Vom Papierbrei zur Riesenrolle Vom Papierbrei zur Riesenrolle: So entsteht das Papier für die Mitteldeutsche Zeitung

Halle (Saale) - Papier über Papier. In großen Bergen liegen Lkw-Ladungen von bunt bedruckten Blättern und Heften in der Halle, ein paar Schritte weiter Ballen von gepressten Papierabfällen. Wobei „Abfall“ nicht das richtige Wort ist. Hier, in der Papierfabrik der Stora Enso Sachsen GmbH in Eilenburg, ist Altpapier ein wichtiger Rohstoff. Daraus wird neues Papier gemacht - auch das für die MZ. Was so einfach klingt, ist ein ausgeklügelter Prozess.
Das fängt damit an, dass Papier nicht gleich Papier ist: Da wären etwa die unverkauften Exemplare, die Remittenden. „Sie sind weniger verschmutzt als gemischtes loses Altpapier“, sagt Betriebsingenieur Felix Daetweiler. „Doch gerade bei ihnen sind oft für uns störende Folien enthalten - etwa, wenn ein Magazin eingeschweißt wurde.“ Derlei Material wird vom Papier getrennt, wenn dies nicht bereits bei den Entsorgern, von denen man beliefert wird, oder der eigenen Sortieranlage geschehen ist.
Das Altpapier stamme vor allem aus der Region, „teils aber auch aus skandinavischen Ländern“, berichtet Daetweiler. Das hat nicht unbedingt damit zu tun, dass die Fabrik zum finnisch-schwedischen Konzern Stora Enso gehört, einem der größten Papierhersteller weltweit. Sondern mit der Struktur von Papier. Dazu muss man wissen: „Papierfasern können bis zu sieben Mal wiederverwendet werden“, erklärt der Produktionsingenieur, der in erster Linie für die Papiermaschine zuständig ist. „Doch dafür braucht es stets auch einen Anteil an Frischfasern, die im verglichen mit Deutschland weniger oft recycelten Altpapier aus Skandinavien mehr enthalten sind.“
Papierfabrik in Eilenburg: Mehr als 300.000 Tonnen Papier pro Jahr
Im Altpapierlager wuchtet ein Radlader Nachschub auf die Bänder. Zeitungen, Klatschblätter, zwischendrin ein Buch. Hin und wieder taucht auch ganz anderes auf, wie Daetweiler erzählt: „Es wurde schon mal ein halber Motor gefunden.“ Weil ein bestimmter Papier-Mix nötig ist, werden vor der Aufbereitung die Eigenschaften des Ausgangsmaterials erfasst - „etwa Aschegehalt, Feuchte oder Weißgrad“ - und je nach Erfordernissen andere Sorten Altpapier beigefügt. Neben Zeitungsdruckpapier werden an dem Standort mit über 200 Mitarbeitern Papiere etwa auch für Werbeprospekte und Telefonbuchpapier aus Altpapier hergestellt. „Über 300.000 Tonnen Papier können wir hier pro Jahr erzeugen“, so der Geschäftsführer der Stora Enso Sachsen GmbH, Dirk Schwarze.
Und das beginnt stets in der Deinkinganlage, wo die Druckfarben entfernt werden. Der 33-jährige Felix Daetweiler erklärt: „Zuerst wird das Altpapier mit Wasser und Chemikalien aufgelöst. Die gelösten Fasern durchlaufen dann eine Siebzone, in der Fremdstoffe vom groben Stein bis zur kleinen Klammer aussortiert werden.“ Der wässrige Brei gelangt in die sogenannte Flotation: „Hier geschieht letztlich nichts anderes als in einer Waschmaschine: Nach Zugabe von Seife und Luft entsteht ein dunkler Schaum, der die alte Druckfarbe enthält und von den Fasern getrennt wird.“ Auch klebrige Partikel, „etwa von Buchrücken“, werden entfernt. Am Ende des Deinkingprozesses ist ein heller Faserbrei entstanden. Das für die Papierherstellung nötige Wasser stammt übrigens aus der Mulde. „Es wird nach aufwendiger Reinigung in unserem Klärwerk zurückgeführt.“ Das Eilenburger Papier trägt den blauen Umweltengel.
In der Halle mit der Papiermaschine ist es laut. Was genau in der 117 Meter langen und zehn Meter breiten Anlage vor sich geht, lässt sich von außen nur erahnen. Vom Papierbrei kann in der Siebpartie Wasser abfließen. In der sogenannten Pressenpartie wird dann der Trockengehalt weiter erhöht. „Das Wasser wird mit Walzen herausgedrückt. Es entsteht erstmals eine Papierbahn mit einer Eigenfestigkeit und einem Trockengehalt von 50 Prozent“, so Daetweiler. „Das ist natürlich noch viel zu feucht.“
Also muss das „Bügeleisen“ ran: „Das Papier läuft im Trockenende über eine heiße Walze, das Wasser verdampft“, erklärt er. Ein Messrahmen erfasst dessen Eigenschaften wie Flächengewicht, Feuchte, Dicke. Und: „Ein Lochdetektor erkennt auch Mini-Fehler.“ Gesteuert und kontrolliert werden die Prozesse in den Kontrollwarten, je für bestimmte Bereiche. „Mit Kameras in der Papiermaschine können beispielsweise Ursachen für eventuelle Papierabrisse ermittelt werden“, sagt der Produktionsingenieur und deutet auf den Monitor. In Labors wird die Papierqualität überprüft.
Schließlich hebt ein Kran die aufgewickelte Papierbahn in den Rollenschneider: „Die gut 9,20 Meter breite Mutterrolle wird in Rollen der gewünschten Größe geschnitten“, so Felix Daetweiler. Vom Alt- bis zum Recyclingpapier dauere es circa vier Stunden, „mitunter aber deutlich länger, da der Stoff teils zwischengelagert wird“. Am Ende, im Fertigpapierlager, dasselbe Bild wie am Anfang: Papier über Papier. Doch statt großer Papierberge stapeln sich hier mächtige Papierrollen-Türme. Fertig für neue Inhalte. (mz)


