1. MZ.de
  2. >
  3. Deutschland & Welt
  4. >
  5. Wirtschaft
  6. >
  7. Betriebsversammlung in Wolfsburg: Betriebsversammlung in Wolfsburg: VW-Chef Müller kündigt radikale Konzernumstrukturierung an

Betriebsversammlung in Wolfsburg Betriebsversammlung in Wolfsburg: VW-Chef Müller kündigt radikale Konzernumstrukturierung an

Von Frank-Thomas Wenzel 06.10.2015, 16:38
Matthias Müller, neuer Vorstandsvorsitzender von VW.
Matthias Müller, neuer Vorstandsvorsitzender von VW. dpa Lizenz

Berlin - Die VW-Belegschaft in Wolfsburg macht sich Mut. Zur Betriebsversammlung kamen viele in T-Shirts mit der Aufschrift „Ein Team – Eine Familie“. Gemeinsam soll die schwere Krise überwunden werden, die durch den Abgasskandal ausgelöst wurde.

Dass es an Eingemachte geht, wurde in der Rede von Vorstandschef Matthias Müller deutlich. Die finanziellen Folgen seien noch nicht absehbar. „Deshalb stellen wir jetzt alle geplanten Investitionen auf den Prüfstand“, sagte er laut Redemanuskript. Und: „Was nicht zwingend erforderlich ist, wird gestrichen oder geschoben.“

Auch das sogenannte Effizienzprogramm werde nachjustiert. „Das wird nicht ohne Schmerzen gehen“, fügte er hinzu. Details nannte er nicht.

Beobachter werten dies als Ansage, dass die Belegschaft nun auch auf mögliche Stellenstreichungen vorbereitet werden soll. Betriebsratschef Bernd Osterloh will davon indes nichts wissen. Es gebe den festen Willen, alles zu tun, um die Beschäftigung zu sichern. Allerdings könne es bei den Boni für die Mitarbeiter Abstriche geben, sagte er während der Betriebsversammlung. Sonderzahlungen für gesamte Belegschaften sind seit einigen Jahren zum Standard geworden.

Gleichwohl kursiert unter Gewerkschaftern die Befürchtung, dass es insbesondere in den Komponentenwerken massive Einschnitte beim Personal geben könnte. Vor allem für die Kernmarke VW stellt der Konzern hierzulande erheblich mehr Bauteile als die Konkurrenten selbst her – teils liegt das Lohnniveau in den Fabriken um ein Drittel über dem bei Zulieferbetrieben.

Volkswagen hat hierzulande insgesamt 28 Produktionsstandorte. Bislang war geplant, dass gut die Hälfte der sogenannten Sachinvestitionen des Konzern für die nächsten fünf Jahre für diese Standorte vorgesehen sind – was jährlich im Schnitt rund sieben Milliarden Euro entspricht. Ein großer Teil des Geldes ist dafür gedacht, um Fertigungsanlagen zu modernisieren, was die Kosten drücken soll. Gut möglich, dass an geplanten Investitionen hier eher wenig gestrichen wird.

Speckulationen über Verkauf ganzer Sparten

Große Fragezeichen stehen nach Einschätzung von Analysten hingegen inzwischen hinter Vorhaben in China – das ist der größte Markt für den Konzern. Bis 2019 sollten 22 Milliarden Euro in neue Werke und Produkte investiert werden. Doch in der Volksrepublik lahmt die Konjunktur. Die Nachfrage hat heftig nachgegeben. Die Konzernmarke Audi musste zuletzt seine Absatzprognose zurückschrauben.

Branchenkenner in den Banken halten es für möglich, dass hier einige Projekte auf Eis gelegt werden. Zur Disposition könnten auch geplante Vorhaben in den Randsparten des Konzerns stehen. Dazu zählen die Motorradmarke Ducati, die Sportwagenbauer Lamborghini und Bugatti und die Nobellimousinen von Bentley – das sind alles Aktivitäten, die als teure Hobbys des geschassten Aufsichtsratschefs Ferdinand Piech gelten. Auch über den Verkauf ganzer Sparten wurde spekuliert.

Müller erläuterte auf der Betriebsversammlung vor mehr 22.000 Beschäftigten auch, wie der Konzern hierzulande mit den 2,8 Millionen Diesel-Fahrzeugen umgehen will, bei denen die Abgaswerte mittels Bordsoftware manipuliert werden. Das Unternehmen habe Websites eingerichtet, auf denen Kunden anhand der Fahrgestellnummer überprüfen könnten, ob ihr Fahrzeug betroffen sei.

Zudem würden die Fahrzeughalter „in diesen Tagen“ vom Unternehmen informiert. Die Volkswagen-Manager wollen zugleich beim Kraftfahrtbundesamt (KBA) „kurzfristig“ die Genehmigungen für technische Lösungen einholen, mit denen die Abgaswerte verbessert werden sollen. „Teilweise wird dabei eine Überarbeitung der Software ausreichen“, sagte Müller. Aber auch zusätzliche Eingriffe an der Hardware seien bei einem Teil der Autos notwendig.

Entzug der Zulassung droht

Am heutigen Mittwoch muss Volkswagen dem KBA Lösungsvorschläge präsentieren, ansonsten droht der Entzug der Zulassung, die Autos dürften dann nicht mehr auf öffentlichen Straßen fahren.

Über die Höhe der Kosten zur Bewältigung des Abgas-Skandals machte Müller keine Angaben. Branchenkenner wie der NordLB-Analyst Frank Schwope erwarten, dass der Konzern mit mindestens 30 Milliarden Euro kalkulieren muss. Hinzu kommen noch Einbußen durch einen geringeren Absatz. Wie stark der ausfällt, ist noch nicht absehbar.

Am Dienstag wurde gemeldet, dass die Verkäufe in Südkorea deutlich zurückgegangen sind. Aus Großbritannien wurde hingegen ein Plus gemeldet. Am heutigen Mittwoch steht die nächste Krisensitzung des Aufsichtsrats an. Dabei soll Hand Dieter Pötsch als neues Mitglied des Gremiums bestätigt werden.

Demonstrativer Zusammenhalt bei VW trotz Konzernkrise
Demonstrativer Zusammenhalt bei VW trotz Konzernkrise
dpa Lizenz
Mehr als 22.000 Angestellte nahme an der Betriebsversammlung teil.
Mehr als 22.000 Angestellte nahme an der Betriebsversammlung teil.
dpa Lizenz