Weltmeisterschaft Weltmeisterschaft: Fußball tut gut

Wahrscheinlich gibt es keineandere Nation, die so sehr um die gesellschaftlicheKraft einer Fußball-WM weiß wie unsere. 2006hat das Ereignis das Gastgeberland Deutschlandnachhaltig verändert, hat es weltoffener gemacht.Und auch wenn die Ausgangslage der WM 2010,viele tausend Kilometer entfernt in Südafrika,so anders schien, so haben auch die vergangenenvier Wochen Bemerkenswertes mit sich gebracht.Die WM war wieder ein Massenereignis. Genauvon dem Tag an, als das deutsche Team mitLeistung zu überzeugen begann. Und diesemPhänomen kann man durchaus eine gesellschaftlicheEbene zubilligen.
Es ist ungemein spannend, Vergleiche zu ziehenzwischen dem Erfolg der deutschen Nationalmannschaftund der wenig ruhmreichen Form der deutschenPolitik. Fußball-Deutschland 2010 - das istjung und dynamisch, einfallsreich und schnell,multikulturell und spielerisch. Vor allemist es aber von einer grundsätzlichen Entwicklungsideegeprägt, der sich alle Handelnden unterordnen.Dem politischen Deutschland darf man getrostalle gegenteiligen Attribute verpassen. KeinWunder also, dass am Tag nach dem Viertelfinalemit Angela Merkel auf der Tribüne viele Zeitungendie jubelnde Kapstadt-Kanzlerin und die verbisseneBerlin-Kanzlerin auf Fotos nebeneinander darstellten.Zwei Bilder, die alles sagten.
Aus diesem Gedanken lässt sich aber auch imKonkreten einiges ableiten. Nehmen wir BundestrainerJoachim Löw als Beispiel. Der stand vor derWM in der Kritik, weil er scheinbar nichtnach Leistungskriterien nominiert hatte. Dasser an den umstrittenen Miroslav Klose undLukas Podolski festgehalten hat, wird heuteniemand kritisieren. Die beiden haben sechsvon 13 Toren dieser WM erzielt.
Im Vorfeld konnte man Löws Vorgehen mutigoder stur nennen. Im Nachhinein muss man esals klug und kompetent einordnen. Man malesich nur einmal aus, eine Regierung würdemit ähnlicher fachlicher Weitsicht ein Projektwie eine Gesundheitsreform aufstellen. Welchmagische Vorstellung.
Die deutsche Mannschaft ist am Mittwoch imHalbfinale ausgeschieden. Da die Elf im Schnittnicht einmal 25 Jahre alt war, wird sie seitdemvon einer Phrase begleitet: "Diesem Team gehörtdie Zukunft." Klingt nett, ist aber trotzdemfalsch.
Diesem Team gehört vielmehr die Gegenwart.Es verkörpert Werte, die in allen gesellschaftlichenund beruflichen Bereichen heute unumgänglichsind: Teamgeist, gute Ausbildung und Ehrgeiz.Da viele deutsche Nationalspieler ihre Wurzelnim Ausland haben, kommt zudem eine wichtigeErkenntnis in Sachen Integration hinzu: DieEingliederung von Ausländern funktioniertdort besonders gut, wo vor sprachlicher Kompetenzeine Art spielerisches Moment greift. Dasgilt im Fußball, im Sport allgemein, aberauch in anderen Gesellschaftsbereichen: Kunst,Kultur oder Musik. Darin steckt eine politischeBotschaft.
Fußball, so viel ist klar, tut Deutschlandgut. Die beste Nachricht ist deshalb: NächstesJahr ist Frauen-WM - im eigenen Land.
Kontakt zum Autor: Christian Elsaeßer