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Wall-Street-Krisengipfel wegen Lehman Brothers

13.09.2008, 14:54

New York/Nizza/dpa. - Bei einem Krisengipfel zur dramatischen Lage der Investmentbank Lehman Brothers haben US-Finanzminister Henry Paulson und Spitzen-Banker über einen Notverkauf des Finanzhauses beraten.

Paulson schloss dabei laut Medienberichten Staatshilfen für die viertgrößte US-Investmentbank kategorisch aus. Der deutsche Finanzminister Peer Steinbrück rechnet mit einer schnellen Entscheidung über die Zukunft von Lehman: «Wir erwarten eine Lösung vor Öffnung der asiatischen Märkte am Montag», sagte er am Samstag in Nizza.

Ein Zusammenbruch der 158 Jahre alten Traditionsbank mit deutschen Wurzeln würde weltweite Schockwellen über die gesamte Branche senden. «Die Nachrichten aus den USA sind sehr schlecht», warnte Steinbrück bei dem EU-Finanzministertreffen.

Nach einem Rekordverlust und dem drastischen Verfall des Aktienkurses sucht die Bank mit Hochdruck einen Käufer. Ein weiterer Kurseinbruch könnte ihr laut Experten das Genick brechen.

Übers Wochenende wollen sich in den USA Top-Manager, Spitzenpolitiker und Notenbankvertreter dem «Wall Street Journal» zufolge erneut treffen, um nach einer Lösung zu suchen. Als mögliche Käufer von Lehman Brothers wurden zuletzt die Bank of Amerika mit dem Finanzinvestor JC Flowers und dem chinesischen Fonds CIC gehandelt, wie die «Financiall Times» berichtete. Als potenzielle Interessenten gelten auch die britischen Banken HSBC und Barclays.

Allein in der vergangenen Woche stürzte die Lehman-Aktie an der Börse um fast 80 Prozent auf 3,65 Dollar ab. Seit Jahresbeginn verlor sie fast 95 Prozent ihres Werts.

Bei dem außergewöhnlich hochkarätig besetzten Krisentreffen am Freitagabend (Ortszeit) in New York kam es den Berichten zufolge zu einem heftigen Tauziehen der Regierung mit den Banken: Die möglichen Käufer fordern wegen der kaum abschätzbaren Risiken bei Lehman staatliche Garantien wie etwa beim Notverkauf der Investmentbank Bear Stearns vor einem halben Jahr oder bei der jüngsten Rettungsaktion für die zwei Hypothekenfinanzierer Fannie Mae und Freddie Mac.

An dem rund zweistündigen Lehman-Krisengipfel in der New Yorker Notenbank nahmen den Berichten zufolge alle Chefs der großen Wall- Street-Häuser teil: Lloyd Blankfein von Goldman Sachs, John Mack von Morgan Stanley und John Thain von Merrill Lynch, hinzu kamen unter anderem die Chefs der Finanzkonzerne Citigroup, Vikram Pandit, und J.P. Morgan Chase, Jamie Dimon.

Vor zehn Jahren hatte die Branche bei einer ähnlich spektakulären Krisensitzung in New York eine teure Rettung für den Hedge-Fonds Long Term Capital Management (LTCM) eingeleitet. Aus Angst vor einem totalen Zusammenbruch mit unabsehbaren Folgen für die Märkte schossen Banken in einer konzertierten Aktion Milliardensummen zu.

Immer mehr unter Druck geraten wegen Kurseinbrüchen und Milliardenbelastungen derzeit noch zwei weitere US-Schwergewichte: Der Versicherungsriese AIG und die größte US-Sparkasse Washington Mutual (WaMu).

Der zu den weltgrößten Versicherern zählende AIG-Konzern könnte an diesem Montag einschneidende Schritte zur Lösung seiner Probleme ankündigen, schrieb das «Wall Street Journal». Die führende US- Sparkasse WaMu steht unterdessen erneut im Zentrum von Übernahmegerüchten. Als einer der Interessenten gilt laut US-Medien der Finanzkonzern J.P. Morgan Chase, der vor einigen Monaten schon einmal mit einem Kaufangebot bei WaMu abgeblitzt war.

Deutschland stehe in unmittelbarem Kontakt mit den US-Behörden, um über die Entwicklung auf dem Laufenden zu sein, sagte Steinbrück. Bundesbankpräsident Axel Weber sprach von einer «neuen Runde von Anspannungen und Unsicherheiten».