Studie zum Arbeiten in Deutschland Arbeiten in Deutschland: Ältere und Selbstständige haben es besonders schwer
Berlin - Selbstständige verdienen viel Geld, können sich ihre Arbeit frei einteilen, müssen sich von niemandem etwas sagen lassen, kurz: Selbstständige haben’s gut. Ob dieses Klischee je gestimmt hat, sei dahin gestellt. Sicher ist: Mit der heutigen Wirklichkeit hat das Bild von privilegierten Selfmademen nicht viel zu tun: Sie arbeiten überdurchschnittlich viel, fühlen sich häufig unter Zeitdruck, müssen oft auch am Wochenende ran und haben nicht selten noch einen Zweitjob, um über die Runden zu kommen. Dies geht aus Daten zur Qualität der Arbeit in Deutschland hervor, die das Statistische Bundesamt am Mittwoch veröffentlicht hat.
Wochenendarbeit ist die Regel
Danach arbeiten 50,6 Prozent der Selbstständigen mehr als 48 Stunden pro Woche. Ebenso viele stehen regelmäßig an Samstagen im Beruf, ein Viertel der Selbstständigen auch an Sonntagen. Für fast 44 Prozent ist der Arbeitstag auch zwischen 18 und 23 Uhr noch nicht beendet. Angestellte in Vollzeit haben es besser: Von ihnen sind lediglich 6,5 Prozent länger als 48 Wochenstunden berufstätig, am Abend sind es 24, an Samstagen gut 23 und an Sonntagen lediglich 13 Prozent. Insgesamt hat die Wochenendarbeit aber auch unter abhängig Beschäftigten in zurückliegenden Jahren zugenommen. Arbeiteten 1992 erst 21 Prozent aller Erwerbstätigen regelmäßig am Wochenende, so waren es 2016 bereits 25,3 Prozent.
Die vergleichsweise hohe Arbeitsbelastung der Selbstständigen kann zustande kommen, weil Chef und Chefin in erfolgreichen Unternehmen halt viel zu tun haben. Oftmals handelt es sich aber nicht um expandierende Mittelständler oder gut gehende Arztpraxen, sondern um Billigjobs auf unterstem Niveau. Der Anteil der Soloselbstständigen an allen Erwerbstätigen ist zwar seit etwa zehn Jahren zwar leicht rückläufig, lag Ende 2015 mit 5,1 Prozent aber noch immer deutlich über den 1991 registrierten 3,6 Prozent. Dass es sich dabei oft um arme Schlucker handelt, verdeutlicht auch die überdurchschnittliche Minijobquote: 6,4 Prozent der Soloselbstständigen üben zusätzlich einen Zweitjob aus, unter abhängig Vollzeitbeschäftigten sind es 4,5, von den Selbständigen mit Angestellten nur 3,7 Prozent.
Je älter die Beschäftigten, desto länger die Arbeitszeit
Neben den Selbstständigen sind auch ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit einer hohen Arbeitsbelastung konfrontiert. Die Daten der Wiesbadener Statistiker lassen sich auf eine simple Formel bringen: Je älter die Beschäftigten, desto länger die durchschnittliche Arbeitszeit. So arbeiten nur 1,9 Prozent der 15- bis 24-Jährigen länger als 48 Wochenstunden, von den 25- bis 34-Jährigen sind es 7,7, in den darauffolgenden Lebensjahrzehnten 12,2 und 14,3 Prozent. Mit einem Anteil von 14,4 Prozent am weitesten verbreitet sind überlange Wochenarbeitszeiten aber unter 55- bis 64-Jährigen. Prägend dafür ist die Arbeitszeit der Führungskräfte: Mehr als ein Drittel der Erwerbstätigen in Leitungspositionen arbeitet länger als 48 Stunden. Sie steigen aber meist erst in späteren Lebensphasen zur Chefetage auf, was die überdurchschnittliche Wochenarbeitszeit älterer Beschäftigter erklärt.
Dem hohen Anteil der Vielarbeiter steht ein noch größerer der Teilzeitbeschäftigten gegenüber. 11,6 Millionen Menschen arbeiteten 2016 als Teilzeitkraft, vier von fünf davon sind Frauen. Fast die Hälfte der weiblichen Teilzeitkräfte geben an, aus familiären Gründen wie etwa wegen der Pflege von Angehörigen im Beruf kürzer zu treten. Von den Teilzeitmännern nennen nicht einmal zehn Prozent solche Gründe. Wie unterschiedlich die Belastungen verteilt sind, zeigt eine weitere Statistik: Mit der Zahl der Kinder nimmt die Berufstätigkeit der Eltern ab – vor allem die der Mütter. Während mittlerweile fast 75 Prozent der Frauen im Erwerbsalter insgesamt berufstätig sind, gehen nur mehr 46 Prozent der Mütter von zwei Kindern unter sechs Jahren einer Erwerbsarbeit nach. Mit drei und mehr Kindern im Vorschulalter sinkt der Anteil auf 34 Prozent. Auch Männer treten im Beruf kürzer, wenn die Zahl der Kleinen wächst, aber längst nicht so stark. Ihre Erwerbsbeteiligung sinkt von 82 Prozent insgesamt auf 74 Prozent bei bis zu zwei und auf 63 Prozent bei drei und mehr kleinen Kindern (siehe auch Zweittext: Frauen unter Wert).
Auch von befristeten Arbeitverhältnissen sind Frauen häufiger betroffen als Männer: 2016 waren 8,9 Prozent der beschäftigten Frauen auf Zeit angestellt, bei den Männern lag der Anteil bei 8,2 Prozent. Trotz eines deutlichen Anstiegs – 1991 waren nur 5,9 Prozent Befristungen registriert worden – liegt Deutschland mit 8,5 Prozent im europäischen Vergleich noch relativ gut: Im EU-Durchschnitt waren 20016 10,8 Prozent der berufstätigen Männer und 11,8 Prozent der Frauen befristet angestellt, in Polen und Spanien sind fast ein Viertel aller Beschäftigten betroffen.