Ausbildung und Jobchancen Ausbildung und Jobchancen: Piloten-Nachwuchs der Lufthansa geht auf die Barrikaden

Frankfurt a.M. - Der Piloten-Nachwuchs der Lufthansa meutert. Denn immer länger wird die Schlange der angehenden Flugzeugführer, die auf den Abschluss ihrer Ausbildung warten – das dauert bis zu sieben Jahre. Zugleich befürchten die Flugschüler, dass sie in die neue Billigsparte des Konzerns abgeschoben werden.
Auf einer Konferenz im Lufthansa-Schulungszentrum im südhessischen Seeheim Ende Mai hat das Management den Azubis fürs Cockpit die Instrumente gezeigt. So etwas wie Marktstände waren dort aufgebaut, an denen konnten sie sich über die Perspektiven für ihre berufliche Zukunft informieren. Drei Möglichkeiten wurden ihnen präsentiert: Wait, Move oder Leave: Sie können entweder weiter warten auf eine Anstellung in der Kernsparte oder sich zu einer der Tochter-Airlines bewegen oder das Unternehmen verlassen. Seit dies unterbreitet wurde, wachsen Wut und Verärgerung unter den Nachwuchsflugzeugführer - Lufthansa-Jargon: NFF.
Umgang wird „von Monat zu Monat unverschämter“
In einem dramatischen Appell an die aktiven Kapitäne und Co-Piloten bitten sie nun um deren Unterstützung: „Wir sind keine Ware, die an Marktständen zum billigsten Preis gehandelt wird“, heißt es in dem Papier, das dieser Zeitung vorliegt. Und weiter: „Wir akzeptieren es nicht, dass wir trotz Bedarfs einzig und allein aufgrund von unternehmerischen Dogmata weiterhin nicht angestellt werden.“ Die Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit steht hinter den Forderungen der Flugschüler. In einer internen Mitteilung wird der „von Monat zu Monat unverschämtere Umgang mit unseren NFFs“ beklagt – dieses Thema gehört auch zu den strittigen Punkten im Tarifkonflikt bei Deutschlands größter Airline. Die VC hat Anfang der Woche bereits die Vorverhandlungen für gescheitert erklärt und droht nun mit abermaligen Streiks.
Laut Lufthansa gibt es derzeit insgesamt rund 850 Flugschüler. Zunächst machen sie eine zweijährige Ausbildung an der konzerneigenen Flugschule in Bremen, 70000 Euro muss jeder Pilot in spe als Eigenanteil aufbringen. Um schließlich den Pilotenschein fürs Fliegen eines Verkehrsflugzeuges zu bekommen, müssen sie abschließend fünf Monate bei einer Airline des Konzerns erste Erfahrungen im Alltag sammeln. Danach wurden sie bislang nahtlos in den regulären Dienst integriert. Mehr als 500 NFF warteten derzeit entweder auf den Praxisteil oder befänden sich „in befristeter Anstellung bei einer der Group-Airlines“, sagt ein Lufthansa-Sprecher, der einräumt, dass die Warteschlange länger geworden ist. Auch weil die Kernsparte des Konzerns, Lufthansa Passage genannt, keine Neuen mehr nimmt.
Hohes Gehalt ein Hauptgrund des Einstellungsstopps
Der Hauptgrund für den Einstellungsstopp liegt in der Bezahlung. Bei der LH-Passage, aber auch bei Lufthansa Cargo und Germanwings gilt der Konzerntarifvertrag (KTV), der unter anderem Gehälter bis zu 225000 Euro brutto jährlich für einen Kapitän bietet. NFF wurden zuletzt zu den Töchtern Austrian Airlines, Brussels Airlines, dem Regionalflieger Lufthansa-Cityline oder der schweizerischen Edelweiss Air vermittelt, wo die Piloten deutlich weniger verdienen. Lufthansa-Personalvorstand Bettina Volkens hat in dieser Woche in einem Schreiben an alle Cockpit-Mitarbeiter denn auch unmissverständlich klar gemacht: „Nachwuchsflugzeugführer stellen wir nicht in die sogenannten KTV-Gesellschaften ein, weil diese in vielen Teilen nicht wettbewerbsfähig sind.“ Das Unternehmen setze aber alles daran, angehenden Piloten möglichst bald einen Job anzubieten. „140 NFF konnten wir bereits Cockpit-Arbeitsplätze anbieten“, fügt sie hinzu.
Für VC-Sprecher Jörg Handwerg ist das Verhalten des Managements nicht akzeptabel. Den Nachwuchsfliegern stehe zu, in der Kernsparte die Ausbildung zu beenden und dann dort auch weiter zu arbeiten. Ferner seien die Wartezeiten, die bis zu sieben Jahre inzwischen betrügen, längst unzumutbar, auch angesichts der Schulden von 70000 Euro. Die Strategie des Vorstandes ziele ganz klar darauf ab, den Nachwuchs systematisch zu den Billigablegern des Konzerns zu drängen.
Nachwuchs muss mit deutlich niedrigerem Gehaltsniveau rechnen
Dabei geht es nicht nur Austrian und die anderen bereits aktive Ableger. Im Zentrum wird künftig Eurowings stehen, die soll die neue Billigmarke des Konzerns werden. Hier ist die „Ausgestaltung der tariflichen Bedingungen noch nicht abgeschlossen“, heißt es bei der Lufthansa. Doch Konzernchef Carsten Spohr plant, dass Eurowings mit bislang bei der Lufthansa unerreicht niedrigen Kosten operiert, 40 Prozent unter denen der LH-Passage sollen sie liegen und sich mit denen der Konkurrenten Easyjet und Ryanair messen lassen. 40 Prozent weniger - in dieser Größenordnung würden sich auch die geplanten Abstriche bei der Bezahlung der Eurowings-Piloten bewegen, heißt es in Konzernkreisen. Auf den Nachwuchs warten also auch ganz neue Gehaltsniveaus.
Das Prinzip vom Flugschüler bis Niedriglohn-Piloten hat für Handwerg indes eine bemerkenswerte Pointe. Der Einstellungsstopp bei LH-Passage habe inzwischen dort zu massivem Personalmangel geführt. Auch im Appell der Nachwuchsflieger wird erwähnt, dass „massive Überstunden“ bei Piloten anfielen und Flugzeuge bald „nicht mehr bereedert“ werden können. Letzteres bestreitet der Lufthansa-Sprecher. Er räumt aber ein, dass bei den Piloten für bestimmte Flugzeugtypen mehr Flugstunden angefallen seien wegen eines erhöhten Schulungsaufwandes bei deren Kollegen, was mit den bereits laufenden Umstrukturierungen im Unternehmen zu tun habe.