Harz und Börde gehen vorweg Arbeitslosenquoten Sachsen-Anhalt: Harz und Börde gehen vorweg - Landkreise sind sehr unterschiedlich - Warum das so ist.

Halle (Saale) - Innerhalb Sachsen-Anhalts schwankt die Arbeitslosigkeit deutlich. Schlusslicht ist der Landkreis Mansfeld-Südharz mit einer Arbeitslosenquote von 8,9 Prozent. Im Nachbarkreis Harz sind es dagegen nur 5,1 Prozent. Was sind die Gründe für die großen Unterschiede? Die MZ hat dazu statistische Daten der Landesarbeitsagentur, des Statistischen Landesamtes und der Norddeutschen Landesbank (Nord/LB) ausgewertet.
Mansfeld-Südharz
Der Landkreis leidet noch immer unter dem Niedergang des Salz- und Kupferbergbaus nach der Wende. In der Region gibt es vergleichsweise wenige Großunternehmen. Nur drei Firmen - der Kupferverarbeiter MKM, die Backfirma Aryzta und der Kohleverarbeiter Romonta - schaffen es in die Liste der 100 größten Unternehmen Sachsen-Anhalts. Laut Arbeitsmarktmonitor arbeitet nur jeder fünfte Beschäftigte in einem Großunternehmen.
Zum Vergleich: In Sachsen-Anhalt ist es jeder vierte Arbeitnehmer. Es fehlen vor allem Industriearbeitsplätze. Doch auch andere Einflüsse sind wichtig: Knapp die Hälfte aller Erwerbslosen (48,9 Prozent) sind Langzeitarbeitslose - in Sachsen-Anhalt insgesamt sind es nur 40 Prozent. Selbst Fachkräfte, die länger als ein Jahr keinen Job haben, sind deutlich schwerer zu vermitteln.
Doch die Menschen in der Region bemühen sich um einen Job. Mehr als ein Drittel pendelt in andere Landkreise oder Bundesländer zur Arbeit. Die meisten Auspendler aus Mansfeld-Südharz fahren dabei nach Halle - knapp 3.000. Der Landkreis ist ländlich geprägt und besitzt eine unterdurchschnittliche Bevölkerungsdichte. Daher können Handels- und Dienstleistungsunternehmen die Industrieschwäche nicht ausgleichen.
Harz
Der Nachbarkreis Harz hat mit 5,1 Prozent die zweitniedrigste Arbeitslosenquote in Sachsen-Anhalt. Im Landkreis befinden sich zehn der 100 größten Unternehmen des Landes. Dennoch ist der Landkreis nicht durch Großindustrie geprägt. 22,5 Prozent der Beschäftigten arbeiten in einem Großunternehmen.
Charakteristisch für den Landkreis Harz ist der starke Mittelstand. So liegt die Beschäftigungsquote mit 62 Prozent über dem Landesdurchschnitt, die Quote der Langzeitarbeitslosen ist mit 30,8 Prozent dagegen deutlich unter dem Schnitt. Auch im Harz pendeln viele Menschen zur Arbeit - jeder vierte Beschäftigte.
Auf Platz eins liegt Goslar mit knapp 3 800. Auch nach Braunschweig und Wolfenbüttel (alle Niedersachsen) pendeln insgesamt 3 000 Arbeitnehmer. Der Landkreis hat einen Vorteil durch die Nähe zu einem westdeutschen Bundesland.
Börde
Sachsen-Anhalts Vorzeige-Landkreis bei der Arbeitslosigkeit ist die Börde. Die Region profitiert stark von der Landeshauptstadt Magdeburg. Ein Teil des Erfolgs basiert allerdings auch auf zahlreichen Neuansiedlungen - die es in dem Umfang beispielsweise in Mansfeld-Südharz in den vergangenen 20 Jahren nicht gab.
Der Landkreis ist von der Historie landwirtschaftlich geprägt. Dennoch arbeitet inzwischen fast jeder vierte Arbeitnehmer in der Industrie. In Haldensleben sitzt beispielsweise Sachsen-Anhalts größter Autozulieferer Ifa Rotorion, vor den Toren Magdeburgs gibt es in Osterweddingen gleich zwei große Flachglaswerke. Die Beschäftigungsentwicklung liegt seit 2005 mit 15,5 Prozent im Plus - in Sachsen-Anhalt sind es 9,2 Prozent.
Die niedrigste Arbeitslosenquote im Land hat die Börde jedoch wegen der sehr vielen Auspendler - fast jeder zweite Arbeitnehmer (47 Prozent) ist nicht im Landkreis tätig. Mit weitem Abstand liegt Magdeburg mit 15 490 Einpendlern aus der Börde an der Spitze. Danach folgen Wolfsburg mit dem VW-Konzernsitz (3 700) und Helmstedt (3 300/beide Niedersachsen).
Halle
Die größte Stadt des Landes besitzt eine hohe Dichte an Großunternehmen. Zwölf der 100 größten Arbeitgeber in Sachsen-Anhalt kommen aus der Saalestadt. Das sind in erster Linie keine Industrie-Unternehmen, sondern Dienstleister wie Post, Universitätsklinikum und die Computerfirma Dell. Mehr als ein Drittel der Beschäftigten arbeitet in Großunternehmen.
Nach Halle pendeln 40.000 Menschen zur Arbeit ein, aber nur knapp 30.000 aus. Durch die hohe Bevölkerungsdichte in der Stadt gibt es einen starken Handels- und Dienstleistungssektor. Daher verwundert es, dass die Arbeitslosenquote mit 8,1 Prozent deutlich über dem Landesdurchschnitt liegt. Eine Erklärung dafür: Die Großstadt zieht nicht nur Unternehmen an, sondern auch ärmere Menschen.
Die Hartz-IV-Quote liegt bei 18,8 Prozent - im Landesschnitt sind es 14,6 Prozent. In Halle gibt es das große Plattenbauviertel Halle-Neustadt mit vergleichsweise niedrigen Mieten und einer hohen Anonymität. Der Ausländeranteil ist in Halle mit 8,1 Prozent fast doppelt so hoch wie im Land. Gerade viele Flüchtlinge haben auf dem Arbeitsmarkt noch keinen Fuß gefasst.
Wittenberg
Auf den ersten Blick überraschend niedrig liegt die Arbeitslosenquote mit 6,2 Prozent im Landkreis Wittenberg. Die Region verfügt mit dem Chemie-Unternehmen SKW Piesteritz und der Verpackungs-Firma SIG Combibloc nur über zwei Großunternehmen unter den Top 100 und grenzt auch nicht an ein westdeutsches Bundesland. Die Pendlerquote liegt mit 30 Prozent auf dem Niveau vieler anderer Landkreise.
Die ländliche Region macht das beste aus ihrer Lage: Die Zahl der Schulabbrecher und jungen Menschen ohne Berufsausbildung liegt unter dem Durchschnitt des Landes. Knapp ein Fünftel der Beschäftigten arbeitet im unteren Entgeltbereich. Der Durchschnittsverdienst liegt bei 2 219 Euro brutto im Monat - in Sachsen-Anhalt sind es 2 400 Euro. Dafür sind jedoch auch die Lebenshaltungskosten wie Mieten niedriger.
Negativ ist im Landkreis die Bevölkerungsentwicklung mit minus 13 Prozent seit 2005. Viele junge Arbeitnehmer sind abgewandert - auch das entlastet zunächst die Arbeitsmarktstatistik. Noch mehr als andere Regionen muss der Landkreis künftig um Fachkräfte werben. Ansonsten wird es der Landkreis seine wirtschaftliche Stellung im Land Sachsen-Anhalt wohl kaum halten können. (mz)
