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Fliegende Taxis  Bayrisches Start-up "Lilium" baut Elektrojet

Von Thomas Magenheim 02.05.2017, 09:30
Der zweisitzige Lilium-Prototyp hebt unbemannt und ferngesteuert am 20. April auf einem Flugplatz in Mindelheim ab.
Der zweisitzige Lilium-Prototyp hebt unbemannt und ferngesteuert am 20. April auf einem Flugplatz in Mindelheim ab. Lilium

München - Fliegende Taxis sind spätestens seit dem Kultfilm „Das fünfte Element“ mit Schauspieler Bruce Willis am Steuer ein Begriff. Abseits von Science Fiction basteln aber heutzutage mindestens ein Dutzend Firmen an dieser Technologie, und wenn das Start-up Lilium in Gilching bei München nicht flunkert, hat es dabei die Nase vorn.

Auf einem Flugfeld im schwäbischen Mindelheim hat der Lilium Jet jedenfalls vor wenigen Tagen zum Jungfernflug abgehoben, senkrecht und elektrisch, was jeder per Video im Internet nachvollziehen kann. „Wir haben einige der schwierigsten technischen Herausforderungen der Luftfahrt gelöst, um zu diesem Punkt zu kommen“, sagt Lilium-Mitgründer Daniel Wiegand.

Zusammen mit drei anderen Absolventen der Technischen Universität München hat der Luftfahrtingenieur 2015 Lilium gegründet und kann bereits zwei Jahre später ein Flugobjekt vorweisen. Noch war der Erstflug unbemannt und ferngesteuert. Aber der Tesla der Lüfte ist bereits problemlos vom Steig- in den Gleitflug übergegangen und hat einige Manöver in der Luft ausgeführt, die Hoffnung machen.

Weitere Investoren werden benötigt

Das findet auch der Bonner Investor Frank Thelen, der einem TV-Publikum durch die Gründer-Show „Höhle des Löwen“ bekannt ist und bereits in erfolgreiche Projekte wie die App Mytaxi investiert hat. Flugtaxis sind allerdings eine andere Größenordnung. „Lilium ist der Privatjet für jedermann“, sagt Thelen. Anfangs habe alles gegen die Idee gesprochen, weil bislang alle von Privatpersonen finanzierten Versuche, ein Flugzeug zu bauen, gescheitert sind. Aber nun habe mit dem Lilium Jet der erste vollelektrische Senkrechtstarter abgehoben.

Die Pläne könnten hochfliegender kaum sein. Soeben hat der US-Fahrdienstanbieter Uber für 2020 erste Testflüge mit Flugtaxis angekündigt. Lilium will dafür ein Lieferant sein. „Wir sind die Einzigen, die haben, was Uber will“, meint Thelen selbstbewusst. Man suche in Bayern bereits mit politischer Unterstützung einen Produktionsstandort, sagt der 41-jährige Investor.

Zusammen mit dem Co-Gründer von Skype, Niklas Zennström, hat er bereits gut zehn Millionen Euro in Lilium gesteckt. Angepeilt werde eine Flugtaxi-Fabrik für mehrere tausend Elektrojets jährlich, was weitere Investitionen in dreistelliger Millionenhöhe erfordere. Wegen dieser Dimension brauche es dazu andere Finanzpartner als ihn und Zennström.

Verwirklichung und Kommerzialisierung des Projekts

Den ersten bemannten Flug peilt Lilium für 2019 an. Ein Jahr später soll der Jet dann zur Weltausstellung Expo in Dubai erstmals öffentlich vorgeführt werden, weil es dort in puncto Zertifizierung und Zulassung unkomplizierter als hierzulande zugehe. 2023 will Uber dann im texanischen Dallas regulär Lufttaxis einführen.

Erst 2025 könnte es dann auch in Europa so weit sein, was aber nicht technologisch, sondern behördlich bedingt ist, sagt Thelen. „Bei Flugtaxis haben diesmal wir Deutschen technologisch die Nase vorn“, meint er mit Blick auf moderne Errungenschaften wie soziale Netzwerke oder Internet-Suchmaschinen, wo das nicht so war.

Luftfahrtexperten, die vor einem mit Drohnen für den Warentransport und Flugtaxis gefährlich überfüllten Luftraum hierzulande warnen, nennt der Bonner schlicht Bedenkenträger. „Wir haben genug Platz dort oben, viel mehr als unten auf den Straßen“, hält er entgegen.

Schneller und günstiger von Manhatten zum JFK-Flughafen

Ansprechen soll der in Zukunft einmal fünfsitzige Elektrojet primär Berufspendler und fliegen als tägliches Transportmittel für jeden erschwinglich machen. Es gelte dem Stau in dicht besiedelten Gebieten zu entgehen und die Straßen mit einem schadstofffreien Verkehrsmittel zu entlasten. An Privatpersonen verkaufen wolle man die Elektrojets zumindest anfangs nicht, weil der Taxi-Betrieb und eine möglichst große Breitenwirkung im Vordergrund stünden.

Laut Erfinder Wiegand ist der Flugtaxi-Passagier mit dem bis zu 300 Kilometer pro Stunde schnellen Jet fünfmal fixer unterwegs als per Auto. Historisch vergleichbar sei das mit dem Umstieg vom Fahrrad aufs Automobil. Sein technologischer Ansatz sei dabei auch sehr kostengünstig vor allem im Vergleich zu Konkurrenzideen, die auf rotorenbasierte Drohnentechnologie setzen. Der Lilium Jet mit einer Reichweite von 300 Kilometern verbrauche 90 Prozent weniger Energie als diese und nicht mehr Strom pro Kilometer als ein Elektroauto.

Das Preisbeispiel auf der Internetseite von Lilium sei jedenfalls ernst gemeint. Dort wird eine herkömmliche Taxifahrt vom New Yorker JFK-Flughafen nach Manhattan mit einem Lilium-Taxiflug verglichen. Ersterer koste heute zwischen 56 und 73 Dollar bei rund 55 Minuten Fahrzeit. Für Lilium kalkuliert sein Schöpfer mit anfangs 36 Dollar, die rasch auf 13 Dollar fallen sollen, buchbar per App am Smartphone.