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Abmahnung wegen falscher Verfügbarkeit von Produkten Abmahnung wegen falscher Verfügbarkeit von Produkten: So täuscht Zalando seine Kunden

Von Stefan Sauer 31.08.2015, 12:24
Der Online-Händler Zalando liefert innerhalb eines Tages.
Der Online-Händler Zalando liefert innerhalb eines Tages. dpa Lizenz

Berlin - Es geht ums Dabeisein, jetzt oder nie. Um die einmalige Gelegenheit. Ums  Zugreifen, solange der Vorrat reicht. Ums Schnäppchen in letzter Sekunde. Von jeher drängen Händler Verbraucher zum, raschen Kauf, indem sie die Knappheit ihres Angebots in den Mittelpunkt rücken. Dagegen ist aus wettbewerbsrechtlicher Sicht  nichts einzuwenden, solange die Angaben der Wahrheit entsprechen. Das tun sie aber oftmals nicht, wie prominente Beispiele im Internet zeigen: So wird die Knappheit des Angebots beim  Online-Händler Zalando offenbar nur vorgeschützt, um aus Konsumenten kurz entschlossene Kunden zu machen.  Dafür hat das Unternehmen nun von der Wettbewerbszentrale (WBZ) eine Abmahnung erhalten.

Der Vorrat reicht

Ein Rechercheteam des NDR hatte bei Zalando Textilien bestellt, von denen angeblich nur noch  wenige Exemplare verfügbar waren. Allerdings erwies es sich als problemlos, für ein vermeintlich nur noch drei Mal vorrätiges Produkt fünf oder auch zehn Bestellungen aufzugeben. Die Knappheit war also offenbar nur vorgetäuscht. Dazu erklärte Zalando, die Angabe „3 Artikel verfügbar“ deute zum einen auf einen geringen Lagerbestand hin, garantiere aber zum anderen einen Vorrat von mindestens drei Artikeln.

Die Wettbewerbszentrale hielt Zalandos Stellungnahme allerdings für wenig plausibel und stellte eigene Untersuchungen an. „Unsere eigenen Kontrollen haben das Ergebnis des NDR bestätigt. Wir konnten ohne weitere bis zu dreimal  größere Warenmengen bestellen als angeblich vorrätig waren“, sagt Rechtsanwältin Sennur Pekpak, die der  Geschäftsführung der WBZ angehört, dieser Zeitung. Der Online-Händler dränge offenbar Kunden mit unrichtigen Angaben dazu, eine schnellere Kaufentscheidung zu treffen, die sonst vielleicht so nicht getroffen worden wäre.  „Da wird Zeitdruck erzeugt, wo vom Lagerbestand her gar kein Zeitdruck nötig ist“, sagt Pekpak. Es handele sich mithin um einen „lauterkeitsrechtlichen Tatbestand“ nach § 5 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, der „Täuschungen über die Verfügbarkeit von Waren“ verbiete, so die WZB-Juristin.

Abmahnung kostet rund 240 Euro

Durch die Abmahnung der Wettbewerbshüter kommen zwar zunächst nur geringe Bearbeitungsgebühren in Höhe rund 240 Euro auf Zalando zu. Deutlich schmerzlicher aber ist die damit verknüpfte Aufforderung, die angemahnte Praxis einzustellen und dies in einer strafbewehrten Unterlassungserklärung zuzusichern. Unterschreibt Zalando, droht im Fall weiterer einschlägiger Verstöße ein Bußgeld, dessen Höhe die WZB nicht nennen will, nur so viel: „Es ist der Schwere des Verstoßes und der Wirtschaftskraft des Unternehmens angemessen.“

Allerdings ist Zalando rechtlich nicht verpflichtet, auf die WZB-Abmahnung zu reagieren. Was dann? „Wir würden dann wohl  Unterlassungsklage vor dem Landgericht erheben“, sagt Pekpak. 500 bis 600 Gerichtsverfahren strengt die WZB jährlich an, um widerspenstige Unternehmen zur Einhaltung des Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb zu veranlassen, manche Verfahren durchlaufen alle Instanzen bis zum Bundesgerichtshof oder gar zum Europäischen Gerichtshof. Zuletzt gewann die WZB ein Verfahren gegen den Online-Händler Amazon: Das Unternehmen hatte sich geweigert, die in angebotenen Textilien verwendeten Fasern anzugeben.  

Lesen Sie im Folgenden, welche Online-Händler in der Vergangenheit bereits abgemahnt wurden und was Verbraucherschützer nun fordern.

Knapp daneben

Zalando ist also nicht der einzige prominente Online-Händler, der mit rechtlich angreifbaren Praktiken auf Kundenfang geht. Auch  Hotelportale wie Booking.Com gerieten bereits mehrfach ins Visier der Wettbewerbshüter, und das nicht nur wegen der mittlerweile untersagten Bestpreisgarantien. Zuletzt ging es – wie bei Zalando - um das Thema künstliche Verknappung. Die Angabe „nur noch ein Zimmer verfügbar“ ist nämlich oftmals ebenfalls unrichtig, da sie sich nicht auf die tatsächlich im Hotel noch verfügbaren Übernachtungsmöglichkeiten beziehen, sondern lediglich auf das Kontingent des Hotelportals. Daher hatte das Oberlandesgericht Köln in einem 2014 veröffentlichten Urteil entschieden, dass die Portale die bis dahin üblichen Aussagen zur Verfügbarkeit zu unterlassen hätten und deutlich machen müssten, dass sie sich lediglich auf ihre Kontingente beziehen. Bei Booking.Com heißt es seither, dass nur noch eine bestimmte Anzahl Zimmer „auf unserer Seite“ verfügbar sei. Dagegen ignoriert Booking.Com-Konkurrent HRS nach Recherchen des NDR die Gerichtsentscheidung weiterhin.

Offenbar frei erfunden sind zudem Reiseportal-Angaben, nach der sich eine  bestimmte Anzahl von Personen gerade das gleiche Angebot ansehen. Der NDR ließ 28 Tester  von unterschiedlichen Rechnern aus gleichzeitig ein Hotelangebot aufrufen, ohne dass dies Einfluss auf die Zahl der angeblichen Betrachter gehabt hätte.

Verbraucherschützer fordern einheitliche Normen

Der Bundesverband der Verbraucherzentralen (Vzbv) fordert vor diesem Hintergrund verbindliche und einheitliche Standards für Online-Portale rechtlich zu verankern. „Die Angaben zu angeblicher Verknappung spiegeln nur einen Aspekt des Gesamtproblems: Das der fehlenden Klarheit und Transparenz im Onlinehandel“, sagt Vzbv-Experte Lenz Queckenstedt. „Es muss für den Verbraucher möglich sein, auf Basis einer realistischen Basis Kaufentscheidungen zu treffen. Und dazu müssen die angegebenen Fakten stimmen.“

Zalando hat mittlerweile übrigens reagiert, wie eine Unternehmenssprecherin am Nachmittag mitteilte. Man habe die Angaben auf der Internetseite geändert. Nunmehr sei zum Beispiel von „mindestens drei Artikeln“ die Rede, wenn sich eventuell auch mehr im Lager befänden. Der Hinweis „nur noch drei Artikel vorrätig“ sei hingegen wörtlich zu verstehen. Zalando habe sich in der Vergangenheit zwar unpräzise ausgedrückt, aber nicht die Täuschung der Kunden im Sinn gehabt.