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Azubi-Serie Teil 2: Ausbildung bei Feldbinder  Azubi-Serie Teil 2: Ausbildung bei Feldbinder : Praxisnähe als Erfolgsfaktor

Von Ralf Böhme 26.08.2014, 07:22
Ausbilder Mathias Kuhne (Mitte) und die beiden Lehrlinge Paul Gerlitz (links) und Sebastian Wesemeier erörtern die nächsten Arbeitsschritte. Die Firma Feldbinder in Wittenberg fertigt Spezialtankfahrzeuge für den Einsatz auf Straßen und Schienen. Das Unternehmen gehört mit 52 Lehrlingen zu den wichtigsten Ausbildungszentren in der Region.
Ausbilder Mathias Kuhne (Mitte) und die beiden Lehrlinge Paul Gerlitz (links) und Sebastian Wesemeier erörtern die nächsten Arbeitsschritte. Die Firma Feldbinder in Wittenberg fertigt Spezialtankfahrzeuge für den Einsatz auf Straßen und Schienen. Das Unternehmen gehört mit 52 Lehrlingen zu den wichtigsten Ausbildungszentren in der Region. A. Stedtler Lizenz

Wittenberg - Funken sprühen. Ein Anblick, der Laien imponiert, Fachleute jedoch kalt lässt. Ihnen geht es nur um die präzise gezogene, extrem belastbare Schweißnaht. Die Lehrlinge Paul Gerlitz und Sebastian Wesemeier haben diese Herausforderung gemeistert. Ausbilder Mathias Kuhne protokolliert die Leistungen und bestätigt: „Das sieht gut aus.“

Schauplatz der Abnahme ist eine Riesenhalle am Rande des Fläming. Hier fertigt die Wittenberger Firma Feldbinder ihre Spezialtankfahrzeuge. Güter, die damit transportiert werden, sind teuer und mitunter gefährlich. Zum Beispiel kann so ein Behälter auf Rädern so viel Wein wegschleppen, dass damit gut und gerne 40.000 Flaschen abgefüllt werden können. Fatal, wenn da der Behälter einen Riss hätte...

Ausbildung zum Konstruktionsmechaniker, Elektriker oder Logistiker

Der Anspruch, Fehler zu vermeiden, muss nach Auffassung von Ausbildungsleiter Dirk Müller auch die Lehrlingsausbildung bestimmen. Das beginne beim Suchen und Finden geeigneter Bewerber. Würde man diesen Aufwand scheuen, riskierte das Unternehmen eine Überalterung der Belegschaft. Dass Feldbinder in Wittenberg auf dem richtigen Weg sei, könne man an der guten Mischung zwischen jungen und älteren Mitarbeitern: Etwa jeder Zweite der 450 Beschäftigten ist unter 35 Jahre, darunter 52 Lehrlinge.

Gegenwärtig werden Konstruktionsmechaniker, Elektriker oder Logistiker ausgebildet. Wie gut ihr Konzept ist, haben die Wittenberger inzwischen beurkundet. Ihr überdurchschnittliches Bemühen gipfelt in dem von der Industrie- und Handelskammer verliehenen Titel: „Top-Ausbildungsbetrieb“. Dazu gehört: Kein einziger Ausbildungsplatz bleibt ungenutzt. So können auch Hauptschulabsolventen ihre Chance erhalten. Der Erfolg, Vorurteile wegzulassen, Lehrlinge zu fördern und zu fordern, gibt Feldbinder recht. Die Abbrecher-Quote in der Lehre liegt praktisch bei Null.

Fast jeder vierte Facharbeiterplatz in Sachsen-Anhalt kann nicht besetzt werden. Kein Wunder, in 40 Prozent der Betriebe gibt es unbesetzte Ausbildungsplätze. Nur im Verkaufsbereich übersteigt die Zahl der Bewerber das Angebot. Ansonsten sind praktisch sämtliche Branchen betroffen.

Volker Becherer, der Abteilungsleiter berufliche Bildung der Handwerkskammer Halle: „Die Folgen der demografischen Entwicklung, immerhin haben sich die Zahlen der Schulabgänger gegenüber 2007 mehr als halbiert, sind dramatisch.“

Sogar Lehrstellen, die traditionell hoch in der Gunst von Jugendlichen stehen, blieben jetzt manchmal sogar unbesetzt. Das lässt ein Blick in die aktuelle Lehrstellen-Börse ahnen.

Arbeitgeber suchen händeringend noch 42 junge Leute, die Kfz-Mechatroniker werden wollen. Mindestlohn hin oder her, wer will noch Friseur werden? 19 freie Stellen gibt es zur Zeit. Ob Anlagenmechaniker (28), Elektriker (27), Gebäudereiniger (15) oder Konditor (10) - die Bewerber, sofern die Noten nur annähernd akzeptabel sind, haben in in diesem Ausbildungsjahr die Qual der Wahl.

Praxis steht im Vordergrund

Vor dem Hintergrund, dass sich die Bewerberzahlen landesweite gegenüber 2007 mehr als halbiert haben, muten solche Ergebnisse fantastisch an. Was macht Feldbinder anders als viele andere Unternehmen, in denen 20 bis 50 Prozent der jungen Leute vorzeitig aufgeben? Ausbildungsleiter Müller: „Klagelieder bringen gar nichts, machen nur die Stimmung kaputt.“ Probleme erkennen und angehen - das sei die Devise bei Feldbinder. Drei Defizite im System, die man den Jugendlichen aber nicht anlasten könne, gelte es auszugleichen.

Erstens: Erlebnisse direkt in der Produktion haben die meisten Schüler nicht. Wie aber sollen junge Leute sich vernünftig entscheiden, wenn sie nicht wissen, was in den Betrieben läuft?

Zweitens: Viele Bewerber haben ihm zufolge noch nie eine Feile in der Hand gehalten, ihnen fehlen technisches Verständnis und Fertigkeiten.

Drittens: Schulische Zensuren vermitteln oft eine verzerrte Vorstellung vom tatsächlichen Leistungsstand. Wer beispielsweise nur 25 oder 30 Prozent der Aufgaben löst, könne von den Lehrern dennoch mit „genügend“ benotet werden.

Aus dieser schwierigen Gesamtsituation das Beste zu machen, bedeutet für Müller: „Wir suchen und finden die Auszubildenden, die zu uns passen.“ Mit einer Stellen-Börse im Internet sei da, so seine Erfahrung, noch kein Durchbruch zu erreichen.

Enge Zusammenarbeit mit Schulen und Jugendeinrichtungen

Das Unternehmen Feldbinder setzt deshalb auf die enge Zusammenarbeit mit Schulen und Jugendeinrichtungen in der Region. Nichts könne das direkte Gespräch, den unmittelbaren Eindruck ersetzen. Dazu gehe man natürlich in die Klassen, aber noch viel stärker wirkten Einladungen in den Betrieb. Müller: „Danach flattern Praktikumsanfragen wie von selbst auf den Schreibtisch.“

Zahlreiche Ausbildungsstellen gibt es im Internet unter:

www.azubis.de

www.jobboerse.arbeitsagentur.de

www.hwkhalle.de

Insgesamt gibt es in diesem Jahr 120 Bewerber auf die ausgeschriebenen zwölf Stellen. Zu Beginn ihrer Lehre durchlaufen alle Azubis einen Grundlehrgang. Dabei stehen einfache Fertigkeiten wie Feilen, Bohren, Sägen, Technisches Zeichnen, Rechnen und Schreiben auf dem Programm. Erst danach wechseln die Lehrlinge in die einzelnen Bereiche des Unternehmens, wo sie von Ausbildungsverantwortlichen betreut werden. Die Ausbildungspläne sind in Module unterteilt, die dann teils individuell an den Bedarf des Lehrlings angepasst werden.

Müller zufolge werde trainiert, bis es klappt. „Wer Facharbeiter ist, muss fit sein.“ Erst dann habe sich die vierjährige Investition in die Berufsausbildung eines Jugendlichen gelohnt - für beide Seiten. Inzwischen steige sogar die Zahl derer, die ihre Lehre wegen ausgezeichneter Leistungen vorfristig beenden dürfen. So falle es dem Unternehmen nicht schwer, den Lehrlingen eine Übernahme-Garantie zu versprechen - und einzuhalten. Natürlich lockten bei guten Leistungen jährliche Prämien oder auch ein Fahrsicherheitstraining.