Autonomes Fahren Autonomes Fahren : Ein Neuland in Sachen Ethik und Haftung im Ernstfall

In den Innenstädten ist es still geworden. Fast lautlos fließt der Verkehr, denn außer Fußgängern und Radfahrern sind nur noch elektrisch getriebene Busse und Autos unterwegs, autonom, untereinander vernetzt, ohne Frau und Mann am Steuer.
Klingt wie Sciene Fiction, soll jedoch bald Alltag werden
In ländlichen Gebieten decken fahrerlose Shuttledienste die Transportbedürfnisse der Anwohner ab. Auf Autobahnen rollt der Verkehr ebenfalls weitgehend automatisiert: Vernetzte PKW nutzen ohne menschliches Zutun die mittlere und linke Spur, auf der rechten steuern Computer Lastwagen im Konvois-Modus. Die Zahl schwerer Unfälle und der Verkehrstoten ist stark gesunken, ebenso der Schadstoffausstoß.
Was wie Science Fiction klingt, könnte nach Ansicht des Bundesverbands der Verbraucherzentralen (Vzbv) bereits in 15 oder 20 Jahren Verkehrsalltag in Deutschland sein. „Die automatisierte Mobilität auf Straßen und Schienen nimmt rasant zu, diese Technologie wird sich schneller durchsetzen, als viele Menschen das heute erwarten“, glaubt Vzbv-Vorstand Klaus Müller.
Allerdings birgt die schöne neue Verkehrswelt nach Ansicht der Verbraucherschützer nicht nur Vorteile, sondern auch Risiken. Zum Einen stellen sich Haftungsfragen: Wer trägt Verantwortung für Unfälle? Für Sachschäden, Verletzte oder gar Tote? Der Fahrzeughalter, der aber kein Fahrer im herkömmlichen Sinne mehr ist? Oder der Hersteller?
Mit dem neuen System stellen sich neue Fragen
Zum anderen berührt das autonome Fahren Datenschutzfragen: Um sicher durch Stadt und Land zu navigieren, müssen die Auto-Bordcomputer enorme Datenmengen erfassen und verarbeiteten, etwa um Schilder, Rollstuhlfahrer, Bordsteine, Fußgänger und Ampeln als solche erkennen und die richtigen Schlüsse daraus ziehen zu können. Zugleich aber werden zum Beispiel auch Routen, Geschwindigkeiten, die Position des Fahrersitzes, Radionutzung und Uhrzeiten erfasst. Daten mithin, aus denen sich aussagekräftige Profile der Fahrzeughalter erstellen lassen.
So gelang es dem Fahrdienstleister Uber vor wenigen Jahren, aus Bewegungsprofilen erschreckend treffsicher auf sexuelle Gewohnheiten einzelner Kunden zu schließen. Wer zum Beispiel am Wochenende eine Fahrt zwischen 22 Uhr abends und 4 Uhr morgens bucht und vier bis sechs Stunden später eine weitere Fahrt in einem Radius von etwa 160 Metern des Absetzungspunktes anfordert, hat mit hoher Wahrscheinlichkeit einen One-Night-Stand hinter sich.
Inwieweit sich solche Erkenntnis kommerziell verwerten ließe, sei dahingestellt. Dass aber Daten grundsätzlich für die Werbewirtschaft Gold wert sind, ist kein Geheimnis. Längst hat die mit dem autonomen Fahren einhergehende Datenflut Begehrlichkeiten geweckt. Hersteller, Versicherungen und Werkstätten rangeln darum, wer – möglichst exklusiv - Zugriff erhalten soll.
Eine neue Dimension des Datenschutzes wird notwendig
Aus Sicht der Verbraucherschützer ist die Antwort klar: Herr über personenbezogene Daten darf allein der Mensch sein, dem sie gehören. Nicht von ungefähr hat das Bundesverfassungsgericht das „Recht auf informationelle Selbstbestimmung“ zu einem Grundrecht des Datenschutzes erhoben.
Vor diesem Hintergrund hat der Vzbv Forderungen an die Bundesregierung formuliert, die sowohl Datenschutzbelangen als auch Haftungsfragen Rechnung gelten; und die laut Müller in eine Änderung des Straßenverkehrsgesetze einfließen müssen, die sich derzeit in der Ressortabstimmung der Bundesregierung befinde und zahlreiche Schwächen aufweise.
Liegt Verantwortung der Unfälle beim Hersteller?
So müsse beim hochautomatisierten Fahren die Verantwortung für Unfälle und damit die Haftung eindeutig den Herstellern zugewiesen werden. Fahrzeughalter und Passagiere dürften nicht als Rückfall-Sicherheit in Anspruch genommen werden, sobald der digitale „Fahrer“ versagt. „Wenn die Hände vom Lenker genommen werden dürfen und fahrfremde Tätigkeiten wie etwa Lesen gestattet sind, kann man von den Haltern nicht gleichzeitig eine Rest-Aufmerksamkeit verlangen, um im Falle eines Falles einzugreifen.
Das überfordert die Menschen“, findet Vzbv-Verkehrsexpertin Marion Jungbluth. Zugleich dürfe automatisiertes Fahren nicht zur Pflicht werden: Der Einzelne müsse die Wahl haben, sein Fahrzeug weiterhin selbst auf eigene Verantwortung zu lenken. Beides ist nach Ansicht des Vzbv im Gesetzentwurf nicht hinlänglich präzise geregelt.
Auch mit Blick auf den Datenschutz sei der Entwurf „dringend zu überarbeiten“, fordert der ehemalige Bundesinnenminister Gerhard Baum, der für den Vzvb ein Rechtsgutachten zum autonomen Fahren erstellt hat. Es müsse geregelt werden, dass Daten möglichst sparsam und wo immer möglich anonymisiert erhoben und verarbeitet werden.
Algorithmen-Tüv für die Sicherung der Daten
Vzbv-Chef Müller plädiert überdies für ein zentrales Datenzentrum, das als neutrale Treuhänder individuelle Daten verwaltet und sie vor dem unautorisierten Zugriff der Autohersteller und anderer Unternehmen schützt. Zudem solle eine Art Algorithmen-TÜV vor die Zulassung eines Autos geschaltet werden.
Dessen ungeachtet bleiben zahlreiche Fragen offen: Wer trägt letztlich für die Sicherheit der Daten Verantwortung? Wie sollen autonome Fahrzeuge eine zwar extrem seltene, aber eben doch denkbare Dilemma-Situation lösen, in der es etwa um das Abwägen des Lebens der Passagiere dem Leben von Passanten geht?
Was, wenn ein Halter dem digitalen Fahrer das Heft aus der Hand nimmt, um ein Unglück zu verhindern, und es kommt dennoch zum Unfall mit Toten und Verletzten? Ethische Leitsätze hierfür müssten laut Vzbv in einem öffentlichen Diskurs entwickelt und dann vom Bundestag verbindlich für Hersteller, Halter und Versicherungen verabschiedet werden.