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1.500 Arbeitsplätze weg 1.500 Arbeitsplätze weg: Windkraft-Anlagenbauer Enercon streicht in Magdeburg jede zweite Stelle

Von Steffen Höhne 09.11.2019, 08:12
In einem Magdeburger Werkteil werden die metergroßen Turbinen für die Windkraft-Anlagen gefertigt.
In einem Magdeburger Werkteil werden die metergroßen Turbinen für die Windkraft-Anlagen gefertigt. Enercon

Aurich/Magdeburg - Die Krise in der Windkraftbranche trifft nun auch den Standort Magdeburg mit voller Wucht. Der Anlagenbauer Enercon will in seinem Vorzeigewerk etwa jede zweite Stelle abbauen. Von den aktuell noch etwa 3.000 Mitarbeitern sollen 1.500 gehen, bestätigte eine Firmensprecherin der MZ.

Enercon war bisher der größte Industriebetrieb in Sachsen-Anhalt. Insgesamt sollen in Deutschland 3.000 Stellen wegfallen. „Enercon hat für die kooperierenden Blattwerke in Aurich und Magdeburg keine Aufträge mehr, da durch verfehlte politische Reformen die Auftragslage für neue Windenergie-Projekte in Deutschland nahezu zum Erliegen gekommen ist“, begründet Enercon-Chef Hans-Dieter Kettwig den radikalen Schritt.

Windkraftanlagen: Dramatischer Auftragseinbruch

„Es gibt einen dramatischen Einbruch beim Bau neuer Anlagen“, sagte zuletzt auch Christoph Zipf, Sprecher des Bundesverbandes Windenergie, der MZ. Eine Auswertung der Zahlen der Bundesnetzagentur durch das „Internationale Wirtschaftsforum Regenerative Energien“ ergibt folgendes Bild: Von Januar bis Mitte Juli 2019 wurden in Deutschland nur 97 Anlagen an Land mit einer Gesamtleistung von 323,5 Megawatt neu installiert. In einigen Bundesländern wie Sachsen und Hessen kam nicht ein neues Windrad ans Netz. In Sachsen-Anhalt wurden von Januar bis Mitte Juli 2019 lediglich 14 Windräder aufgebaut.

Viele Klagen gegen Anlagen

Es gibt laut Windenergieverband mehrere Gründe für den Einbruch: neue Förderbedingungen, Klagen und ein Flächenengpass. Anfang 2017 wurde das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) grundlegend reformiert. Die Projekte werden nun ausgeschrieben, bei der Windkraft sind es jährlich 2.800 Megawatt. Laut Gesetz wurden sogenannte Bürgerenergie-Anlagen bevorzugt, doch die bauen nur langsam aus. Nach Angaben des Verbandes blockieren vermehrt auch Umwelt- und Naturschützer neue Anlagen. „300 Anlagen in Deutschland werden beklagt“, so Zipf. Als mit Abstand häufigsten Klagegrund nennt eine Analyse des Verbandes den Natur- und Artenschutz.

Enercon, das sich bisher vor allem auf den deutschen und europäischen Markt konzentriert hat, trifft die Entwicklung hart. Am Standort Magdeburg wurden in mehreren Werken im Jahr 2017 noch 450 Anlagen produziert. Im Vorjahr waren es noch 350. In diesem Jahr dürfte die Zahl wohl noch niedriger liegen.
Der Auftragsrückgang hat schwerwiegende Folgen.

„Unser Unternehmen verzeichnet erstmals erhebliche Verluste“, so Firmenchef Kettwig. „Das bedeutet für uns: Wir müssen jetzt konsequent und schnell die Weichen stellen, um Enercon aus der Krise zu führen.“ Der Windenergie-Anlagenbauer setzt nicht mehr auf den deutschen Markt. „Wir konzentrieren uns auf internationale Märkte, in denen bessere Perspektiven bestehen“, so Kettwig.

Keine Massenproduktion

Die Gesamtzahl der Enercon-Beschäftigten in Magdeburg ist in den vergangenen Jahren bereits von 5 000 auf 3 000 gesunken. Vor allem Leiharbeitsstellen wurden abgebaut. Da stellt sich die Frage: Ereilt die Windkraft nun auch das Schicksal der deutschen Solar-Industrie, die wegen asiatischer Konkurrenz verschwunden ist? Der Magdeburger Enercon-Betriebschef Dirk Hofmann geht davon aus, dass sich der Standort im internationalen Wettbewerb behauptet. Im MZ-Gespräch im Juli 2019 sagte er: „Wir machen hier keine Massenproduktion, die Anlagen werden mitunter nach Kundenwunsch gefertigt.“

Sachsen-Anhalts Umweltministerin Claudia Dalbert (Grüne) erklärte: „Es ist ein Armutszeugnis für den Industriestandort Sachsen-Anhalt, wenn hier 1 500 Arbeitsplätze in der Windenergie verloren gehen. Sachsen-Anhalt war bisher der größte Windindustriestandort in Deutschland.“ Das sei das Ergebnis einer seit Jahren falschen Energie- und Industriepolitik in Deutschland.

Willingmann appelliert an Enercon-Geschäftsführung

Wirtschaftsminister Armin Willingmann (SPD) appellierte auch an die Verantwortung des Unternehmens: „Ich erwarte von der Enercon-Geschäftsführung, dass ein möglicher Beschäftigungsabbau nicht allein auf Kosten des Standortes Magdeburg vorgenommen wird.“ Das Land habe die Investitionen des Unternehmens wiederholt unterstützt.

Bereits seit geraumer Zeit wirbt Willingmann nach eigenen Angaben dafür, dass Bund und Länder gemeinsam eine Strategie zur Ausweisung von Flächen für die Windenergienutzung entwickeln; dazu zählen auch überarbeitete Abstandsregelungen für Windenergieanlagen, die Standardisierung naturschutzrechtlicher Vorgaben und damit beschleunigte Genehmigungen. (mz)