Kommentar zur Anklage Abgasskandal: Es geht um mehr als Martin Winterkorn - Behörden und Kunden werden betrogen
Frankfurt am Main - Das US-Rechtssystem funktioniert nach anderen Mechanismen als die hiesige Justiz. Dort haben Verfahren auch mit Showbusiness zu tun – insbesondere wenn es sich um spektakuläre Fälle handelt.
Deshalb war schon vor gut zweieinhalb Jahren nach der Aufdeckung des systematischen Abgasbetrugs von Volkswagen in den USA klar, dass es die Ermittler auf den obersten Chef, den damals mächtigsten Automanager der Welt, Martin Winterkorn, abgesehen haben.
Es wurde akribisch recherchiert
Dafür müssen sie nachweisen, dass Big Boss Winterkorn von den Betrügereien wusste und dass er sie aktiv befördert hat. Wer die Anklageschrift liest, bemerkt schnell, wie akribisch für den Schauprozess recherchiert wurde, zu dem Winterkorn mutmaßlich aber nicht persönlich erscheinen wird.
Muss das jetzt noch sein? Schließlich ist der ehedem sehr selbstbewusste Top-Manager schon genug gedemütigt worden – etwa als er vor dem Untersuchungsausschuss des Bundestages zugeben musste, ein Totalversager zu sein. Dennoch: Es muss sein.
Kunden und Behörden werden betrogen
Es geht um mehr als Winterkorn. Noch immer werden jeden Tag von fast allen namhaften Autobauern Fahrzeuge verkauft, die mit mehr oder weniger legalen Mitteln gegen Bestimmungen zum Gesundheits- und Umweltschutz verstoßen, indem Motorsteuerungen und Abgasreinigungssysteme manipuliert werden.
Kunden und Behörden werden betrogen, Stadtbewohner werden krank gemacht. Doch die Automanager interessiert das herzlich wenig. Da hat sich eine Mischung aus Ignoranz und Arroganz breit gemacht. Die Anklage gegen Winterkorn kann da erzieherisch wirken. Denn sie signalisiert denen in den Führungsetagen, dass es durch Arroganz und Ignoranz auch ganz oben sehr ungemütlich werden kann.