochgeschwindigkeitszugs Shinkansen und vor allem der Chinesische Bahnriese CRRC, der 2014 aus einer Fusion der beiden bis dahin führenden Zugherstellern Chinas CNR und CSR hervorging.
Dabei beschränken sich die Chinesen längst nicht mehr auf den heimischen Markt, den sie mit modernen Schnellbahnen, Güterzügen und U-Bahnen beliefern. Sie streben auch auf nordamerikanische und europäische Märkte und sind dabei konkurrenzlos preiswert: Im Wettbewerb um den Auftrag für 284 neue Züge der Bostoner U-Bahn erhielten sie 2015 den Zuschlag.
Das Preisangebot aus Fernost lag mit unter 600 Millionen US-Dollar nur gut halb so hoch wie das von Bombardier. 2016 brachen die Auslandsaufträge für die Bombardier-Bahnsparte gegenüber dem Vorjahr um fast 50 Prozent ein.
Was plant die Konzernspitze an den acht Bombardierstandorten in Deutschland?
In Hennigsdorf bei Berlin sind derzeit 2500 Menschen vornehmlich in der Produktion beschäftigt. An diesem bisher größten deutschen Standort sollen künftig die Entwicklung und der Bau von Test- und Prototypfahrzeugen konzentriert werden. Der Betriebsrat des Werkes befürchtet, dass damit bis zu 900 Arbeitsplätze wegfallen könnten. Im sächsischen Bautzen mit derzeit 1100 Beschäftigten dürfte dem Vernehmen nach die Produktion im Vordergrund stehen.
In der Nachbarstadt Görlitz, wo 1900 Menschen bei Bombardier arbeiten, ist eine Spezialisierung auf Wagenkästen aus Aluminium geplant: Als weltweites Produktionszentrum für Loks wird Kassel genannt. Neue Schwerpunkte entstehen auch in Braunschweig (Signaltechnik), Mannheim (Lokentwicklung) und Siegen (Drehgestelle). Berlin bleibt Verwaltungshauptsitz. Ob dort sämtliche der bisher 500 Stellen gehalten werden können, ist aber nicht sicher.
Können die Maßnahmen Bombardiers Zugsparte langfristig sichern?
Bombardier Transportation hat angekündigt, den Jahresumsatz bis 2020 von zuletzt 7,6 Milliarden auf 10 Milliarden US-Dollar steigern zu wollen. Ob das mit der bisher avisierten Umstrukturierung allein gelingt, erscheint allerdings fraglich. Bereits im vergangenen Jahr hatte Bombardier 1430 Arbeitsplätze in Deutschland abgebaut, dennoch schreibt die Bahnsparte weiter Verluste.
Im ersten Quartal 2017 betrug das Minus des kanadischen Konzerns 31 Millionen Dollar. Immerhin fiel das Ergebnis besser aus als im Quartal 2016, als Verluste von 138 Millionen aufliefen. Eine Möglichkeit, Marktposition und Kapitalausstattung zu stärken, böten Zusammenschlüsse mit Konkurrenten.
Gespräche mit Comac sollen bereits laufen
Mit Siemens wurde bereits wiederholt über eine Fusion der Bahnsparten beider Konzerne verhandelt. Zudem könnte der chinesische Flugzeughersteller Comac bei Bombardier einsteigen. Nach einem Bericht der Financial Times vom Freitag führen die Kanadier bereits seit längerem Gespräche mit dem Konzern aus Fernost, der unlängst erstmals ein eigenes Verkehrsflugzeug in die Luft brachte und den Weltmarktführern Boeing und Airbus Konkurrenz machen will.
Für den hochverschuldeten Bombardier-Konzern, der mit seiner C-Serie als Konkurrenz zum A318 und der Boeing 737 bisher kein Geld verdient, wäre die Finanzspritze höchst willkommen. Den Chinesen böte der Einstieg eine Chance zum Technologietransfer und den Zugang zum nordamerikanischen und europäischen Markt.