Auswirkungen der EZB-Entscheidung Auswirkungen der EZB-Entscheidung: Jetzt ist die beste Zeit für Kredite

Berlin - Mario Draghi, der Chef der Europäischen Zentralbank, hat am Donnerstag die größte Kanone in Stellung gebracht, über die sein Haus verfügt: Um die schwache Konjunktur in der Eurozone und einen drohenden Preisverfall auf breiter Front zu bekämpfen, will die EZB im großen Stil Staatsanleihen aufkaufen und auf diese Weise mehr als 1000 Milliarden Euro zusätzlich in die Finanzmärkte feuern. Was heißt das für die Verbraucher? Ein Überblick.
SPARER: Die Geldflut der EZB soll mindestens bis September 2016 anhalten. Das deutet darauf hin, dass bis dahin auch die Leitzinsen, zu denen sich Geschäftsbanken Geld bei der Zentralbank borgen können, extrem niedrig bleiben werden. Andernfalls würde die Maßnahme ja konterkariert. Eine Folge: Wer als Privatkunde seiner Bank Geld leiht, wird auch weiterhin nur magere Guthabenzinsen bekommen. Bei Tagesgeld-Konten etwa liegt der Zinssatz im besten Falle bei etwas über einem Prozent, häufig aber auch deutlich darunter. Auch das klassische Sparbuch bringt nur einen lächerlich geringen Ertrag. Sparkassen-Präsident Georg Fahrenschon warnt davor, dass „eine Generation von Sparern“ zum Verlierer der EZB-Geldpolitik werden könnte.
BAUHERREN: Des einen Leid, des anderen Freud‘: Die Kehrseite der Minizinsen sind billige Darlehen. Davon profitieren insbesondere Verbraucher, die eine Wohnung oder ein Haus erwerben wollen. Baugeld ist bereits jetzt zum Schleuderpreis zu haben. Wer sich etwa 100.000 Euro bei einer Vertragslaufzeit von zehn Jahren leihen will, zahlt derzeit bei einigen Anbietern weniger als 1,5 Prozent Zinsen pro Jahr. Auch Verbraucherkredite, etwa für die Anschaffung eines Autos oder von Möbeln, sind günstig zu haben. Es gibt allerdings einen Bereich, bei dem die Banken gar nicht daran denken, die niedrigen Zinsen im großen Stil an ihren Kunden weiterzugeben: Wer den Dispo-Kredit seines Girokontos in Anspruch nimmt oder diesen sogar noch überzieht, wird von den Geldhäusern weiterhin hemmungslos geschröpft. Zinsen von mehr als zehn Prozent sind hier keine Seltenheit.
Aktienmarkt profitiert
AKTIEN: Die Aktienmärkte finden die Geldschwemme der EZB großartig. Der Deutsche Aktienindex übersprang am Freitag erstmals in seiner Geschichte die Marke von 10.600 Punkten. Wenn die EZB den Geschäftsbanken im großen Stil Staatsanleihen abkauft, dürfte ein beträchtlicher Teil dieses Geldes anschließend an den Aktienmarkt wandern und den Kursen dort weiteren Auftrieb verleihen. Angesichts der mageren Zinsen für Spar-Produkte könnte es auch für viele Verbraucher interessant sein, einen Teil ihres Geldes am Aktienmarkt zu investieren. Ob und welche Aktien man kauft, sollte jedoch in jedem Fall gut überlegt sein. Denn an der Börse kann man nicht nur viel Geld verdienen, sondern auch sehr viel verlieren. Verbraucher mit wenig Erfahrung sollten sich gegebenenfalls an unabhängige Beratungsstellen wenden. Grundsätzlich birgt der große Geldzufluss am Aktienmarkt die Gefahr, dass neue Blasen entstehen. Das Gleiche gilt für den Immobilienmarkt.
LEBENSVERSICHERUNGEN: Weil sichere Geldanlagen nur wenig abwerfen, fällt es den Lebensversicherern zunehmend schwer, die hohen Renditeversprechen für Altkunden zu erfüllen. Die so genannten Überschussbeteiligungen sind rückläufig. Neukunden erhalten seit Jahresbeginn nur noch einen Garantiezins von mageren 1,25 Prozent, in der Vergangenheit waren es teilweise bis zu vier Prozent. Die Lebensversicherer stecken das Geld ihrer Kunden überwiegend in Staatsanleihen. Diese will die EZB jetzt im großen Stil aufkaufen – was dazu führen wird, dass deren Rendite sinkt.
Euro verliert weiter an Wert
AUSLAND: Durch die Geldflut verliert der Euro gegenüber anderen Devisen weiter an Wert, insbesondere gegenüber dem US-Dollar. Am Freitag kostete ein Euro nur noch 1,12 Dollar – das ist der niedrigste Stand seit elf Jahren. Für Urlauber heißt das, dass Reisen in Länder außerhalb des Euroraums in vielen Fällen noch teurer werden. Das gilt für die USA. Aber beispielsweise auch für die Schweiz, deren Franken gegenüber dem Euro ebenfalls stark an Wert gewonnen hat. Produkte aus diesen Ländern, die in die Eurozone eingeführt werden, verteuern sich für hiesige Kunden ebenfalls. Umgekehrt profitieren europäische Exporteure: Ihre Waren werden für Kunden aus Drittländern billiger, was die Nachfrage ankurbeln dürfte.
ERDÖL: Der schwache Euro macht Rohöl-Produkte tendenziell teurer, denn an den internationalen Rohöl-Märkten wird in Dollar gehandelt. Allerdings sind die Notierungen an diesen Märkten in den vergangenen Monaten so stark eingebrochen, dass Kraftstoff und Heizöl für die europäischen Kunden derzeit trotzdem so günstig sind wie seit vielen Jahren nicht mehr. Erst wenn die Notierungen wieder kräftig steigen, wird hier der schwache Euro zum Problem.